Gunderslevholm/08. Innenräume im 18. Jahrhundert: Unterschied zwischen den Versionen

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Die barocke Struktur des Gunderslevholmer Herrenhauses blieb in seiner Raumdisposition bis heute erhalten.


Eine Tuschezeichnung (Abb. 36), mit dem Titel planer, opmåling før ombygning, dessen Entstehungsjahr unbekannt ist, zeigt das erste und zweite Obergeschoss vor den Umbauarbeiten des dänischen Architekten Bernhard Seidelin (1820–1863) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Eine Tuschezeichnung (Abb. 36), mit dem Titel planer, opmåling før ombygning, dessen Entstehungsjahr unbekannt ist, zeigt das erste und zweite Obergeschoss vor den Umbauarbeiten des dänischen Architekten Bernhard Seidelin (1820–1863) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Version vom 15. Oktober 2024, 20:41 Uhr

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Die barocke Struktur des Gunderslevholmer Herrenhauses blieb in seiner Raumdisposition bis heute erhalten.

Eine Tuschezeichnung (Abb. 36), mit dem Titel planer, opmåling før ombygning, dessen Entstehungsjahr unbekannt ist, zeigt das erste und zweite Obergeschoss vor den Umbauarbeiten des dänischen Architekten Bernhard Seidelin (1820–1863) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass Gunderslevholm zu den ersten Herrenhäusern in Dänemarks gehört, bei dem die Beletage im unteren, statt im oberen Stockwerk untergebracht war. Damit läutete Gunderslevholm den Typus der zivilen Maison de Plaisance ein, der sich bereits ab 1600 in der Île-de-France formierte und schon bald auch den Herrenhausbau in Dänemark dominieren sollte. Besonders deutlich wird dies im vorliegenden Grundriss des Untergeschosses. Um das Vestibül (Vestibule) und den Gartensaal (Havestue), die im Zentrum des Gebäudes stehen, gruppieren sich jene Räume, die dem Slots- og Kulturstyrelsens register zufolge im traditionellen Sinne betrachtet als Schauplatz des täglichen Familienlebens fungierten.[1] Durch eine Enfilade miteinander verbunden, befindet sich den Aufzeichnungen Claus Neergaards zufolge, rechtsseitig des Gartensaals die rote Stube (Røde Stue) und zu linken Hand das Speisezimmer (Spisestue). Dem Speisezimmer schließt sich nördlich ein Kabinett an. Von dort aus führte der Weg in die Küche (Kokken) und die Stube (Dagligstuen), ehe über das Vestibül im Norden ein weiteres kleines Durchgangszimmer (Konta ?) erreicht wird. Von hier aus führt eine Treppe in den Keller des Hauses.

Rechtsseitig des Vestibüls führt eine repräsentative Podesttreppe, welche mit aus Eichenholz geschaffenen Stufen versehen ist, in das zweite Obergeschoss. Die Raumaufteilung unterscheidet sich hier deutlich von der darunterliegenden Etage. Hier findet sich auf ganzer Länge des Gebäudes ein vom Vestibül ausgehender zentraler Flur mit einer beidseitigen Raumanordnung, wobei die nach Osten ausgerichtete Raumabfolge durch eine sogenannte Gartenenfilade miteinander verbunden ist. Über die Nutzung der Zimmer ist kaum etwas bekannt, es kann aber davon ausgegangen werden, dass es sich vorrangig um private Räumlichkeiten handelte.

Das Dachgeschoss ist ungenutzt und zeichnet sich durch eine offenliegende Balkenkonstruktion aus (Abb. 37).

Die Innenraumgestaltung Gunderslevholms weist eine Vielzahl an original erhaltenen barocken sowie klassizistischen Elementen auf, zu denen Dielen- und Fliesenböden, Vertäfelungen, Türblätter, -griffe und -schlösser, Eisen- und Kachelöfen, Stuck, aber auch Tapisserien und Gemälde gehören.

Besonders eindrucksvoll sind das Vestibül und der Gartensaal im ersten Obergeschoss. Die holzvertäfelten Wände des Vestibüls (Abb. 38) sind mit diversem Dekor wie Muschel-, Blatt- und Rankwerk besetzt und in grau-blauen und cremefarbenen Tönen gehalten. Der repräsentative Treppenaufgang greift das Farbschema gekonnt auf, wodurch ein harmonischen Kontrast zu den naturbelassenen und aus Eichenholz gefertigten Treppenstufenentsteht. Teil des Gesamtkonzepts sind ebenso lebensgroße Atlanten. Ihr imposantes Erscheinungsbild verleiht dem Raum eine ehrfürchtige Atmosphäre. Die von filigranem Weinlaub umhüllten Figuren dienten einst als Fackelhalter. Mit ihren detaillierten Verzierungen ist die Treppenanlage von Gunderslevholm eine der explizitesten Beispiele für dänische Innenarchitektur jener Zeit und in ihrer Form einzigartig.

Das Vestibül wurde im 19. Jahrhundert erweitert und erhielt neben einem aufwendig gestalteten Parkettboden (Abb. 39), dessen Entwurf aus der Hand Seidelins stammt, auch eine Kassettendecke, die mit Stuck und Reliefs des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen (1770–1844) geschmückt wurden.

Direkt dahinter schließt sich nach Osten der große Gartensaal (Abb. 40) an, der sich durch sein freundliches Raumklima auszeichnet. In diesem Raum hat sich der originale Dielenboden des 18. Jahrhunderts erhalten. Die Wände sind mit umlaufenden, halbhohen Holzvertäfelungen versehen, die einen hellen Anstrich aufweisen. Ursprünglich zierte die Wände eine Silberledertapete mit einem bläulichen floralen Muster, die jedoch im Jahre 1787 durch eine handbemalten chinesischen Papiertapete ersetzt wurde und vermutlich aus dem chinesischen Canton, der heutigen Stadt Guangzhou, stammt.[2]

Im ausgehenden 17. und im Verlauf des 18. Jahrhunderts verbreitete sich in Europa eine China-Begeisterung, die auch als Chinoiserie bekannt ist. Zusammen mit den chinesischen Exportwaren wie Seide, Porzellan und Genussmittel, insbesondere Tee und Kaffee, erreichten den europäischen Markt auch neuartige Impulse, die sich schon bald im Formenrepertoire zahlreicher Barockanlagen widerspiegelten.[3]

Wie genau die chinesische Papiertapete ihren Weg nach Gunderslevholm gefunden, kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass es sich vermutlich nicht nur um einen Modegeschmack handelte, sondern vielmehr in Verbindung mit der Familie von Plessen gesetzt werden muss. Carl Adolph von Plessen, der Gunderslevholm im Jahr 1729 errichten ließ, spielte im Überseehandel Christians IV. eine bedeutende Rolle. Er war von 1735 bis 1749 Direktor der Westindien-Guinea-Kompanie (Westindisch-Guineas Kompagni) und zählte zu einem der Großaktionäre der 1730 gegründeten Dänisch-Asiatischen Kompagnie (Dansk Asiatisk Kompagni). Als Christian VI. im Jahr 1731 die erste Expeditionsreise nach Kanton auf der Cron Printz Christian (Abb. 41) entsandte, wusste er nicht, dass der dänischen Krone mit Rückkehr der Fregatte eine 40 Jahre währende Monopolstellung des gesamten dänischen Handels östlich des Kaps der Guten Hoffnung bevorstand. Es ist denkbar, dass Plessen aufgrund seiner Position in der Regierung Christians und seiner Rolle in der Wirtschaftspolitik des Landes, Kontakte pflegte, die ihm den Zugang zu Kolonial- und Luxuswaren ermöglichten.

Die Entstehung der Papiertapete von Gunderslevholm kann in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts verortet werden. Diese Annahme deckt sich mit den Angaben der dänischen Kunsthistorikerin Tove Clemmensen und des Historikers Mogens B. Mackeprang. In ihrem Werk Kina og Denmark 1600–1950: Kinafart og Kinamode[4] wird beschrieben, dass die ersten handbemalten chinesischen Papiertapeten im Jahre 1778 nach Dänemark kamen und von der Dänischen Ostindien-Kompanie sowie Dänischen-Asiatischen Kompanie importiert wurden. Weitere Hinweise auf den Entstehungszeitraum gibt uns die Tapete selbst. Die Papiertapete von Gunderslevholm hat einen kräftig gelb leuchtenden Hintergrund, auf dem blühende Zweige, diverse Vasen sowie exotische Vögel und Schmetterlinge abgebildet sind (Abb. 42, 25). Die Farbauswahl spricht dafür, dass es sich um ein Modell aus dem späten 18. Jahrhundert handeln muss, da sich kräftige Hintergrundfarben wie Saphierblau, Smaragdgrün oder auch leuchtendes Gelb erst ab den 1770er Jahren etablierten und die zuvor üblichen pastelligen Grundfarben ablösten.[5] Auch das Vasenmotiv deutet auf ein etwas jüngeres Entstehungsdatum hin.[6] Es kann demnach angenommen werden, dass die Tapete zwischen 1770 und 1786 entstanden sein muss.

Sowohl die Bedeutung von Plessens Rolle am Hof als auch seine Beteiligung in der Wirtschafts-, Handels- und Kolonialpolitik der dänischen Regierung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Gestaltung des Gartensaals. Oberhalb der Türstürze finden sich vier Gemälde, sogenannte Supraporten, die sich dem 18. Jahrhundert zuordnen lassen. Auf den ersten Blick scheint der Bildinhalt Szenen der römischen Mythologie darzustellen, welche neben idealisierten Landschaftsbildern oder Vanitas-Motiven ein beliebtes Sujet der barocken Malerei bildeten. Die Szenen zeigen das „Opfer für Minerva“, eine Salacia Darstellung, Diana, nach der Jagd ruhend, sowie Mars und Venus (Abb. 43). Ein zweiter Blick offenbart, dass die Gemälde im Saal die vier Elemente (Feuer, Wasser, Luft und Erde) symbolisieren. Besonders interessant ist, dass sich der unbekannte Künstler in seinen Werken direkt auf die Familie, insbesondere aber auf Carl Adolph von Plessen, zu beziehen scheint. In der Darstellung Salacias beispielsweise sind auf dem Meer Schiffe, die unter dänischer Flagge segeln, und eine junge BIPoC (Black, Indigenous Person of Colour) abgebildet. Des Weiteren findet sich in der Darstellung von Mars und Venus ein Papagei (Abb. 44) wieder. Diese vom Künstler geschickt integrierten Attribute spiegeln Plessens Rolle im dänischen Überseehandel des 18. Jahrhunderts.

Johs. Henrik Bernhard Seidelin, a: planer, opmåling før ombygning, aus: Gunderslevholm (4160), ombygning, interiører, KB Kunstbiblioteket, Søborg, Foto: Maria Mischke
Abb. 36: Grundrissdarstellung von Gunderslevholm (vor dem Umbau)
Johs. Henrik Bernhard Seidelin, f: snit, aus: Gunderslevholm (4160), ombygning, interiører, KB Kunstbiblioteket, Søborg, Foto: Maria Mischke
Abb. 37: Querschnitt von Gunderslevholm
Hallen på Gunderslevholm, aus: Det danske herregårdsinteriør – en introduktion, © Niels Peter Stilling
Abb. 38: Vestibül
Johs. Henrik Bernhard Seidelin, m: plan, gulv, hallen, aus: Gunderslevholm (4160), ombygning, interiører, KB Kunstbiblioteket, Søborg, Foto: Maria Mischke
Abb. 39: Parkettboden im Vestibül
Havestuen, aus: Roussell 1944 S. 691, © TH. Andresen
Abb. 40: Gartensaal
Journal holden paa Skibet Cron-Printz Christian fra Kiøbenhafn til Canton i China og til Kiøbenhafn Igien fra Ao 1730 til 1732, Rigsarkivet, ©Benjamin Asmussen
Abb. 41: Kronprinz Christian (Handelsschiff)
Detail af Væggen i Havestuen med det haandmalede kinesiske Tapet og Portrættet af Carl Adolf Plessen d. Y., aus: Roussell 1944, S. 692, © Th. Andresen
Abb. 42: Handbemalte chinesische Papiertapete im Gartensaal
Dørparti fra Gunderslevholm, Nationalmuseets samlinger, Nationalmuseet, Kopenhagen, ©Arnold Mikkelsen
Abb. 43: Supraporte im Gartensaal mit einer Mars und Venus Darstellung
Ausschnitt, Dørparti fra Gunderslevholm, Nationalmuseets samlinger, Nationalmuseet, Kopenhagen, ©Arnold Mikkelsen
Abb. 44: Detailansicht der Supraporte
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Einzelnachweise
  1. Vgl. https://trap.lex.dk/Gunderslevholm, (15.08.2024).
  2. Nach Rücksprache mit der Kollegin Julia Jauch ist es möglich, dass die Tapete in den Werkstätten Anthonij oder Seequa produziert worden sein könnte, Vgl. Wappenschmidt 1989, S. 73 ̶ 78.
  3. Vgl. Menne 2018, S. 137.
  4. Clemmensen/ Mackeprang 1980.
  5. Vgl. Bruijn, 2017, S. 141.
  6. Vgl. Knudsen 2020, S. 189 auf http://www.orientalskkeramikk.com/uploads/6/0/1/3/60134199/anne_merete_knudsen_det_kinesiske_tapetet_p%C3%85_gulskogen_lystg%C3%85rd.pdf, (15.08.2024).