10. Wirtschaftsgebäude
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Gesamtanlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park
- 10. Wirtschaftsgebäude
- 11. Kirche und Dorfstrukturen
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Geophysikalische Prospektion und digitale Dokumentation
- 14. Quellen- und Literaturverzeichnis
Über die Wirtschaft haben wir die erste Quelle um 1777 in den Reiseberichten von Johann Bernoulli (1744–1807). Er schreibt: „Stargordt, dessen Feldmark zwar weitläufig, der Boden aber an einigen Orten schlecht und sandig, und nebst wenig Wiesewachs, höchstens nur im Mittelalter bestund.“[1] So fand Adrian Bernhard von Borcke (1668–1741) (Abb. 19) also eine wenig vielversprechende Lage seines Gutes vor. Auf seinem Land befanden sich dreizehn Bauern, „welche Tagtäglich mit einem Knecht, einem Gespann und einer magd zu Dienste gehen; item einen Cossäthen,[2] welcher die Woche zwei Tage mit einem Gespann und täglich mit einem Handdienste zum Hof kommt.“[3] Graf von Borcke, war ja, das darf man nicht vergessen, nicht so ganz freiwillig nach Stargordt gekommen, nachdem er am Hofe Friedrichs II. 1764 in Ungnade gefallen war.[4] Das merk man hin und wieder auch, wenn man in seinen Beschreibungen der „Stargordt’schen Wirthschaft“ liest: „die Rega [Fluß] könnte von einer grösseren Wichtigkeit seyn, man schmieret uns auch das Maul mit der Hoffnung, daß sie Schiffbar gemacht werden soll, die Sache ist möglich, und die Stadt Treptow ist die einzige, so zum Kornhandel gelegen ist, wenn dessen Hafen mit einer Bagatelle in Stand gesetzet wird. Allein es ist zu vermuten, dass Nebenabsichten dieses vereiteln werden: denn es ist ausgemacht, daß ein Fluch auf Pommern liege, welcher Alles und selbst die größten angewendeten Summen Geldes zu Wasser machet.“[5] Die Frustration, die aus diesen Zeilen spricht ist sicher nicht nur der Qualität der Böden geschuldet. Die Feldmark ist jedoch weitläufig, der Boden meistens guter Mittelacker, Wiesen gibt es wenige und bestehen aus wenig satten Grasarten, Holz gibt es viel, jedoch meistens schwer erreichbar. Es gab 700 Schafe, die als „gut“ bewertet wurden.[6] Um all diese Missstände zu beseitigen, verwandelte sich der Offizier Heinrich Adrian von Borcke (1715–1788) (Abb. 20) in einen Landwirt. Er eignete sich theoretisches und praktisches Wissen über Ackerbau und Viehzucht an und versetzte sich damit in die Lage, den Stargordter Gutsbetrieb zu reformieren.[7] Zunächst wurde ein neues Vorwerk angelegt. Brachliegende Felder wurden urbar gemacht, ein Pächterhaus, ein Viehstall sowie zwei Scheunen gebaut.[8] Außerdem wurden Kleefelder angelegt um die Viehwirtschaft zu verbessern. Der Bestand entwickelte sich dadurch von 36 auf 170 Stück Vieh.[9] Bernoulli berichtet bei seinem Besuch Stargordts 1778 (Abb. 8) von den üppigen Klee- und Roggenfeldern.[10] Das Vorwerk erweiterte sich von Jahr zu Jahr. Ausführlich berichtet Graf von Borcke in seiner „Wirthschaft“ und legt Listen und Tabellen der Felderwirtschaft vor und berichtet vom Mergeln, welches die Böden fruchtbarer machte.[11] Außerdem legte Graf von Borcke 23 Familienwohnungen an, da die Bevölkerung um 170 Köpfe gewachsen war.[12] Zur Scheune schreibt Bernoulli in seinen Reiseberichten „die Ziegelscheune ist wegen ihrer wohlfeilen und dauerhaften Bauart zu bemerken. Der General hatte, wie er diese bauete, vorher Schiffsholz schlagen lassen, von welchem Ihm starke eichene Stücke übrig geblieben waren; diese ließ er in die Erde setzen und scharf abschärfen; darauf wurden die Sparren aufgesetzet und gut mit Sturmbändern befestiget... Inwändig längst der Scheune sind eine Art Leitern eingesetzt, worauf die Dachsteine trocknen. Dieses Gebäude,... , so leicht gebaut es auch scheinen möge, hat seit 11 Jahren gewaltigen Stürmen widerstanden, und liefert auf jede Brand 18.000 Mauer- und 10.000 Dachziegel ohne die Pfannen.“[13] Außerdem berichtet Bernoulli von der Hexelmühle und der Kleescheune. Erbaut wurde sie vom Mühlenbaumeister Reinhard für 130 „Thaler“.[14] Das Räderwerk kam von Landsberg an der Warte und kostete 30 Reichstaler. 700 Pfund Eisen wurden verarbeitet. Das Mühlenholz war aus den hiesigen Forsten. Fertiggestellt wurde alles in nur sechs Wochen. Durch die neuen Maschinen konnte man neuartige Fütterungsmethoden für das Vieh entwickeln, Klee und Hafer konnten nun getrennt sortiert werden. Die Schafzucht bereitete Graf von Borcke weiterhin Verdrus. Jahr für Jahr wurde der Ertrag schlechter, so dass er sich entschied, die übrig gebliebenen 600 Schafe (1778) an den Schäfer zu verpachten.[15] Das Vorwerk bestand aus dem Haus des Pächters inklusive Molkerei. Dieses Holzhäuschen, welches von Graf von Borcke in seiner „Wirthschaft“ beschrieben wird, hat wohl nicht lange überdauert, es gibt weder Zeichnungen noch spätere Fotografien. Alleine es soll zweistöckig und mit Treppenturm gewesen sein.[16] Direkt daneben befand sich der Kuhstall und zwei „mittelmäßige“ kleinere Scheunen. Außerdem befand sich hier die Ziegelei, die aus einem Haus, einem gemauerten Ziegel-Ofen, Behälter für Kalk und der Ziegelscheune bestand.[17] Neu entstanden war hier die Schmiede, die zuvor eine halbe Meile entfernt gelegen hatte, mehrere kleine Häuschen für Angestellte sowie die Bäckerei.[18] Ackerpferde gab es zwei im Stall sowie 27 Ochsen.[19] Das Gesinde des Gutes bestand aus dem Ersten Hofmeister, einem Ochsen-Jungen, dem Zweiten Hofmeister, dem Hofknecht, diversen Bauernknechten sowie zwei Vieh-Mädchen. Jedem Kuh-Pächter wurde außerdem eine Magd und ein Viehbursche zugestanden.[20] Um das Geflügel kümmerten sich „arme“ Kinder.[21] Nicht zur Wirtschaft wurden Kutscher und Stallleute der Vollblut-Pferde gerechnet, die auf den Paddocks genannten Koppeln nahe des Herrenhauses auf der westlichen Seite des Gebäudes gehalten wurden.[22] Borcke unterstützte die Gründung der „Pommerschen Landschaft“, einer Bodenkreditanstalt auf genossenschaftlicher Grundlage. Nach mühevoller Vorarbeit wurden im Jahre 1780 Vertreter des landesbesitzenden pommerschen Adels wegen der Genehmigung vom König empfangen und Graf von Borcke wurde als gewählter „Landschaftlicher Deputationsmarschall“ Sprecher der Delegation. Pfandbriefe konnten mit einem niedrigen Zinssatz von vier Prozent ausgegeben werden.[23]
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