06. Innenräume im 18. und 19. Jahrhundert

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Spuren des Interieurs aus dem 18. Jahrhundert und Umbauten im 19. Jahrhundert

Das Herrenhaus Suuremõisa wird im ehemaligen Corps de Logis zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer Berufsschule (Ametikool) genutzt, der Nordflügel beherbergt eine Grundschule und der Südflügel ein Café.


Über den ursprünglichen Grundriss des Wohnhauses gibt es keine genaue Kenntnis. Laut einer handgeschriebenen Raumliste (18./19. Jahrhundert, Entstehungszeit unklar), befanden sich im Corps de Logis vom Keller bis zur oberen Etage ca. 42 Zimmer [Abb. 14]. Zeitweilig, so heißt es, hatte das Herrenhaus, vermulich einschließlich der Räume in den Seitenflügeln, 64 Zimmer.[1]

Über eine zweiläufige repräsentative Treppe im Vestibül des Hauses, gelangt man in die Galerie des oberen Geschosses. Sowohl in der ersten als auch in zweiten Etage gehen im Nordtrakt hofseitig Räume ab, die Enfiladen bilden. In beiden Geschossen des Südtraktes trennt ein Flur die Räume der Gartenseite von denen der Hofseite. Von den Sälen abgehende Räume bilden in beiden Etagen Enfilden. Hofseitige enfiladenbildende Durchgänge gibt es nur im Nordflügel des Hauses, im Südflügel hingegen nicht.

Die übliche Abfolge von Antichambre, Chambre und Cabinet scheint für die von den Sälen abgehenden Räume geplant worden zu sein [Abb. 17, 18 (2011)]. Von der Symmetrie einer barocken Raumorganisation weicht der Bau jedoch erheblich ab: Im ersten und zweiten Geschoss des Südtraktes gibt es einen Flur, im Nordtrakt hingegen nicht. Zu einer weiteren Eigenart des Baus gehört, dass es im Eingangsbereich keinen Zugang zum unteren Saal gibt. Der untere Saal im Herrenhaus Großenhof verfügt allerdings, wie üblich, über einen direkten Zugang über die Terrasse in den Garten bzw. Park. Bauspezifische Untersuchungen konnten einen ursprünglichen Zugang vom Vestibül in den unteren Saal bisher nicht nachweisen.[2]


Paradetreppe

Die Paradetreppe in der Eingangshalle des Hauses wurde im Laufe der Jahrhunderte an jeweilige Moden angepasst.[3] Laut einer Informationstafel, fertigte die noch vorhandenen Baluster der Inseltischler Mihkel Mei im 19. Jahrhundert an [Abb. 19]. In einem Schaukasten im Keller des Hauses ist ein flaches geschwungenes Holzelement (Brett-Traille) aufbewahrt, das einst zur Treppe gehört haben soll. Man kann annehmen, dass zur Zeit der Gräfin statt der Baluster, geschwungene Brett-Traillen ein Treppengeländer zierten. [Abb. 20].

Im 19. Jahrhundert erhöhte man den Boden im unteren Saal um 20 cm. Dieses Prozedere wurde in weiteren Räumen der ersten Etage durchgeführt. Unter dem Parkett des heutigen Museumsraums, der erste hofseitige Raum im Nordtrakt des Haupthauses, liegt zum Beispiel ein zur Bauzeit entstandener Dielenboden. Für das Vestibül müsste das bedeuten, dass der Boden in Folge dieser Veränderungen ebenfalls angehoben wurde. Die heutig Treppenkonstruktion könnte demnach in den reduzierten Raum eingepasst worden sein. Eine Anhebung der ursprünglichen Treppe wäre prinzipiell möglich gewesen. Genaues weiß man leider nicht, da Untersuchungen dazu bisher nicht durchgeführt wurden. Eines ist jedoch schnell ersichtlich: An vielen Stellen der Paradetreppe sind Unregelmäßigkeiten in der Konstruktion zu erkennen, die eine nachträgliche Einpassung in die für sie zu kleine Eingangshalle nahelegen [Abb. 21 Unregelmäßigkeiten].[4]


Barocke Details

Die vorhandenen Spuren der Innengestaltung aus dem 18. Jahrhundert sind heute vor allem in Details zu finden. Im gesamten Haus, vor allem im Obergeschoss, gibt es barocke niedrige Wandverkleidungen (Lambris), die an die Entstehungszeit des Hauses anknüpfen [Abb. 22].[5] Auch teilrestaurierte Türen [Abb. 23] sowie alte Fenster- und geschweifte Türscharniere [Abb. 24] sowie wenige Zeugnisse von Wandmalerei stammen aus der ältesten Zeit des Hauses.[6]

Während heute Tapeten aus dem 19. Jahrhundert, zum großen Teil restauriert, die Wände des Herrenhauses schmücken, scheinen einige Räume zur Zeit der Gräfin mit Wandmalereien verziert worden zu sein. Wenige Reste von Wandbemalungen wurden unter den Tapeten und anderen Farbschichten gefunden [Abb. 25, 26 FEHLEN].[7] Die Reste von Wandmalereien sind sehr gering und Aussagen zur Gestalt des ursprünglichen Dekors demzufolge schwer zu treffen.[8]

Abb. XX Handschriftliche Raumbezeichnungen für das Herrenaus Großenhof, vermutlich nach der Zeit der Gräfin entstanden
Abb. XX Grundriss obere Etage mit Angaben zu Restaurierungen 2011 (rote Punkte)
Abb. XX Grundriss untere Etage mit Angaben zu Restaurierungen 2011 (rote Punkte)
Abb. XX Treppendetails Baluster und Geländer, 19. Jahrhundert, Werkstatt: Mihkel Mei
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Abb. XX Brett-Traille aus der Entstehungszeit des Hauses, ursprünglicher Bestandteil des barocken Treppengeländers
Abb. XX Unregelmäßigkeit in der Treppenkonstruktion
Abb. XX Teilrestaurierte barocke Wandverkleidung (Lambris), farbliche Gestaltung aus dem 19. Jahrhundert
Abb. XX Teilrestaurierte barocke Tür- und Wandverkleidung, Wandverkleidung farblich neugestaltet (19. Jahrhundert)
Abb. X Detail aus der Entstehungszeit des Hauses, Türschanier im Nordflügel
  1. Vgl. Hülg (Hg.) 2017, S. 5.
  2. Mit Dank an Dan Lukas (Estnisches Landesdenkmalamt), Gespräch Mai 2024.
  3. Vgl. ERA.5025.2.13679, A-11556, S. 10 (12).
  4. Mit Dank an Dan Lukas und Frank Lukk (Estnisches Landesdenkmalamt), Gespräch Mai 2024.
  5. Vgl. ERA.5025.2.5654, A-4626, S. 12.
  6. Vgl. ERA.5025.2.5654, A-4626.
  7. Vgl. ERA.5025.2.13679, A-11556, S. 16 (18).
  8. Ich danke meiner Kollegin Julia Jauch für die erste Einschätzung.