06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Gesamtanlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park im 18. Jahrhundert
- 10. Wirtschaftsanlage
- 11. Kirche und Dorfstrukturen
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Geophysikalische Prospektion und digitale Dokumentation
- 14. Quellen- und Literaturverzeichnis
ÜberblickVon den Besitzern und Besitzerinnen im 18. Jahrhundert diente Nuhjala wohl lediglich der Familie Rehbinder[1] (besaß Nuhjala 1662–1750) noch als Stamm- und Familiensitz.[2] In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verzeichnete das Gut zahlreiche Wechsel bei den Eigentümer und Eigentümerinnen, die jedoch bis auf den letzten Verkauf im Jahr 1796 immer innerhalb verschwägerter Familien erfolgten. Allerdings war Nuhjala seit der Jahrhundertmitte weder für die verschiedenen Geschwister Yxkull[3] oder Claes Lybecker[4] (1721–1779) (besaßen Nuhjala 1750–1770)[5] noch für die Familie Ehrenmalm (besaßen Nuhjala 1770–1796) wohl der Hauptwohnsitz der Familie. Sogar Claes Lybecker, der sich 1764 zum Neubau des Herrenhauses in Nuhjala entschloss, wohnte mit seiner Familie sehr wahrscheinlich auf dem – allerdings nicht weit entfernten – Gut Koskis[6] (finnisch Koski) im Kreis Vemo[7] (finnisch Vehmaa[8]). Wie schon oft in den Jahrhunderten zuvor war Nuhjala häufig im Besitz jüngerer Söhne. Diese dienten vielfach in der Armee und lernten in diesen militärischen Kreisen oftmals ihre künftigen Ehefrauen kennen, sodass die Besitzer von Nuhjala, wie schon im späten 17. Jahrhundert, auch im 18. Jahrhundert in der Regel Mitglieder des Militärs aber gelegentlich auch Juristen und Beamte der Landesverwaltung waren. Familie RehbinderDie Familie Rehbinder[9] ist ein altes baltisches Geschlecht und hatte daher Besitzungen in schwedisch Finnland und Livland.[10] Nuhjala gelangte 1662 durch die Heirat von Elisabet Munck af Fulkila[11] (1643–1699) und Bernhard Rehbinder[12] (1639–1705) in den Besitz der Familie Rehbinder.[13] Der Vater von Bernhard Rehbinder, Heinrich (Henrik) Rehbinder (1604–1680), war aus Livland nach Schweden eingewandert und wurde, nachdem er im schwedischen Militär Karriere gemacht hatte, 1668 als schwedischer Adliger eingebürgert und 1680 in den Rang eines Friherre[14] (Freiherr bzw. Baron) erhoben.[15] Sein Sohn Freiherr Bernhard Rehbinder[16] (1639–1705) setzte die militärische Tradition der Familie fort und machte seit 1655 bei der Kavallerie Karriere.[17] Zuletzt diente er als Oberst der Kavallerie in den Kreisen Åbo (heute Turku) (ab 1677) und Björneborg (heute Pori) (ab 1695).[18] Nach einer Verwundung in der Schlacht von Narva im Großen Nordischen Krieg[19] (1700–1721) wurde Bernhard Rehbinder 1701 aus dem Dienst entlassen.[20] Seine Frau Elisabet Munck[21] (1643–1699) brachte Nuhjala in die 1662 geschlossene Ehe ein.[22] Nach dem Tod seiner Frau heiratete der Freiherr in zweiter Ehe Christina Elisabeth von Burghausen. Bernhard Rehbinder starb 1705 auf Nuhjala, wie auf seinem Wappen in der Kirche von Vemo (finnisch Vehmaa[23]) vermerkt ist, wurde Anfang 1706 jedoch im Dom von Åbo[24] beigesetzt.[25] Auf dem Erbweg gelangte Nuhjala in die Hände seines jüngsten Sohns aus erster Ehe, Bernt Rehbinder[26] (*in den 1670er Jahren, †1729).[27] Er diente wie sein Vater ab 1689 bei der Kavallerie und machte dort als Unteroffizier, Leutnant (1700) und Major (1704) rasch Karriere.[28] Er heiratete vor 1696 Sofia Ingeborg Pistolekors[29] (†1745).[30] Nachdem Bernt Rehbinder im Großen Nordischen Krieg[31] (1700–1721) bei Perevolotjna gefangen genommen worden war, kehrte er erst 1722 nach Kriegsende zurück.[32] Noch im gleichen Jahr als Oberstleutnant in den Ruhestand versetzt, starb er wenige Jahre später.[33] Bernt Rehbinder wurde 1729 in der Kirche von Vemo beigesetzt.[34] Erneut ist es nicht der älteste Sohn, sondern der zweitgeborene Friherre Gustaf Reinhold Rehbinder[35] (1702–1786), der Nuhjala als Erbe erhielt.[36] Auch er folgte dem Vorbild der Familie im militärischen Dienst und stieg im neuen Leibdragonerregiment (schwedisch Livdragonregementet[37]) auf.[38] Dieses war 1721 nach dem Ende des Großen Nordischen Kriegs[39] durch die Vereinigung der Kavallerieregimenter von Åbo (heute Turku) und Björneborg (heute Pori), in denen sein Großvater Bernhard gedient hatte, und des älteren Dragonerregiments sowie des uppländischen Dragonerregiments entstanden.[40] Im Jahr 1732 heiratete Gustaf Reinhold Rehbinder Sofia Elisabeth Yxkull[41] (1712–1737). Die Väter der Brautleute waren Cousins zweiten Grades.[42] Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau – beigesetzt im Yxkull-Familiengrab[43] im Dom von Åbo[44] – heiratete er 1738 Beata Charlotta Lode[45] (1717–1761) aus Livland.[46] Er nahm als Oberhaupt der Familie an mehreren Ständereichstagen (schwedisch Riksdag[47]) teil.[48] Später diente der Freiherr in der hessischen Garde des schwedischen Königs Friedrich I.[49] (1676–1751) aus dem deutschen Haus Hessen-Kassel. In der sogenannten ‚Zeit der Freiheit‘ (schwedisch Frihetstiden) im 18. Jahrhundert in Schweden mit einer de facto parlamentarischen Monarchie besaß der schwedische König kaum Macht. Im Reichstag der Stände (schwedisch Riksdag[50]) versuchte die Adelspartei der Hüte (schwedisch Hattpartiet[51] ) in den 1740er Jahren mit einer Kriegserklärung an Russland die schwedische Großmachtstellung im Ostseeraum wiederherzustellen. Gustaf Reinhold Rehbinder[52] (1702–1786) kämpfte im nachfolgenden Russisch-Schwedischen Krieg[53] (1741–1743),[54] der vor allem auf heute finnischem Territorium ausgetragen wurde. Der Konflikt endete mit einer Niederlage Schwedens und dem Ende aller Großmachtträume. Im Frieden von Åbo (heute Turku) 1743 konnte Zarin Elisabeth I.[55] von Russland (1709–1762) sogar durchsetzen, dass Adolf Friedrich von Gottorf[56] (1710–1771, 1751 König) vom schwedischen Parlament zum Thronfolger für das kinderlose Monarchenpaar erklärt wurde. Der Besitzer von Nuhjala, Gustaf Reinhold Rehbinder[57] (1702–1786), hatte mit beiden Ehefrauen zahlreiche Kinder und vielleicht war das alte Herrenhaus in Nuhjala daher zu klein. In jedem Fall verkaufte er das Gut 1750 an Anna Helena Hästesko-Fortuna[58] (1732–1798), der Frau seines Schwagers Carl Otto Yxkull[59] (1727–1769) aus erster Ehe,[60] und nahm seinen Wohnsitz in Korsnäs[61] in Vemo[62].[63] Dort verstarb Gustaf Reinhold Rehbinder 1786 mit 84 Jahren und wurde in der Kirche von Vemo beigesetzt.[64] Die Geschwister YxkullAufgrund nun folgender verschiedener Besitzernamen kann der Eindruck entstehen, dass in Nuhjala im 18. Jahrhundert die Familie der Besitzenden oftmals gewechselt hätte, doch das Gut wurde lediglich über die Geschwister Yxkull[65] innerhalb der Familie weitergegeben:[66] Durch die Eheschließung der ältesten Schwester, Sofia Elisabeth Yxkull[67] (1712–1737), 1732 mit Gustaf Reinhold Rehbinder[68] (1702–1786) kam Nuhjala in den Umkreis der Familie Yxkull.[69] Eine jüngere Schwester, Frederika Yxkull[70] (1719–1768), die seit 1738 mit Jonas Molin, geadelt von Meldercreutz[71] (1714–1785), verheiratet war, wohnte offenbar zur gleichen Zeit auf dem Gut Koskis[72], das später wie Nuhjala ebenfalls von Claes Lybecker[73] (1721–1779) gekauft wurde.[74] Die beiden jüngsten Schwestern der Familie Yxkull, Johanna Catharina[75] (1723–1750) und Charlotta[76] (1724–1761) waren jeweils mit einem Bruder aus der Familie Lybecker verheiratet:[77] Johanna Catharina seit 1744 mit Claes Lybecker, Charlotta seit 1749 mit dessen jüngeren Bruder Carl Bleckert Lybecker[78] (1723–1781). Carl Otto YxkullDas jüngste Kind aus der Familie Yxkull, Carl Otto[79] (1727–1769), war der einzige männliche Erbe und heiratete 1751 Anna Helena Hästesko-Fortuna[80] (1732–1798). Sie erwarb Nuhjala 1750 vom ehemaligen Schwager ihres Mannes Gustaf Reinhold Rehbinder[81] (1702–1786), der in erster Ehe mit Carl Otto Yxkulls ältester Schwester Sofia Elisabeth[82] (1712–1737) verheiratet gewesen war.[83] Der Kauf von Nuhjala durch Anna Helena Hästesko fand vor der Hochzeit des Paars im August 1751 statt. Daher könnte das Gut möglicherweise als Wohnsitz oder Sommersitz für die Familie gedacht gewesen sein, denn Carl Otto Yxkull diente im Leibdragonerregiment, das auch in Åbo (heute Turku) stationiert war.[84] Nach vier früh verstorbenen Kindern ließ sich das Paar im Zeitraum nach dem Tod des jüngsten Sohns (†1761) und vor Yxkulls zweiter Eheschließung 1767 scheiden.[85] Nuhjala hatte das Ehepaar bereits 1756 nach sechs Jahren für 18.300 Kupfertalente innerhalb der Familie an ihren ehemaligen Schwager Claes Lybecker[86] (1721–1779) verkauft,[87] der seit 1744 bis zu ihrem frühen Tod 1750 mit Johanna Catharina Yxkull[88] (1723–1750) verheiratet gewesen war. Damit bestanden engste verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den verschiedenen Besitzer und Besitzerinnen Nuhjalas im 18. Jahrhundert. Claes Lybecker (Neubau Herrenhaus 1764)Über die Familie Lybecker und insbesondere Claes Lybecker[89] (1721–1779) ist nicht sehr viel bekannt.[90] Die Familie stammte ursprünglich aus Deutschland und beschäftigte sich anfänglich vielfach mit dem Bergbau,[91] der vermutlich den Ursprung des Familien-Vermögens in Schweden darstellt. Im Jahr 1707 war Georg Lybecker[92] (†1718), der Großvater von Claes, zum Friherre[93] (Freiherren/Baron) ernannt worden. Nach seinem Tod wurden seine Söhne – darunter Claes‘ Vater Georg Henrik[94] (1693–1730) – 1719 in das schwedische Riddarhuset[95] aufgenommen.[96] Seine Söhne und spätere Generationen dienten – wie Claes älterer Bruder Georg Henrik[97] (1720–1776) – vor allem als Militärs, während sowohl für Claes als auch für seinen jüngeren Bruder Carl Bleckert Lybecker[98] (1723–1781) keine militärische Laufbahn belegt ist. Lediglich der Ehrentitel eines Hofjunker (schwedisch Hovjunkare[99]) kann bei beiden als offizielle Titulatur nachgewiesen werden. Das Brüderpaar bewegte sich über die Familienverbindungen in adeligen Kreisen, wo sie ihre Ehefrauen, die Schwestern Johanna Catharina[100] (1723–1750) und Charlotta Yxkull[101] (1724–1761), kennenlernten.[102] Claes Lybecker[103] (1721–1779) wurde in Torsåker[104] in der Gemeinde Hammarby bei Stockholm in Schweden geboren und studierte in Åbo (heute Turku).[105] Im Jahr 1744, als er im Mai den Ehrentitel Hofjunker (schwedisch Hovjunkare[106]) verliehen bekam, heiratete Lybecker auch Johanna Catharina Yxkull[107] (1723–1750). Deren Vater Otto Reinhold Yxkull[108] (1670–1746) war seit 1722 Gouverneur von Åbo und stieg 1730 zum Friherre[109] (Freiherren/Baron) auf.[110] Die Familie seiner Braut hatte demzufolge vermutlich einigen Einfluss in der Region. Bevor Johanna Catharina im Jahr 1750 frühzeitig mit nur 27 Jahren verstarb, hatte das Paar zwei Söhne: Georg Reinhold Lybecker[111] (1745–1778), der als Hauptmann diente, und Erik[112] (1747–1767 belegt), der bei Gericht in Åbo arbeitete und nach einer 1767 angetretenen Auslandsreise als verschollen gilt.[113] Schon zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Claes Lybecker[114] (1721–1779) 1752 Anna Christina Åkerhielm von Margretelund[115] (1730–1791), mit der er weitere acht Kinder hatte.[116] Nach vier Ehejahren kaufte Lybecker 1756 das Gut Nuhjala von seinem ehemaligen Schwager Carl Otto Yxkull[117] (1727–1769).[118] Im gleichen Jahr erwarb der Freiherr zusätzlich das Gut Koskis[119] in Vemo[120] aus dem Besitz der Familie Yxkull.[121] Die Familie Lybecker wohnte vermutlich nicht in Nuhjala sondern hauptsächlich wohl auf dem Gut Koskis, wo nachweislich viele der Kinder von Claes und Anna Christina Lybecker geboren wurden,[122] während Nuhjala bei keinem der Kinder als Geburtsort angegeben ist. Welche Gründe Claes Lybecker[123] (1721–1779) daher zum Neubau des Herrenhauses in Nuhjala bewogen haben mögen (vgl. 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur), obwohl die Familie dort offenbar nicht (ständig) wohnte, kann nicht mehr festgestellt werden. Vielleicht wurde eine Unterkunft für geschäftliche Aufenthalte benötigt, möglicherweise nutzten den Bau zeitweilig auch (nicht nachgewiesene) Verwalter. In jedem Fall begann der Friherre[124] das neue Haupthaus aus (Ziegel-)Stein zu bauen,[125] das 1764 fertig gestellt wurde wie die Jahreszahl über dem Portal belegt. Auch setzte er den Gutsbetrieb grundlegend in Stand. In seiner Zeit als Besitzer von Nuhjala verbesserte Claes Lybecker die Landwirtschaft erheblich und das Gut war nach 16 Jahren seiner Bewirtschaftung in einem soliden ökonomischen Zustand, als er 1770 offenbar den Verkauf der Anlage erwog.[126] Eine jüngere Schwester von Claes Lybeckers[127] (1721–1779) Frau Anna Christina[128] (1730–1791), Renata Juliana Åkerhielm von Margretelund[129] (1739–1786), war seit 1762 mit dem Richter und aktiven Mützen-Politiker (schwedisch Mösspartiet[130]) Samuel Magnus Ehrenmalm[131] (1731–1814) verheiratet.[132] Der Politiker hatte 1768 Torsåker[133] in der Gemeinde Hammarby bei Stockholm ersteigert, wo Claes Lybecker geboren worden war. Friherre Lybecker und sein Schwager Ehrenmalm vereinbarten 1770 den Tausch der Besitzungen und Claes Lybecker wohnte seitdem in Torsåker in Schweden. Dort starb der Freiherr 1779 an seinem Geburtsort.[134] Familie EhrenmalmDer Besitzerwechsel in Nuhjala erfolgte durch die zwei Schwestern Anna Christina[135] (1730–1791) und Renata Juliana Åkerhielm von Margretelund[136] (1739–1786) also erneut innerhalb verschwägerter Familien. Renatas Mann Samuel Magnus Ehrenmalm[137] (1731–1814) war in seiner Zeit einer der prominentesten Mützen-Politiker (schwedisch Mösspartiet[138]). Er hatte in Åbo (heute Turku) studiert und dort in der Justiz Karriere gemacht.[139] Nach internen Streitigkeiten am Appellationsgericht in Åbo zog sich Ehrenmalm von seiner Position als Gerichtsrat unter Beibehaltung des halben Gehalts 1770 auf sein Gut in Bastö[140] in der Gemeinde Finström auf der Insel Åland zurück.[141] Vielleicht hat diese Veränderung der Lebenssituation auch seinen Entschluss beeinflusst Torsåker[142] bei Stockholm 1770 gegen den Gutshof seines Schwagers Claes Lybecker[143] (1721–1779) in Nuhjala einzutauschen. Ehrenmalm bewohnte Nuhjala zumindest zeitweilig, denn Koskinen berichtet – vermutlich aufgrund von Aufzeichnungen aus dem mittlerweile verlorenen Gutsarchiv – vom Weihnachtsfest der Familie im Jahr 1780 auf dem Gut.[144] Nach etwas weniger als einem Vierteljahrhundert übergab Ehrenmalm[145] (1731–1814) Nuhjala 1794 oder 1795[146] an seinen jüngsten Sohn Johan Magnus[147] (1768–1807). Vielleicht war dessen Entlassung aus dem aktiven Dienst 1795 oder die Ernennung zum Hauptmann im gleichen Jahr Anlass für dieses Geschenk.[148] Allerdings verkaufte Johan Magnus Ehrenmalm Nuhjala bereits 1796 weiter und dies – erstmals überhaupt – außerhalb der Familie.[149]
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