Gunderslevholm/11. Kirche und Dorfstrukturen

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Dorfstruktur

Weit bevor Carl Adolph von Plessen Gunderslevholm Gods in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichten ließ, gab es ein Dorf mit dem Namen Gunderslevmagle, welches sich aus mehreren Bauernhöfen zusammensetzte. In den Quellen finden sich diverse Namensnennungen wie Gunnersløf (1322), Gunnærsløf (1333), Gunnersløf Maklæt (1344). Ab Mitte des 14. Jahrhunderts tritt erstmals der Wortstamm Gunderslef in Erscheinung, wie die Schreibweisen Gunderslefholm (1345), Gunnerslef (1370), Gwnnslefilæ (1383), Gundersløffmagle (1403) und Gunnersløfflille, Gundersøfflitle (1465), Gundersløfflilæ (1468) Gwnnerlefflillde (1509) beweisen.[1] Der Autor des Aufsatzes „Nedlagte landsbyer i Gunderslev sogn“, Hans Jørgen Heegaard, fertigte eine Zeichnung (Abb. 62) an, die die Lage und Größe des Dorfes Gunderslevmagle umreißt. Auf der Zeichnung sind rund um die Kirche und im Bereich der heutigen Gutsanlage, mehrere Bauernstellen erkennbar. Nach Heegaard befand sich das ursprüngliche Gunderslevholm im Uferbereich der Suså, in dem sich auch der Standort der Burg nachweisen lässt.[2]

Das Dorf Gunderslevmagle ist heute nicht mehr existent. Die Auflösung von ganzen Ortschaften könnte zum einen mit äußeren Umständen, wie etwa klimatische Veränderungen, Epidemien, den zahlreichen Kriegen oder einfachen demografischen Entwicklungen erklärt werden. Im Falle von Gunderslevmagle lässt sich die Aufhebung des Dorfes wohl am besten mit dem Wunsch der ökonomischen Rationalisierung eines Grundbesitzers begründen. Die Basis für dieses Vorgehen ist derweil in der Entwicklung der dänischen Wirtschaftsgeschichte selbst zu finden: Da dem Land nicht nur die klassischen Rohstoffe wie Kohle und Eisenerz, sondern auch natürliche Ressourcen wie Holz fehlen, war die Land- und Viehwirtschaft stets ein elementarer Wirtschaftsfaktor für Dänemark.[3] Bezugnehmend auf die Gutswirtschaft lassen sich die wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen besonders verständlich erklären.

Die dänische Wirtschaftsgeschichte ist eng mit der Entwicklung der Gutswirtschaft verknüpft.

Da die Begriffe Gut und Herrenhaus im Dänischen allerdings auf unterschiedliche Art und Weise verwendet werden bedarf es einer kurzen Erklärung dieser. Per se reichen ihre Wurzeln bis in das Mittelalter zurück. Noch im 14. Jahrhundert beschreibt der Begriff gårde einen Hof (Bauernhof), der durch eine Familie und eventuelle Angestellte bewirtschaftet wurde. Juristisch betrachtet stehen über diesen Höfen die sogenannten hovedgårde, die auch als Haupthöfe bezeichnet werden können, welche durch ihren Grundbesitzer (also einen Adeligen oder die Kirche) selbst verwaltet und bewirtschaftet wurden. In diesem Zusammenhang wird häufig auch von Sitzhöfen, den sædegårde, gesprochen, welche als herrschaftliche Residenz und als Verwaltungszentrum fungierten. Schließlich gab es noch den Gutshof, den sogenannten herregård. Der Wortstamm selbst weist dabei bereits auf die Bedeutung des Hofes hin, welcher als Sitz des Herren definiert werden kann und somit die Existenz eines möglichen Herrenhauses herremandens impliziert. An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass ein Grundbesitzer nicht nur einen, sondern mehrere Haupthöfe besitzen konnte.[4]

Die dänische Gesetzgebung des 16. Jahrhunderts hatte unterdessen eine ganz klare Definition eines Gutes. Demnach erhielten alle Höfe (Rittergüter), die durch den Adel selbst bewirtschaftet und bewohnt oder durch einen Administrator verwaltet wurden, besondere Privilegien. Diese umfassten etwa das Entfallen der Grundsteuer und ab 1524, mit der Implementierung der Handfestung Frederiks I. (1471–1533), den Wegfall der kirchlichen Zehntpflicht. Dieser Status verhielt sich jedoch äußerst variabel. So konnte aus einem herregård ein bondegård werden, wenn ein Herr aus seinem Haus auszog und es an einen Bauern verpachtete. Genauso verhielt es sich auch umgekehrt.

Grund und Boden von Bauern bewirtschaftet, sodass sich das grundherrschaftliche System des fæstegård etablierte. Die sogenannten fæstegård waren zumeist im Land weit verstreut. Gunderslevholm bildet in diesem Fall ein exemplarisches Beispiel. Auf einer von Erichsen und Pedersen veröffentlichten Darstellung (Abb. 63), welche die Gunderslevholmer Ländereien im 15. Jahrhundert zeigt, ist dies deutlich zu erkennen. Auf der Karte sind der eigentliche hovedgård, die dazugehörigen fæstegårde und die Bezirksgrenzen Sjællands von „[…] Skelskør to Stevns.“[5] verzeichnet. Weiter heißt es in der Beschreibung

„Gunderslevholm Manor was a typical large estate from the late Middle Ages. 31 farms in the home parish formed the core oft the estate, but most oft the estate’s properties were more dispersed … Beyond the map Gunderslevholm owned a large number of tenant farms around Holbæk, making the total number of farms 225.“[6]

Die auf Lebenszeit gepachteten Flächen, die sogenannten fæstegods, durften dabei von den Bauern bewohnt und selbst bewirtschaftet werden. Als Gegenleistung erhielt der Gutsbesitzer eine feste Zahlung, die landgilde, sowie die persönliche Arbeitskraft seiner Pächter, die in den meisten Fällen durch die hoveri an den Großgrundbesitzer gebunden waren.

Bis in das 17. Jahrhundert hinein war das dänische Kulturland zum überwiegenden Teil im Besitz der Krone, der Kirche und des Adels. Bei etwa 52 % der Flächen handelte es sich um Kronland, weitere 44 % waren in der Hand des Adels. Lediglich 4 % gehörten den freien Bauern.[7]

Die dem Adel gewährten Legitimationen änderten sich erstmals mit der Einführung der absoluten Monarchie im Jahr 1660. Im Zuge der politischen Umstrukturierung wurde das Alleinrecht des Adels an Höfen und Ländereien abgeschafft. Mit dem von Christian V. (1670–1699) erlassenen Dekret vom 28. Januar 1682 wurde die Legung neuer Gutshöfe verboten und nur noch jene Landgüter, die eine Fläche von 200 Morgen Hartkorn in einem Umkreis von zwei Meilen vorweisen konnten, wurden von der Steuer befreit. Die Grundbesitzer waren zudem verpflichtet, dafür zu sorgen, alle verlassenen Höfe möglichst wieder zu besetzen.

Einem nach Heegaard zitierten Grundbucheintrag aus dem Jahr 1682 zufolge, umfasste die Gemeinde Gunderslev zu diesem Zeitpunkt 50 Höfe, 28 Häuser mit Land und drei Häuser ohne Land. Zur Fläche zählten weiterhin ca. 1207 Morgen Kultur- sowie eine unbestimmte Fläche an Weideland.[8]

Trotz der genannten Umstrukturierungsprozesse kam es seitens des Adels und der vermögenden Bürgerschaft zu unkontrollierten Landkäufen, denen zum Teil ganze Ortschaften zum Opfer fielen. Laut Heegaard wurden in den Jahren zwischen 1525 und 1774 etwa 125 Dörfer mit einer Größe zwischen drei und sieben Höfen aufgelöst.[9] Die Hälfte der Auflösungen erfolgte auf Sjælland, etwa ein Drittel in Jütland und weniger als ein Zehntel auf Fünen. Die durchschnittliche Größe der auf Sjælland aufgegebenen Ortschaften lag bei 6,9 Höfen. Von 1660 bis 1730 wurden allein auf Sjælland an die 70 Höfe strukturell verändert.[10]

Um den weiteren Verlust an Bauernstellen und Dörfern entgegenzuwirken, erließ Frederik IV. (1699–1730) mehrere Dekrete. In einem Erlass vom 16. März 1725 heißt es:

„[…] dass der König mit großem Missfallen erfahren hat, wie einige Eigentümer ohne königliche Erlaubnis unternommen haben, bäuerliche Höfe zu zerstören und das Land zum Anbau ihres Sitzes zu nutzen. Dies sei sehr schädlich für das Land, da es nicht ausreichend mit Einwohnern besiedelt sei, sodass die für die Landmiliz benötigten Arbeitskräfte nicht herangezogen werden könnten.“[11]

Im selben Jahr erwarb Carl Adolph von Plessen das Gut in Gunderslevholm. Plessen selbst galt als überzeugter Befürworter der Großlandwirtschaft. Zu Gunderslevholm gehörten zu diesem Zeitpunkt etwa 52 Morgen Land und ca. 27 Morgen Wald. Hinzu kamen die Flächen von dem 1649 geschlossenen Dorf Gunderslevmagle, welche insgesamt 51,3 Morgen betrugen.[12]

Bereits sechs Jahre nach Übernahme des Gutes, im Jahr 1731, erhielt Plessen einen Zuspruch seitens der Krone, der ihm die Aufgabe weiterer Bauerstellen gewährte und zu einem exponentiellen Wachstum seines Grundbesitzes führte. Die Bewilligung räumte Plessen das Recht ein, diverse Höfe in den Städten Forslev, Kastrup, Tokkerup und Rejnstrup zu schließen und in seinen Besitz einzugliedern. Das Resultat war eine Vervielfachung des Gunderslevholmer Hartkorns um 80 %. Plessen Landbesitz umfasst nunmehr etwa 187 Morgen Hartkorn sowie etliche Wald- und Grünflächen.[13]

Die Vergrößerung der Plessenschen Besitztümer zeigte sich auch in der Bevölkerungsstruktur des Gunderslevholmer Kirchspiels: Während im Jahr 1700 noch 78 Ehepaare in der Gemeinde gezählt wurden, stieg die Zahl im Jahr 1771 auf 86 Paare an, was einem Wachstum von 10,25 % entspricht. Im Jahr 1700 zählte Gunderslevholm insgesamt 41 Bauern und 35 Haushalte. Siebzig Jahre später gab es nur noch 28 Landwirte und 46 Haushalte in der Gemeinde Gunderslev. Infolge der Hofschließungen verringerte sich die Zahl der Bauern somit um 31,7 %, während die Zahl der Haushalte um 31,4 % anstieg.[14]

Kirche

In unmittelbarer Nähe zum Herrenhaus befindet sich die Gunderslev Kirche (Abb. 64). Das Gebäude war ursprünglich Teil des Dorfes Gunderslevmagle, welches mit der Errichtung des örtlichen Gutes aufgelöst wurde. Die Kirche selbst wird erstmals um 1370 im bischöflichen Grundbuch Roskildebispens Jordebog urkundlich erwähnt und im Jahr 1483 Teil des benediktinischen Klosters St. Peder (Skovkloster) in Næstved. Christoffer Gøje erhielt am 18. April 1580 nachweislich das Patronatsrecht, welches bis 1980 Bestand hatte und die sakrale Ausstattung maßgeblich beeinflusste.[15]

Die Wurzeln des Gebäudes reichen weit bis in das 13. Jahrhundert zurück. Ursprünglich handelte es sich um einen romanischen Bau. Die Kirche bestand damals lediglich aus einem Langhaus mit Chor und einer abschließenden Apsis, wobei die Länge des Gebäudes vermutlich gerade einmal 16 m betrug.[16] Damals schloss die Kirche im Inneren noch nach oben mit einer einfachen Balkendecke ab. Die romanische Gebäudestruktur ist heute nur noch teilweise erkennbar. Erhalten haben sich etwa die Mauern des Kirchenschiffes, des Chors und der Triumphwand, die aus Feld- und Quadersteinen errichtet sind. Die ehemaligen Fenster- und Türlaibungen sind entweder gar nicht oder nur fragmentarisch erhalten geblieben. Zwischen 1450 und 1525 wird der romanische Kern der Kirche um fünf weitere Anbauten ergänzt. Das Gebäude wurde dabei um zwei Querschiffe, einen Turm sowie eine Sakristei und eine Vorhalle erweitert und der Chor nach Osten hin um ein weiteres Joch verlängert. Die Mauerwerke bestehen größtenteils aus Ziegeln, den sogenannten Munkesten sowie Feld- und Quadersteinen. Die bis dahin bestehende Balkendecke wich im Zuge der Baumaßnahmen zeitgemäßen Gewölbekonstruktionen.[17]

Umgeben von einer kleinen Mauer und einem Friedhof zeigt sich die Kirche von Gunderslev heute in Gestalt einer weiß getünchten Kreuzkirche auf kreuzförmigem Grundriss, die nach oben mit rote gedeckten Satteldächern abschließt. Ihr äußeres Erscheinungsbild wird durch eine zurückhaltende Fassadengestaltung bestimmt. Wie bereits erwähnt ist die Kirchengeschichte durch eine Vielzahl von Veränderungen geprägt, die deutlich in der Architektursprache der Außen- und Innenraumgestaltung zu erkennen sind. So sind beispielsweise im Sockelbereich immer wieder die Feld- und Quadersteine zu erkennen. Die Fassade ist unterhalb der leicht vorkragenden Traufzonen der Satteldächer partiell mit Treppen- und Rundbogenfriesen versehen. Besonders prägnant sind die mit diversem Blendwerk gezierten Treppengiebel – etwa am Turm oder den Giebeln der Querhäuser. In den Fassadenfeldern ruhenden Fensterblenden zeigen sich unter anderem spitz- und rundbogig als paarweise angeordnete Lanzetten oder Okuli.

Der Zugang erfolgt von Westen über eine maskingotiske (neogotische) Eingangstür. Zwei Stufen führen in das Kircheninnere. Die schlichte Turmhalle schließt nach oben mit einem Kreuzgewölbe ab und ist beidseitig mit Nischen versehen, in denen sich drei Alabasterfiguren[18]befinden. Die Figurengruppe war einst Teil eines künstlerisch ausgearbeiteten Epitaphs, welches um 1590 entstanden ist und nach einem Sturz im 18. Jahrhundert nur noch fragmentarisch existiert.[19] Heegaard und Jørgensen weisen in ihrem Textbeitrag zur Gunderslevkirke darauf hin, dass die Entstehung des Epitaphs aufgrund seiner künstlerischen Ausfertigung im engen Zusammenhang mit den sogenannten Alabastermeistern stehen muss. Ähnlich charakteristische Arbeiten sind zu dieser Zeit auch aus anderen Teilen Dänemarks bekannt. Im Zusammenhang mit dem Gøye Epitaph werden hier die Namen zweier niederländischer Meister, Jacob van der Borch und Johan Gregor van der Schardt genannt.[20]

Von der Turmhalle aus führen zwei weitere Stufen in das zum Chor hinabfallende Kirchenschiff. Die Ausgestaltung des sakralen Innenraums wird dabei maßgeblich durch die Umbauarbeiten des 15. und 16. Jahrhunderts sowie die Patronatsherrschaft bestimmt. Das Langhaus wird durch vier Spitzbogenfenster erhellt. Der Weg bis zur Vierung wird auf beiden Seiten durch ein hölzernes Kirchgestühl flankiert, das etwa auf 1584 datiert wird. Die Wangen der Bänke sind mit kannelierten toskanischen Pilastern verziert und mit einem Dreiecksgiebel versehen. Der Giebelschmuck umfasst gezackte Leisten sowie eine leicht profilierte Halbrosen, die das Giebelfeld vollständig ausfüllen. Die einzelnen Wangen werden durch einfache Türen voneinander getrennt. Lediglich die Türen der ersten beiden Reihen sind ornamental gefasst. Sie stammen wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert (Abb. 65).[21] Rechtsseitig der Vierung schließt sich das südliche Querschiff, die sogenannte Holløse-kirken[22] an, welches optisch durch einen spitzbogigen Durchgang vom Langhaus getrennt wird. Im Gegensatz zum Rest des Gebäudes, welches mit Kreuzgewölben versehen ist, findet sich hier ein zeitgenössisches Sternengewölbe. Diese besondere Gestaltungsweise hängt mit der Bedeutung des Raumes zusammen, der etwa 200 Jahre als Grabkapelle der Herrschaft Gunderslevholms diente, ehe die Gebeine in den 1850er Jahren in die darunterliegende Krypta überführt wurden. Das südliche Querschiff wurde 1945 renoviert. Seither ist die letzte Ruhestätte des Gutsbesitzers Peter Johansen Neergaard und seiner Frau.[23] Zur Ausstattung gehören ein hölzernes Epitaph des Gemeindepfarrers Mikkel Petersen und seiner Frau Katharina Nielsdatter Hjorth[24]sowie zwei Grabplatten[25]aus rötlichem Kalkstein.

Das nördliche Querschiff ist unterdessen vom Kirchenraum aus nicht zugänglich. In der vermauerten, spitz zulaufenden Bogenstellung steht heute die Orgel.[26] Ursprünglich befand sich hier der Sitz des Gunderslevholmer Adels. In den Berichten des Pfarrers aus dem Jahr 1755 ist von einer Treppe zum Herrenstuhl zu lesen. Die Patronatsloge war etwa 1,50 m über dem Boden angebracht und so positioniert, dass diese über einen separaten Eingang in der Nordkapelle zugänglich war.[27] Leider wurde diese noch vor 1862 entfernt und die Bogenstellung geschlossen. Der dahinterliegende Raum wird von einer achtteiligen Kreuzgewölbedecke überdacht und als Kapelle genutzt. Ursprünglich beherbergte das nördliche Querschiff wohl das Epitaph von Christoffer Gøye und Birgitte Bølle. In den Boden der Kapelle eingelassen, befanden sich des Weiteren die Grabplatten von Christoffer Gøye und Birgitte Bølle (Abb. 66, 9) sowie des Landvogtes von Tryggevælde, Engelche de Bülow.[28] Im Jahr 1982 fand man unterhalb der Kapelle zwei erhaltene tonnengewölbte Grabkammern, deren Wände mit mittelalterlichen Fresken versehen sind.[29]

In der rechten Ecke der Vierung befindet sich eine geschnitzte, mit Knorpelwerk versehene barocke Kanzel (Abb. 67), die anhand einer Inschrift auf das Jahr 1635 datiert werden kann. Sie stammt wahrscheinlich aus der Werkstatt von Abel Schrøder.[30] Der figürlich gestaltete Kanzelfuß zeigt sich als Mosesfigur (Abb. 68). In seinen Händen trägt er die Gesetzestafel. Sowohl die Tafel als auch der Kanzelkorb sind mit Bibelversen in goldenen Lettern verziert. Der Korb ist reich an detaillierten Ornamentschmuck und figurinen Schnitzarbeiten. Auf kleinen Postamenten stehen sechs Figuren, die Christus mit der Weltkugel, die vier Evangelisten und Paulus darstellen. Die dahinterliegenden ornamental gefassten großen Tafeln sind mit figürlichen Reliefs geschmückt und stellen Szenen aus dem Leben Christi dar. Der siebeneckige hölzerne Schalldeckel (Abb. 69) wird von einer umlaufenden leichten Bordüre begleitet. Das Innere des Deckels ist mit einem Sternenhimmel versehen. Auf ihm liegt ein siebenseitiges filigran geschnitztes Feld, das mit der Figur einer fliegenden Taube besetzt ist. Das hervorkragende Gebälk des Schalldeckels wird durch eine abwechselnde Formation von Engelsfiguren und den Wappen der Familien Urne, Grubbe, Gyldenstjerne und Rud bekrönt.[31]

In Richtung Osten schließt sich nun der zweijochige Chorraum (Abb. 70, 73) an. Deutlich zu erkennen ist in diesem Bereich die architektonische Schnittstelle zwischen dem ehemaligen Chor und dem im 16. Jahrhundert angefügten Anbau. Der gesamte Altarraum wird hier von zwei ungeraden Kreuzgewölben überspannt. Noch vor der Schranke befindet sich ein hölzern gefasstes barockes Taufbecken (Abb. 71) aus der Werkstatt Schrøders. Ähnlich wie die Kanzel wird auch diese Arbeit durch die reiche Knorpelwerkverzierung bestimmt. Über einem mit Puttenköpfen und ornamentalem Dekor versehenen balusterförmigen Schaft ruht ein oktogonal angelegtes Becken, dessen Seiten mit diversem Schnitzwerk, unter anderen Engel mit Passionswerkzeugen, verziert sind. Zu dem Becken gehören zwei Zinnschalen, die nach den Gravierungen um 1666 entstanden sein müssen. Die größere der beiden Schalen hat einen Durchmesser von 76 cm und ist mit christlichen Figuren besetzt.[32] Über dem Becken hängt der dazugehörige oktogonale glockenförmige Deckel, der das Taufwasser in früheren Zeiten vor Verunreinigungen schützen sollte. Dieser ist auf der Unterseite mit einer Dreifachrosette versehen. Die durchbrochene Krone ist Knorpelwerk, Engelsköpfen und einer sitzenden Taube versehen. Links neben dem Becken, in einer halbrunden Nische, steht eine aus Alabaster gefertigte Caritas Skulptur (Abb. 72), die etwa um 1600 entstanden ist.

Hinter dem Taufbecken trennt die eingelassene hölzerne Schranke (Abb. 73, 70) das Presbyterium vom „weltlichen Teil“ der Kirche. Auch sie stammt vermutlich aus der Werkstatt des aus Næstved stammenden Künstlers Schrøder und ist auf das 17. Jahrhundert zu datieren.[33] Die Anlage selbst besteht aus zwei wandfesten Teilen und einer Flügeltür. Vor dem Türrahmen stehen zwei kräftige korinthische Säulen, die auf mit Knorpelmasken verzierten Postamenten ruhen. Der untere Bereich des Säulenschaftes ist mit dekorativem Ornamentwerk sowie eine männlichen (linksseitig) und einer weiblichen Figur (rechtsseitig) geschmückt. Die sich beidseitig anschließenden Brüstungsplatten sind reliefiert und mit weiblichen Schnitzfiguren besetzt. Den in den Sockeln zu findenden Inschriften ist zu entnehmen, dass es sich dabei um die Darstellung der christlichen Tugenden Sanftmut (liberalitas), Demut (humilitas), Güte (benignitas), Keuschheit (castitas), Bescheidenheit (sobrietas) und Fleiß (sedulitas) handelt. Wie dem Eintrag zur Gunderslev Kirke zu entnehmen ist, waren die Freiflächen oberhalb der Brüstung vermutlich mit zwölf gedrehten Säulen ausgefüllt.[34] Das sich über den Seitenteilen erhebende Gebälk setzte sich ursprünglich über die Säulen hinaus fort und rahmte somit auch die Flügeltür ein. Es wird durch Skulpturen der Propheten Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Daniel sowie die Wappenschilde der Familien Urne und Gyldenstjerne bekrönt. Ein im Jahr 1895 befestigtes Kruzifix wurde an die Nordwand des Altarraums versetzt.[35] Das aus Eichenholz gefertigte alte Chorgestühl aus dem 16. Jahrhundert findet sich heute im südlichen Querschiff.

Hinter der Chorschranke erstreckt sich ein Presbyterium mit geradem Chorschluss, welches nördlich um eine Sakristei ergänzt wurde. Im Boden des fensterlosen Altarraums sind die Grabplatten von Anders Ebbesen und Mette Gøyes eingelassen. Den Kulminationspunkt des Raumes bildet der Altar (Abb. 74).[36] Dieser besteht aus einem gemauerten und weiß getünchten Altartisch und einem plastisch gearbeiteten hölzernen Retabel im Knorpelstil und stammt wie der Großteil des Interieurs aus der Werkstatt Schrøders.

Der Altaraufsatz kann in drei Zonen unterteilt werden. Die unterste Zone wird durch ein kleines Ölgemälde bestimmt, welches die Szene des letzten Abendmahls Christi zeigt. Das Gemälde wird beidseitig von Schnitzarbeiten flankiert. Auf dem sich darüber erhebenden Sockel sitzen zwei Putten, die als Trägerfiguren fungieren und die Wappen der Familien Urne und Gyldenstjerne präsentieren. Zentrales Thema des Mittelteils bildet ein weiteres, größeres Altarbild. Das Werk, ganz in manieristischer Manier[37], stellt die Kreuzabnahme dar. Die oval angelegte Szene erhebt sich über einen schwarzen Hintergrund und wird von einem t-förmigen, leicht profilierten Rahmen und korinthischen Säulen auf hohen Postamenten geziert. Im Hintergrund sind neben kannelierten Pilastern, figurale und ornamentale Ausschmückungen erkennbar, die sich in diesem Teil des Retabels konvex nach außen wölben. Der über dem Gemälde liegende Fries ist mit goldenen Inschriften versehen. Mittig über dem Ölgemälde prangt in goldenen Lettern ein alttestamentarischer Bibelvers aus Jesaja 53,5: „Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünden willen zerschlagen.“ Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Begleitet wird der Vers von den Worten anno 1640, die uns einen Hinweis zur Entstehungszeit des Aufsatzes geben. Das Gebälk schließt mit einem filigran durchbrochenen Gesims ab. Darüber erhebt sich die letzte, dritte Zone des Retabels. Der Mittelteil zeigt Christus mit dem Siegesbanner. Die Szenerie wird durch den angebrachten Ornamentschmuck und Plastiken der vier Evangelisten komplementiert. Der sich anschließende Giebelbogen, dessen Feld vollständig von einem Cherubskopf ausgefüllt ist, wird von einer Figurengruppe gekrönt, die sich aus einem Totenkopf zwischen zwei halb liegenden Putti zusammensetzt.

Hans Jørgen Heegaard, Gunderslevmagle: Forslag til en mulig placering af huse og gårde, in: Heegaard/ Jørgensen 2002, S. 17.
Abb. 62: Heegards Rekonstruktionsversuch des Dorfes Gunderslevmagle
Gunderslevholm Gods 1498, in: Erichsen/ Pedersen 2004, S. 176.
Abb. 63: Gunderslevholm und Pertinenzen im Jahr 1498
Gunderslevholm, Kirche, ©Jörg Hartleib
Abb. 64: Die Gunderslev Kirche

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Einzelnachweise
  1. Vgl. Nielsen 2005, S. 19.
  2. Vgl. Heegaard 2002, S. 17.
  3. Vgl. https://www.erih.de/wie-alles-begann/industriegeschichte-europaeischer-laender/daenemark, (08.07.2024).
  4. Vgl. https://www.danskeherregaarde.dk/historie/herregaard-og-gods, (07.05.2024).
  5. Erichsen/ Pedersen 2004, S. 176.
  6. Erichsen/ Pedersen 2004, S. 176.
  7. Heegard 2002, S. 9.
  8. Vgl. Heegaard 2002, S. 13.
  9. Vgl. Heegaard 2002, S. 9.
  10. Vgl. Heegaard 2002, S. 9.
  11. Heegaard 2002, S. 11.
  12. Vgl. Heegaard 2002, S. 13.
  13. Vgl. Heegaard 2002, S. 13.
  14. Vgl. Heegaard 2002, S. 13.
  15. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024).
  16. Vgl. Jørgensen 2005, S. 29.
  17. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024).
  18. Im 16. Jahrhundert wurde die dänische Kunstgeschichte stark von niederländischen Künstlern beeinflusst.
  19. Vgl. Heegard 2002, S. 82 ̶ 83; Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024), S. 1022 ̶ 1023.
  20. Vgl. Heegard 2002, S. 86 f.
  21. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024), S. 1022.
  22. Jørgensen 2005, S. 30.
  23. Vgl. Jørgensen 2005, S.31.
  24. Das Gemälde (Öl auf Leinwand, 132 × 132 cm) zeigt das kniende Paar; er mit einem Buch, auf dessen Einband HMPS steht (Herr Mikkel Petersen). Om Hintergrund ist die Auferstehung Christi zu sehen.
  25. Vgl. Nationalmuseet, Antikvarisk-topografisk arkiv, Notesbøger: H.XII.44,49. H.P.XII.104 f, C.A. Jensen: Yderligere beskrivelser af gravminder, S. 2-4.
  26. Vgl. Jørgensen 2005, S.34.
  27. Vgl. Heegard 2002, S. 78.
  28. Vgl. Jørgensen 2005, S. 31.
  29. Vgl. Heegard 2002, S. 79 f.
  30. Vgl. Jørgensen, 2005, S. 33.
  31. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024), S. 1021 ̶ 1022.
  32. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024), S. 1018 ̶ 1020.
  33. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024), S. 1023.
  34. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024), S. 1020.
  35. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024), S. 1021.
  36. Das Altarsilber umfasst mehrere Gegenstände die zum Teil bis in das 16. Jahrhundert zurückreichen. Außerdem zwei Altarvorhänge und zwei Messgewänder aus dem 17. Jahrhundert.
  37. Vgl. http://danmarkskirker.natmus.dk/uploads/tx_tcchurchsearch/Soroe_1011-1029.pdf, (12.02.2024), S. 1016.