03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Anlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park im 18. Jahrhundert
- 10. Wirtschaftsanlagen
- 11. Kirche und Dorfstrukturen
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Quellen- und Literaturverzeichnis
KurztextPlüschow liegt nahe der Hansestadt Wismar sowie der Wismarer Bucht, dem südlichsten Ausläufer der Ostsee. Dieses Gebiet ist seit der Steinzeit kontinuierlich besiedelt. Die Schreibweise der ersten Besitzerfamilie – Plüskow –, auf die ein alter Burgstandort in Plüschow zurückzuführen ist, wird etymologisch als altpolabischen Ursprungs gedeutet (Sprachen westslawischer Stämme). Mit Hilfe von Bodenradar- und Magnetfeldmessungen im Bereich des historischen Burgstandortes (Abb. 17-18), 2023 durchgeführt von geosphere austria, ist es vermutlich gelungen, Gebäudestandorte im Bereich der alten Burganlage zu bestimmen. Auch der Standort einer historischen Wassermühle ist vor Ort erkennbar. Ab 1335 geht der Burgstandort für mehr als 400 Jahre von der Familie Plüskow an die Familie von Bülow über, eine der einflussreichsten Familien Mecklenburgs. Philipp Heinrich (II.) von Stenglin (1718-1793) erwirbt Plüschow 1761 und nutzt es als Sommersitz für seine Familie. LangtextPlüschow liegt nahe der Hansestadt Wismar sowie der Wismarer Bucht, dem südlichsten Ausläufer der Ostsee. Dieses Gebiet ist seit der Steinzeit besiedelt. Slawische Burgwälle in den heutigen Ortschaften Dorf Mecklenburg, Ilow und Neuburg bezeugen die Kontinuität der Besiedlung. Das 5.000 Jahre alte Hünengrab Naschendorf wurde von dem für Mecklenburg wichtigen Architektur- und Landschaftsfotografen Karl Eschenburg (1900-1947) Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre dokumentiert.[1] Der Ortsname Plüschow verweist auf eine Geschichte, die sich bis ins frühe Mittelalter nachvollziehen lässt. 1230 ist der Ort im Ratzeburger Zehntregister aufgeführt und Teil des Bistums Ratzeburg. Sabine Bock nimmt an, dass der Ort ein Teil des Herzogtums Mecklenburg war.[2] Die Schreibweise der ersten Besitzerfamilie, auf die ein alter Burgstandort in Plüschow zurückzuführen ist, wechselt zwischen Plocecow, Pluzekow, Plutzekow und Plüssekow zu Plüskow. Plüschow wird etymologisch als altpolabischen Ursprungs gedeutet (Sprachen westslawischer Stämme). Die Bauhistorikerin Sabine Bock ist 2013 die erste, die durch Kombination von Aussagen historischen Kartenmaterials mit Airborne-Laserscan-Aufnahmen (ALS) den Burgstandort Plüschow mit mehr als anderthalb Hektar Größe lokalisiert.[3] Auch die 2023 durch den Kunsthistoriker an der Universität Greifswald Torsten Veit aus einem Orthofoto (Abb. 19) angefertigte Höhendarstellung sowie eine Schummerungskarte (Abb. 20) des Geländes zeigen eindrücklich den alten Burgstandort. So zeichnet sich, verborgen im Boden, an dessen Oberfläche eine kreisförmige Struktur mit eventuell äußerer und innerer Umgrenzung ab. Innerhalb der sich so ergebenden Flächen sind zwei Haufenstrukturen zu erkennen, die auf wüstgefallene ehemaliger Gebäude hinweisen könnten. Ein künstlicher Grabenverlauf außerhalb der äußeren Umgrenzung der Burg zeigt vermutlich alte Fortifikationsbauten sowie den Standort einer Wassermühle an. Sowohl der „Plan Plüschow mit dem Dorffe und der Ziegeley, Friedrichshagen, 1761/1762, von A. F. H. Schumacher & J. H. Susemihl“[4] (Abb. 14) als auch der „Brouillon von dem ritterschaftl. Guthe Plüschow, 1769, von J. C. Walter“[5] (Abb. 15) zeigen, korrelierend mit Höhendarstellung und Schummerungskarte, als Ausbuchtung des Mühlensees eine womöglich künstlich gegrabene Wasseranlage, die den Burgstandort zu drei Vierteln umgibt. Beide Karten geben darüber hinaus acht Gebäude unterschiedlicher Größe wieder, die nur lose um eine offene (Hof-) Fläche gruppiert sind. Auf beiden Karten ist der mögliche Standort eines (runden) Turms (auf einer Motte?) als nochmals gesondert, nahezu ganz von Wasser umgeben, auszumachen. Dieser Standort könnte mit einer heute noch vorhandenen (kreisförmigen) Geländeerhöhung übereinstimmen, auf deren flacher, stark mit Feldsteinen unterschiedlichster Größe und Gesteinsarten besetzter Kuppe nur kümmerlich Bäume wachsen. Kümmerwuchs (Abb. 21-22) deutet auf einen verdichteten und trockenen Boden mit geringer Möglichkeit der Durchwurzelung hin. Mit Hilfe von Bodenradar- und Magnetfeldmessungen im Bereich des historischen Burgstandortes[6] (Abb. 17-18), 2023 durchgeführt von geosphere austria, ist es vermutlich gelungen, zwei der acht Gebäude aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (laut Kartenmaterial) nachzuweisen – wobei die Gebäudestandorte noch älter (eventuell 17. Jahrhundert) sein könnten. Sie liegen in unmittelbarer Umgebung von möglichen Überresten eines bzw. des Turms. Wie die Karten des 18. Jahrhunderts zeigt auch die TK 25 („Historisch-Topografische Karte der Preußischen Landesaufnahme, M 1:25.000, Messtischblatt 2133 Grevesmühlen, Reichsamt für Landesaufnahme, 1884, einzelne Nachträge 1932“, Abb. 23) aus den 1880er Jahren mehrere kleinere Gebäude im Bereich des historischen Burgstandortes.[7] Von einer Jahrhunderte währenden baulichen Nutzung dieses Areals kann somit ausgegangen werden. Die Darstellungen von Bodenradar und Magnetfeldmessung zeigen den gesamten historischen Burgbereich voller Schutt. Dabei kann das nahe an Standort und Schutthügel der Burg liegende historische große Gebäude sogar in seinem Grundriss (circa 25 m lang und 8-9 m breit) nachgewiesen werden. Dort liegen zwei verfestigte Flächen („Planierung“, „Estrich“) nebeneinander.[8] Vom alten Burggraben und dem Vorhaltebecken der Plüschower Wassermühle zeugt heute noch ein künstlich geformtes Bachbett (Abb. 24-25). Dieses ist als Relikt von 1868 bis 1876 im Plüschower Mühlensee durchgeführten Meliorations- und Drainagearbeiten (Abb. 26) zur Trockenlegung der Wasserfläche und zur Grünlandgewinnung anzusehen.[9] Die Drainagegräben durchziehen auf der 1876 gezeichneten Karte die „Seewiese“ und die anschließende „Mühlenwiese“. Ein sie verbindender Bach oder künstlicher Wasserlauf entwässert als Hauptvorfluter nach Norden in Richtung der Feldmarken von Hilgendorf und Naschendorf. Noch heute kann im wild wuchernden Buschwerk nordwestlich des vermuteten Burgstandortes die Wüstung eines weiteren alten Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert (eventuell eines Wirtschaftsgebäudes der Mühle) vermutet werden. Der auf den Karten des 18. Jahrhunderts als „Die Liesch“ bezeichnete Wald jenseits von Mühle und Burg, zu dem ein von einer Allee gesäumter Weg führte, ist heute ebenfalls noch vorhanden. Selbst die historische Allee existiert als Fragment fort. Seit dem 19. Jahrhundert wird sie allerdings vom Damm der Eisenbahnstrecke nach Lübeck durchschnitten. Der alte Mühlenstandort ist in der Landschaft an seinen verzweigten, künstlich gezogenen Bachläufen zu erkennen, an deren Ufern sehr alte, nicht mehr beschnittene Kopfweiden (Abb. 27) wachsen. Der großflächige, in einer Niederung gelegene Bereich ist heute zugewachsen. Man erkennt im Bodenrelief das Vorhaltebecken, dessen Wasser zum unmittelbaren Betrieb des Mühlrads gedient haben muss. Ein heute noch nachvollziehbarer Damm ist Relikt eines Mühlenkais bzw. Mühlenstaubeckens (Abb. 25). Ein Teil des heutigen Bachlaufs könnte zur Zeit des Mühlenbetriebs der natürlichen Regulierung des Wasserstandes im Mühlensee gedient haben, wenn die vermutlich vorhandene Schleuse in der Kaimauer an der Mühle zur Steuerung des Mahlbetriebs geschlossen war. Eine alte, weit verzweigte Eiche (Abb. 28) im Buschwerk der Mühlenwüstung zeigt an, dass sie einst als einzelner Baum freistand und vermutlich den Standort eines Handwerksbetriebes als Landmarke verdeutlichte. Die Bauhistorikerin Sabine Bock hält fest, dass sich nach dem 13. Jahrhundert kein Vertreter der Familie Plüskow mehr auf der Burg in Plüschow nachweisen lässt. Ab 1335 geht der Burgstandort für mehr als 400 Jahre an die Familie von Bülow über, eine der einflussreichsten Familien Mecklenburgs.[10] Zu Größe und Aussehen der Plüschower Burg bemüht Bock Akten der Lehnkammer aus dem Jahr 1529. Sie gibt in ihrer Monografie ein Dokument transkribiert wieder[11], welches sie als die “älteste bisher bekannt gewordene Beschreibung eines spätmittelalterlichen Rittersitzes in Mecklenburg“[12] bezeichnet. Aus deren Inhalt versucht sie das Aussehen der Bülowschen Burg zu skizzieren. In der Kirche im mecklenburgischen Ankershagen hat sich im Altarbereich die Darstellung eines spätmittelalterlichen Burgturms erhalten, die das mögliche Aussehen des Burgturms in Plüschow vermitteln kann.[13] Befestigte Adelssitze hatten im Ostseeraum in den wohl meisten Fällen ihren Standort in Niederungen. Diese Standorte bargen durch ihre unmittelbare Nähe zu Seen oder Sümpfen natürliche Voraussetzungen für Schutz und Verteidigung. Ein Turmhügel und ein Burgwall konnten durch Aushub eines Grabens zusätzlich aufgeschüttet werden. So entstand die Basis einer Turmhügelburg (Motte), deren vielfach verbreitete archäologische Reste heute europaweit nachgewiesen werden können.[14] Vermutlich lag die Burg in Plüschow, zusammen mit ihrem in Eigenwirtschaft betriebenen Hof, jenseits bäuerlicher Gehöfte. In der Karte des Bertram Christian von Hoinckhusen (Abb. 29), angefertigt um 1700, wird „Pluskau“ als besonderer Hofstandort, wahrscheinlich mit einer Kapelle (Kreuz auf dem Gebäude) verzeichnet.[15] Laut der Ämterbeschreibung zu den einzelnen Landkarten von Hoinckhusens zählten zum adligen Gut Plüschow um 1700 „die Dörfer Plüschow, Testorf, Friedrichshagen und die Meierei Meierstorf“[16]. Zur Pfarre Friedrichshagen sind „eingepfarrt (…) die adligen Höfe Klein Krankow, beide Plüschow und die Dörfer dazu“[17]. In Meierstorf sind Bauernhäuser des Typs „Durchfahrtshäuser“ (erbaut seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert in Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Aufschwung und umfangreicherer Getreideproduktion) dokumentiert, die auf bäuerlichen Besitz verweisen.[18] Der Standort der Plüschower Burg ist während des 18. und 19. Jahrhunderts weiterhin besetzt. Noch heute verweisen sechs in Reihe gepflanzte Linden (Abb. 30-31) – mit einem geschätzten Alter von circa 100 Jahren – auf einen nicht mehr existierenden Zugangsweg zu einem Haus im Burgareal. Greise Holunderbüsche und alte Obstbäume in unmittelbarer Umgebung deuten auf eine extensive Nutzung dieser Fläche bis in unsere heutige Zeit hin. Sabine Bock vermutet, dass der mittelalterliche Burgstandort für einen Nachfolgebau genutzt wurde und schlussfolgert dies aus der Flurbezeichnung „Der Alte Garten“, die im „Plan Plüschow mit dem Dorffe und der Ziegeley, Friedrichshagen, 1761/1762, von A. F. H. Schumacher & J. H. Susemihl“[19] (Abb. 14) ausgewiesen ist.[20] Den „Alte[n] Garten in Plüschow“, am Mühlensee gelegen und mit seiner Fläche größer als der alte Burgstandort selbst, verbindet Sabine Bock argumentativ mit einem Lustgarten Paul von Bülows (gest. 1589): „Mögen auch die Bücher in der Bibliothek Paul von Bülows [Gutsherr zu Zeiten des Humanismus] keine außergewöhnliche Sammlung dargestellt haben, aber dass er sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Plüschow einen Lustgarten anlegen und darin ein studier stüblein hat errichten lassen, macht ihn zu einem außergewöhnlichen Vertreter seines Standes und seiner Zeit.“[21] Von Bülow steht damit neben Heinrich von Rantzau, der unter dem Eindruck von Reisen nach Frankreich und Italien Lustgärten auf seinen Besitzungen anlegen ließ und ab 1565 Gut Breitenburg in Holstein zu einem Zentrum des Humanismus – mindestens in Norddeutschland – entwickelte.[22] Der Kunsthistoriker Walter Josephi spricht 1916 in seinem Artikel über Plüschow von einem „recht bescheidene[n] kleine[n] Herrenhaus“[23], das Philipp Heinrich (II.) von Stenglin vorfand, als er Plüschow erwarb und als Sommersitz nutzte. In der Karte von Schumacher und Susemihl 1761/1762[24] (Abb. 14) sind neben dem „Alten Garten“ mindestens acht Gebäude unterschiedlicher Größe als Hof eingetragen. Eines davon dürfte die bereits erwähnte Wassermühle gewesen sein. Welches dieser mit ihrem Standort kartografisch angegebenen Gebäude ein spätes herrschaftliches Burggebäude (eventuell aus Fachwerk) oder ein frühes Herrenhaus (eventuell aus Fachwerk oder Stein) gewesen sein könnte, ist nicht zu definieren. Der große Bereich des „Alten Gartens“ lag, nahezu vollständig von Baumpflanzungen umgeben, ohne direkten Bezug zu einem Gebäude zwischen Straße und Mühlensee.
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