07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Anlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park im 18. Jahrhundert
- 10. Wirtschaftsgebäude
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Quellen- und Literaturverzeichnis
An der Wende zum 18. Jahrhundert formten die Gebäude in Fossesholm kein homogenes Ensemble, das adeligen Ansprüchen genügen konnte. Vielmehr war die bauliche Erscheinung das Ergebnis hier seit circa 100 Jahren lebender Pächter, die generell nur die nötigsten Instandhaltungsarbeiten durchführten.[1] Dies änderte sich, als 1705 Mette Jørgensdatter, die Tochter eines der Besitzer Jørgen Poulsen, und ihr Mann Ottmar Elligers die Pacht übernahmen. Es fiel nun die Entscheidung, das Hauptgebäude vollständig neu zu errichten, worauf jedoch kaum weitere Arbeiten erfolgten, zweifelsohne aufgrund der komplizierten Eigentumsverhältnisse. Die größten baulichen Veränderungen erfuhr die Gutsanlage in der zweiten Jahrhunderthälfte, als Jørgen van Cappelen Fossesholm in seinen alleinigen Besitz brachte und das Herrenhaus auf die fast doppelte Größe erweiterte. Auch der Garten und die Neben- und Wirtschaftsgebäude wurden in den Prozess der Neugestaltung einbezogen, an dessen Ende ein Anwesen mit einer nun deutlich repräsentativeren Ausrichtung stand. Die bis (mindestens) in das 16. Jahrhundert zurückreichende heterogene Baugeschichte bleibt in zahlreichen Elementen bis heute nachvollziehbar. Das neue Herrenhaus von 1708Nachdem 1697 Fossesholm durch Gjord Andersen und Jørgen Poulsen erworben worden war, wurde der Haupthof 1705 an Poulsens Tochter Mette Jørgensdatter und ihren Mann Ottmar Elligers verpachtet.[2] Der seit den 1660er Jahren auf Fossesholm wohnende Pächter Christian Weinschenck musste das Haus 1707 verlassen. Anlässlich entstand die letzte Beschreibung[3] des alten Hauptgebäudes vor seinem Abriss: Offenbar war es in relativ gutem Zustand; die Wirtschaftsbauten werden hingegen vielfach als baufällig beschrieben.[4] Die ehemalige fruerstue und die angrenzenden Wohnbauten wurden abgerissen, das Kellerfundament saniert und an gleicher Stelle um 1708 das neue – als nördliche Hälfte heute noch stehende – Hauptgebäude errichtet (Abb. 51). Mette Jørgensdatter Elligers übernahm nach dem Tod ihres Mannes 1718 den Pachtvertrag. Erst 1733 wurden das Haus und die Innenräume anlässlich der Auktion nach Mettes Tod beschrieben.[5] Erwähnung fanden in diesem Zusammenhang auch einzelne Handwerker aus der Region, die an der Errichtung des Neubaus beteiligt gewesen waren.[6] Das neue Herrenhaus hatte ein hohes Walmdach und maß 10 x 27 m, womit es dieselbe Breite wie der Vorgängerbau einnahm. Mit einem Walmdach, auch als „italiensk tak“ bezeichnet, wurde in Fossesholm nun ein Element aufgenommen, das eine Verbindung zur europäischen Architektur herstellte.[7] Auf der Gartenseite lief ein offener, sogenannter Svalgang am Gebäude entlang (Abb. 52, 53), ein in Norwegen ab circa 1600 übliches architektonisches Element, das der einfachen Erschließung der Räume diente.[8] In Fossesholm waren die Räume im Erdgeschoss zusätzlich untereinander verbunden. Die Treppe zum ersten Obergeschoss lag an der südlichen Giebelwand, vermutlich in einem geschlossenen Raum. Im Jahr 1741 wurde das neue Hauptgebäude erneut beschrieben und auf relativ hohe 700 rigsdaler geschätzt. [9] Es fehlten nachwievor Teile der äußeren Bretterverkleidung, vermutlich aufgrund fehlender finanzieller Mittel.[10] Die Wirtschaftsgebäude waren seit 1706 kaum erneuert worden und befanden sich 1741 in schlechtem Zustand (Abb. 54).[11] Die auf Fossesholm im frühen 18. Jahrhundert einsetzende Entwicklung lässt sich in ähnlicher Form auf weiteren Höfen der Region beobachten, so zum Beispiel in Sem, Vikersund oder Skjelbred: Hatten die Pächter über lange Phasen nur die nötigsten Ausbesserungsarbeiten für eine funktionale Nutzung durchgeführt, traten nun vermehrt privilegierte Eigentümer auf, welche die Höfe selbst bewohnten und ihren Ausbau, verbunden mit einem gesteigerten Anspruchsniveau, vorantrieben. [12] Das in Fossesholm realisierte Hauptgebäude entspricht einem in der Zeit – auch in der Stadt – verbreiteten Bautypus, in dem sich auch eine neue Form der Wohnkultur zeigte, welche die wichtigsten Funktionen unter einem Dach versammelte.[13] Die Erweiterung und Neugestaltung unter Jørgen von CappelenMit der Übernahme durch Jørgen von Cappelen (Abb. 25) befand sich Fossesholm ab 1764 nach 67 Jahren als geteiltes Eigentum wieder in einer Hand. Cappelens Ambitionen scheinen von Beginn an hoch gewesen zu sein: Er nahm den langwierigen Prozess auf, Fossesholm erneut zu einem steuerbefreiten Adelssitz mit entsprechenden Privilegien (setegårdsprivilegier) zu erheben[14] und stieß umfangreiche Investitionen und bauliche Veränderungen an. Das größte Projekt betraf die Modernisierung und Verlängerung des Hauptgebäudes, eingeschlossen einer gänzlichen Neugestaltung der Innenräume.[15] Die Erweiterung des Herrenhauses zielte auch darauf, eine dem adeligen Anspruch angemessene Wohnform mit mehr Räumen zu schaffen. Ein Neubau wäre zweifelsohne deutlich kostspieliger gewesen; zudem sollten vermutlich die lange Geschichte und Tradition der Gutsanlage sichtbar bleiben.[16] Die Bauarbeiten begannen im Mai 1763. Die bestehende Treppe vor der südlichen Giebelwand wurde entfernt und der Neubau auf einer Breite von 10,5 m dem existierenden Gebäude angeschlossen (Abb. 1, 17). Zahlreiche Detailarbeiten entstanden aus Kiefernholz, so Verkleidungen, Gesimse, Pilaster und Türen (Abb. 55, 56). Der Svalgang wurde zu einer offenen und klassizistisch anmutenden Loggia weiterentwickelt (Abb. 52), mit Pfosten in Form von quadratischen Säulen und aufgesetzten, marmorierten Pilastern. In der Mitte des etwas breiteren Neubaus wurde eine kleine zurückgesetzte Loggia eingesetzt, so dass der Eindruck entsteht, die offene Loggia ginge durch das Gebäude hindurch und dessen abweichende Breite kaschiert wurde.[17] Im Obergeschoss liegt darüber ein geschlossener Korridor mit Fenstern, die mehrheitlich aus dem 1708 errichteten Vorgängerbau wiederverwendet wurden (Abb. 57, 58). Eines dieser Fenster[18] mit Bleiglasscheiben hat sich heute im Drammens Museum erhalten. An den Fenstern finden sich die für den gesamten Ostseeraum typischen Eisenwinkel (Abb. 59). Um an den Seitenflügel anzuschließen, musste der Neubau eine Länge von 24 m erhalten, was offenbar mit der Raumdistribution nicht passte, so dass zwischen altem und neuem Gebäude ein kleiner Raum als Übergangszone geschaffen wurde.[19] Einer Beschreibung von Oktober 1764[20] zufolge waren die Arbeiten zu diesem Zeitpunkt weit gediehen und die Holzverkleidung des Gebäudes bereits weiß bemalt. Anstelle des alten Sudhauses entstand an der Gartenseite ein zweistöckiger Seitenflügel, der mit dem Neubau über ein überdachtes Gartentor und einen Zugang im Obergeschoss verbunden wurde (Abb. 60, 19, 61).[21] Der Flügelbau auf der gegenüberliegenden Seite wurde erst 1767 realisiert (Abb. 62). Das Haupttor (Abb. 63–65) wurde überdacht und eventuell über illusionistische Malereien als Triumphbogen gestaltet.[22] Das Dach des Hauptgebäudes erhielt 1766 blau glasierte Ziegeln. Zum Hof wurden Glasfenster eingesetzt, während man zur Flussseite altmodische Bleiglasfenster verwendete, eventuell als Reminiszenz an das Alter des Hauses.[23] Zum Fluss erhielt die nun 50 m lange Fassade eine einheitliche Gestaltung mit marmorierten, dorisch-toskanischen Kolossalpilastern (Abb. 66, 67). Auch der Sockel hatte einst eine marmorierte Kachelbemalung, die jedoch mangels näherer Informationen zur Größe der Kacheln nicht wiederhergestellt wurde.[24] Die Kolossalordnung, im europäischen Kontext ein adelig und königlich konnotiertes Fassadenmotiv, war in der Region zu dieser Zeit eine wiederholt verwendete architektonische Form: Beispiele lassen sich mit Buskerud hovedgård (Abb. 68), Arbogården in Strømsø, Nedre Gausen in Holmestrand oder Grinder in Grue anführen. Sørensen sieht bezogen auf die Kolossalordnung in Fossesholm ein Vorbild im Palais des Grafen Moltke, eines der vier Bauten von Schloss Amalienborg in Kopenhagen, das von Nicolai Eigtved 1749–1754 errichtet worden war.[25] Die überlieferten Ausgaben für die Bauarbeiten in Fossesholm beliefen sich 1767 auf 12 716 rigsdaler.[26] Noch erhaltene Rechnungen nennen keine Namen, so dass die beteiligten Künstler und Handwerker heute nicht bekannt sind.[27] Auch die Wirtschafts- und Nebengebäude sowie das Sägewerk und die Ødegårdene um den Eiker wurden unter Cappelen baulich verbessert.[28] Das Ergebnis der Umbauten unter Jørgen von Cappelen war ein repräsentatives Anwesen, das in Größe und Einheitlichkeit ein adeliges Anspruchsniveau vermittelte. Den Ankommenden bot sich mit der hoch über dem Fluss liegenden, langen Fassade des Hauptgebäudes ein eindrucksvoller Anblick (Abb. 1). Aufgrund des abfallenden Terrains zum Fluss auf der einen und den anschließenden Feldern auf der anderen Seite konnte eine repräsentative Zufahrt nicht realisiert werden. Mit Betreten des Hofes durch den seitlichen Eingang ergab sich jedoch bereits eine visuelle Verbindung zum Garten durch das gegenüberliegende Tor, trotz des den Blick größtenteils verstellenden Seitengebäudes (Abb. 63). Insgesamt ließen sich Blickachsen und Bezüge in der Gesamtanlage aus Hauptgebäude, Garten und Wirtschaftsbauten nur begrenzt umsetzen, wenn auch zumindest im Garten entsprechende Perspektiven wahrscheinlich gesucht wurden. |
![]() Abb. 51. Fossesholm, Hauptgebäude ©Buskerudmuseet, https://buskerudmuseet.com/fossesholm-herregard/fossesholm-besok-oss/ ![]() Abb. 63. Fossesholm, Blick durch das Eingangstor ©Buskerudmuseet, https://buskerudmuseet.com/fossesholm-herregard/fossesholm-tjenester/ ![]() Abb. 68. Buskerud hovedgård ©https://biskopsrud.wordpress.com/2019/09/23/buskerud-hovedgaard/ |
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 149.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 182.
- ↑ Vgl. Statsarkivet Kongsberg, Eiker, Modum og Sigdal sorenskriveri, Tingbok I 58, fol. 220b ff, https://www.arkivportalen.no/entity/670797aa-24a2-4744-b101-80d013a79f33?ins=AV (17.06.2024). Zitiert nach Sørensen 2022a, Anm. 26, S. 184.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 184–185.
- ↑ Vgl. Statsarkivet Kongsberg, Eiker, Modum og Sigdal sorenskriveri, Auksjonsprotokoll I (1730 – 1742) fol. 51–59, https://www.arkivportalen.no/entity/ac73f3c4-ab5b-4ff6-ad94-c7b97ea71297?ins=AV (17.06.2024). Zitiert nach Sørensen 2022a, Anm. 2, S. 201.
- ↑ Einar Sørensen vermutet, dass Joen Amundsen, der auch in Sem tätig war, das Gebäude errichtet hat. Vgl. Sørensen 2022a, S. 201–202.
- ↑ Vgl. für eine Beschreibung des Hauptgebäudes Sørensen 2022a, S. 202.
- ↑ Vgl. https://no.wikipedia.org/wiki/Svalgang (10.07.2023); https://snl.no/svalgang (10.07.2023); https://lokalhistoriewiki.no/wiki/Svalgang (10.07.2023). In Fossesholm handelt es sich um einen überdachten, aber offenen Gang an der Längsseite des Hauses, der von Balken gestützt wird. Die Dienerschaft musste so keine Wohnräume durchqueren und die Heizung konnte besser kontrolliert werden. Vgl. Sørensen 2022a, S. 203.
- ↑ Vgl. Statsarkivet Kongsberg, Eiker, Modum og Sigdal sorenskriveri, Tingbok I 73, https://www.arkivportalen.no/entity/548412a1-42e6-4243-bad7-785abe3da16a?ins=AV (12.06.2024), fol. 208ff, 264bff (26.–29. Juni 1741; 25. September 1741). Zitiert nach Sørensen 2022a, Anm. 25, S. 208. Auch 1735 und 1740 fanden Begehungen statt, bei denen jedoch keine schriftlichen Protokolle angefertigt wurden. Vgl. Sørensen 2022a, S. 208.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 202–203.
- ↑ Vgl. zu den Wirtschaftsbauten im Einzelnen Sørensen 2022a, S. 208–209.
- ↑ Diese Entwicklung setzte verstärkt nach 1670 ein, als das Königshaus zahlreiche Höfe verkaufte. Vgl. Sørensen 2022a, S. 207.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 208–209.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 247.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 50.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 261.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 262.
- ↑ Abgebildet bei Sørensen 2022a, S. 204.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 261–262.
- ↑ Es fanden mehrere Besichtigungen von Fossesholm zwischen Mai 1763 und Oktober 1767 statt. Folgende Archivdokumente liegen vor: Statsarkivet Kongsberg, Eiker, Modum og Sigdal sorenskriveri, Tingbok II 7, https://www.arkivportalen.no/entity/71c59584-e19a-4a5f-b2e1-0150f5286ace?ins=AV (17.06.2024), fol. 266b–268 (26.–27. Mai 1763), fol. 386 ff. (8.–12. Oktober 1764); Tingbok II 8, https://www.arkivportalen.no/entity/4633edb7-fe79-451d-b18e-96ac8ffc4da8?ins=AV (17.06.2024), fol. 4ff (10. Juni 1765), fol. 100 ff. (9. Juni 1766), fol. 246b ff. (27. Oktober 1767). Zitiert nach Sørensen 2022a, Anm. 1, S. 259.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 259. Das abgetragene Sudhaus wurde am Fluss wieder aufgebaut und nun als Feuerwehrhaus genutzt. Vgl. Ebd.
- ↑ Auf einem Foto aus den 1930er Jahren sind vermutlich Reste von Bemalungen am Haupttor zu erkennen. Vgl. Sørensen 2022a, S. 263–264.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 260; 264.
- ↑ Im 19. Jh. waren noch Reste der grau-weißen Marmorierung erkennbar. Vgl. Sørensen 2022a, S. 264.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 265–266.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 260.
- ↑ Eventuell stammten einige der Beschäftigten aus Kongsberg, wo Jørgen van Cappelen zuvor gelebt hatte. Zeitgleich zum Bau von Fossesholm unterstützte er finanziell die Ausstattung der dortigen Kirche. Vgl. Sørensen 2022a, S. 267.
- ↑ Vgl. Sørensen 2022a, S. 259.