03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 01. Einleitung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Gesamtanlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park im 18. Jahrhundert
- 10. Wirtschaftsgebäude
- 11. Kirche
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Messkampagne
Bereits 1307 wurde ein Rittersitz, ein sogenanntes castrum , in Pronstorf nachgewiesen, der auf einer Motte lag. Diese befand sich am Rande des Dorfes und entstand an einem Platz, der nach Münzfunden vermutlich schon seit Mitte des 11. Jahrhunderts besiedelt war.[1] Bei den Untersuchungen durch das Vienna Institut for Archeological Science (VIAS) und die Geosphere Austria wurden bei der Messkampagne des Herrenhauszentrums im Januar 2023 Mottenanlagen am Rande von Pronstorf entdeckt (Abb. 3, 4). Die Ritter von Pronstorf standen in einem Lehnsverhältnis zum Landesherren, die Bauern hingegen zu ihrem örtlichen Ritter. Jeder „Zehnte Teil“ und Naturalabgaben mussten geleistet werden, um den Schutz der Dorfbewohner von Pronstorf zu gewährleisten.[2] Ebenso waren die Ritter Schutzherren der Kirche von Pronstorf und übten das bis heute bestehende Patronatsrecht aus.[3] Gut Pronstorf wurde seit dem 13. Jahrhundert bis 1887, mit nur zwei Unterbrechungen, von der Familie von Buchwaldt (früher Bokwoldt) geführt. In einer Zeitspanne von vierzig Jahren besaßen zwei dänische Könige und die Familie von Ahlefeldt das Gut. 1464 kaufte Christian I. von Dänemark (1426-1481) Pronstorf von seinem „Rath“ Bertram von Bokwoldt und gab den Besitz 1495 an seinen Sohn König Johann von Dänemark (1455-1513) weiter, bis dieser ihn als königliches Lehensgut an Hinrich von Ahlefeldt (s.a.) verpachtete. Unmengen an Prozessen und Rechtstreitigkeiten um Weiden, Besitztümer, Bedienstete und Erbstreitigkeiten unter den Familienmitgliedern wurden ab dem 15. Jahrhundert dokumentiert. Im Jahr 1534 fielen schließlich die Lübecker während der sogenannten „Grafenfehde“[4] auch in Pronstorf ein.[5] Der katholische Bischof von Lübeck, Heinrich Bockholt (1463–1535), wurde durch einen Aufstand zusammen mit der evangelischen Geistlichkeit aus der Stadt vertrieben. In den Jahren 1534 oder 1535 löste sich das Kirchspiel Pronstorf vom katholischen Bistum Lübeck ab und wurde protestantisch. Die künftigen Pfarrer bezahlte nun der Kirchenpatron und Besitzer Pronstorfs.[6] Im Jahr 1605 brannte das Pfarrhaus des Gutsdorfes ab, wurde jedoch zeitnah wieder aufgebaut.[7] Während des Dreißigjährigen Krieges wurde das Gut größtenteils zerstört und geplündert; 1643 brannten die Schweden die Gutsanlage bis auf das Herrenhaus komplett nieder. Dieses ursprüngliche „alte“ Herrenhaus lag nordwestlich des heutigen Herrenhauses und hatte zwei Stockwerke und einen Turm, schreibt Carl-Heinrich Seebach in seinem Buch über Pronstorf basierend auf Quellen des Gutsarchivs.[8] Nach dem Einzug der kaiserlichen Truppen unter Wallenstein und Tilly in Holstein wurde Pronstorf im Spätsommer 1627 konfisziert und 1628 schwer verwüstet. Die Familie von Joachim von Bockwoldt floh nach Lübeck und die Leibeigenen verließen Pronstorf aufgrund von Hunger, Bränden, Vergewaltigungen und Krankheiten. Die Felder lagen brach und das Dorf wurde nicht mehr bewirtschaftet. 1643[9] brannte schließlich der Gutshof mit seinen Wirtschaftsgebäuden vollständig ab, wobei das Herrenhaus stark beschädigt wurde. Bis 1645 war Pronstorf außerdem von den Schweden besetzt. Die Gebäude wurden erst von 1647 bis 1654 wieder errichtet und die übriggebliebenen Gebäude notdürftig instandgehalten. Ab 1653 wurde mit dem Wiederaufbau des Kirchturms begonnen und 1656 in der Kirche der neue Altar geweiht. 1657 fielen die Schweden jedoch erneut in Pronstorf ein. Wieder litt Pronstorf unter dem Krieg; ein Teil der Einwohner wurde vertrieben. Das Amtmann-Haus wurde zu einem Proviantlager der Schweden umfunktioniert und die Pronstorfer mussten hohe steuerliche Abgaben leisten. Nach Kriegsende beehrte 1675 der neue Herrscher König Christian V. von Dänemark und Norwegen (1646–1699) Joachim von Buchwaldt in Pronstorf und besuchte das „alte“ Herrenhaus, welches aus dem 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts stammte.[10] Am 26. November 1688 nahm Henning von Buchwaldt (1632–1717) nach dem Tode von Magdalena von Buchwaldt durch zwei Notare ein bis heute existierendes Inventar auf, welches sich im Gutsarchiv befindet. Dort wurden die Räume des „alten“ Herrenhauses wie folgt beschrieben: „Da ist zunächst die Hausdiele mit einem eichenen Ausziehtische, Bänken und vielen Stühlen, welche letztere zum Theil aus anderen Räumen hergestellt waren; auch die bescheidene Büchersammlung wurde hier verwahrt: Andachtsbücher und Postillen mit schwülstigen Titeln bildeten den Inhalt, sowie eine plattdeutsche Bibel…An die Hausdiele, welche nach dem Verzeichnisse der Truhen und Sitzgelegenheiten, die dort ein Unterkommen fanden, ein größerer Raum gewesen sein muss, stieß die vermutlich gelb-weiße ‚Cammer‘. Hier befand sich zunächst, wie in allen als ‚Cammer‘ bezeichneten Räume, eine ‚Bettstede‘, dann aber in Truhen und ‚Schappen‘ bares Geld, Obligationen, ‚Documente‘, Silber- und Leinenzeug und Betten. – Die zunächst inventarisierte große Stube enthielt nur einen geringen Inhalt und wurde wohl als Wohn- und Speiseraum genutzt. Die kleine Speisekammer enthielt einiges ‚Geräthe‘. Dann folgt unten die ‚Cammer‘ mit grün und weißen Tapeten bezogen, auch mit ‚Bettstede‘. Negst der obigen ‚Cammer‘ im ‚Cabinet‘ verwahrte man die den Trauerschmuck des Hauses an Leichenlaken, Sargschmuck und damals gebräuchlichen Traueremblemen auf, auch ein Kruzifix, verschiedene Andachtsbücher und viele ‚Documente‘ in Truhen und Schränken hatten hier Platz. Diese ‚Documente‘ bestanden zum Theil in für das Gut wichtigen Grenzverträgen mit Nachbarn und wurden hier auch die Kirchenrechnungsbücher verwahrt. Die lange Stube hatte nur geringen Inhalt: einen Eichentisch mit schwarzseidener Tischdecke mit seidenen Fransen und zwei weißleinen Fenstergardinen; dieser Raume diente wahrscheinlich als Wohnzimmer. In der weißen Kammer wird ein Frauentisch und eine ‚Frauenbettstede‘ erwähnt, vermutlich das Schlafzimmer der Hausherrin. Ein Raum im Frauenhause‘ (Frauentrakt) benannt, jedenfalls die Spinnstube, wo die ‚Dirnen‘ unter Aufsicht der Hausfrau spannen und webten.“[11] Diese Kammern bezeichnen den ersten Stock des Hauses. „Die ‚Cammer‘ oben bei dem Turm, wo sich eine Bettstadt befand, und viele Betten aufbewahrt wurden“. Ebenfalls oben belegt wird die ‚alte Schuel‘, in der noch ein leeres ‚Bücher-Repositorium‘ an die einstige Bestimmung, hier die ‚Junker‘ und ‚hochadeligen Jungfern‘ zu unterrichten, erinnerte. Ferner lag im oberen Stock die ‚Kleyder-Cammer‘ auch mit Bettstede. Auf dem „Bohden“ wurden in Truhe und Kisten viel Leinenzeug, Kleidungsstücke und Plunder jeglicher Art verwahrt, auch 19 alte ‚Conterfeiten‘ und 6 ‚allerhand Schildereyen‘ ohne Rahm auch 33 Stück Groß und Klein wollen, auf Leinen gemacht so zu der ‚gelben Cammer‘ gehören. Die ‚Thurm-Cammer‘ enthielt 1 ‚Conterfeit‘ und 1 alt Gemälde […]. Die Garderobe des Hausherrn scheint hier aufbewahrt worden zu sein. Der ‚Bohden‘ über der ‚Cammer‘ enthielt Betten. – Das Dach wird nach den beiden Böden zu urteilen, ein geteiltes gewesen sein. Noch werden noch genannt die ‚Fleisch-Cammer‘ und die ‚Bolts-Cammer‘ (?), letztere viele Betten enthaltend. Die Küche war am reichsten ausgestattet. Eisengeräte, Zinn-, Englisch-Zinn-, Messing- und Kupfergeschirr, 23 zinnerne Schüsseln und 41 zinnerne Teller bildeten das ‚Tischgerät‘ […].“[12] Diese Beschreibung über die Organisation des adeligen Haushalts und die Nutzung der Räume vermittelt einen Eindruck über das Wohnen der Adelsfamilie in einem Herrenhaus. Pronstorf war weiterhin bis ins 17. Jahrhundert ein Lehensgut mit allodialem[13] (privatbesitzlichem) Charakter.[14] Nachdem das erste Herrenhaus des Gutes bei dem Brand schwer beschädigt wurde und nicht mehr bewohnbar war, entschloss man sich ab 1716 zu einem Neubau, der bis um 1730 fertiggestellt wurde.[15] Einige Objekte des Interieurs wurden in das neue Haus mit umgezogen, so auch die Unterlagen und Dokumente des Gutsarchivs. Historische Ereignisse in Schleswig-Holstein, die Pronstorf betreffenDurch die Kampfhandlungen der kaiserlichen Truppen und der Schweden während des Dreißigjährigen Krieges wurde der komplette Wirtschaftshof 1643 zerstört und Pronstorf durch Brandschatzung und Plünderung schwer verwüstet. Auch der Nordische Krieg (1700–1721) schadete Pronstorf erheblich, insbesondere im Jahr 1714, aufgrund hoher Abgaben in die Kriegskasse und der Einquartierung von Söldnertruppen. Während des Krieges wurden russische Soldaten im Nachbardorf Strukdorf einquartiert. Unter ihnen brach die Pest aus, die auch die Bevölkerung der Umgebung traf.[16] |
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- ↑ Vgl. Neuschäffer 1987, S. 19.
- ↑ Vgl. Neuschäffer 1987, S. 19.
- ↑ Das Kirchenpatronat, also die Schirmherrschaft eines Adligen über eine Kirchengemeinde, ist heute kaum mehr verbreitet. Das aus dem mittelalterlichen Eigenkirchenrecht des Grundherren hervorgegangene Privileg besteht in der evangelischen Kirche aber bis heute fort, wenn auch eingeschränkt. Zu den Pflichten eines Patrons gehört die Kirchenbaulast am Kirchengebäude und mitunter am Pfarrhaus, oft auch die Besoldung des Pfarrers und anderer Amtsträger der Kirche.Die Rechte sind teils Ehrenrechte, z. B. auf einen besonderen Sitzplatz in der Kirche im Patronatsgestühl und die Erwähnung im Gebet, teils wirkliche Rechte, wie z. B. die Möglichkeit, bei einer Wiederbesetzung einer Pfarrei den neuen Pfarrer der kirchlichen Instanz vorzuschlagen (Präsentationsrecht) und das Vetorecht bei der Übernahme des Pfarramts durch eine dem Patron nicht genehme Person ausüben zu können. Außerdem stand dem früheren Kirchenherrn das Begräbnis in der Kirche zu. Diese Stellung bei historischen Patronaten ist auch in der Gegenwart an zahlreichen Kunstschätzen in Kirchen ablesbar. https://dewiki.de/Lexikon/Kirchenpatronat (30.10.2023).
- ↑ Die „Grafenfehde“ von 1533 bis 1536 war der letzte – und erfolglose – Versuch der Hansestadt Lübeck, ihre Vormacht im Ostseehandel zu retten. Gefährdet war sie durch die Niederländer. Mit dem Zeitalter der Entdeckungen waren die Niederländer zur ersten Welthandelsmacht aufgestiegen.
- ↑ https://geschichte-s-h.de/sh-von-a-bis-z/g/grafenfehde/ (06.11.2023)
- ↑ Vgl. Rantzau 1902, S. 36–37.
- ↑ Vgl. Rantzau 1902, S. 44.
- ↑ Vgl. Seebach 1985, S. 39.
- ↑ https://geschichte-s-h.de/sh-von-a-bis-z/k/kaiserlicher-krieg/ (08.11.2023)
- ↑ Vgl. Rantzau 1902, S. 77.
- ↑ Zitiert nach Rantzau 1902, S. 76.
- ↑ Vgl. Rantzau 1902, S. 75–77.
- ↑ Ein Allodialgut gehört uneingeschränkt dem Besitzer und auch das erwirtschaftete Einkommen. Er muss keine Abgaben (Lehen) an einen höher gestellten Fürsten, König oder Klosterabt abgeben. https://www.wikidata.org/wiki/Q634755
- ↑ Vgl. Neuschäffer 1987, S. 26.
- ↑ Vgl. Neuschäffer 1987, S. 30.
- ↑ Vgl. Neuschäffer 1987, S. 28.