Gunderslevholm/07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
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Auch wenn die Wurzeln Gunderslevholms weit bis in das Mittelalter zurückreichen, so ist die Geschichte des Herrenhauses jüngeren Ursprungs. Es war Carl Adolph von Plessen (1678–1758), Hofmarschall, Oberkämmerer und Geheimer Rat am Dänischen Hof, der hier im Jahre 1729 ein repräsentatives Herrenhaus errichten ließ. Auf einer künstlich geschaffenen Aufschüttung, die den Blick über den Fluss hinweg in die umliegende Kulturlandschaft freigibt, erhebt sich das Gunderslevholmer Herrenhaus (Abb. 28). Das in Massivbauweise ausgeführte Gebäude wurde dabei als längs gerichteter Solitärbau konzipiert und ist neun Achsen lang und drei Achsen breit. Über einem Souterrain erhebt sich ein zweigeschossiger, weiß getünchter Putzbau, welcher nach oben mit einem ziegelgedeckten Walmdach abschließt, aus dessen Dachfirst zwei Schornsteinköpfe heraustreten. Besonders kennzeichnend sind die dezent hervortretenden, dreiachsigen Mittelrisalite, die sich sowohl an der Hof- als auch an der Gartenseite des Hauses wiederfinden und von einem Frontispiz bekrönt werden. Bis dato ist nicht bekannt, welcher Architekt sich hinter der Gestaltung der Anlage verbirgt; es kann allerdings nicht ganz ausgeschlossen werden, dass es sich um niemand Geringeren als den dänischen Hofbaumeister Johan Conrad Ernst (1666–1750) handelte. Nicht nur Plessens Nähe zum Hof spräche für diese Annahme. Jens Fleischer, dänischer Kunsthistoriker und Autor, weist in seiner erstmals 1982 veröffentlichten Publikation Sjælland. Steder, personer, historie[1]auf die Verbindung zwischen Ernst und Gunderslevholm hin. Johan Conrad Ernst, der von 1693 bis 1735 als königlicher Hof- und Stadtbaumeister und zwischen 1716 und 1735 als Generalbaumeister in Kopenhagen wirkte, stand ähnlich dem königlichen Geschwisterpaar Carl und Sophie Hedevig sowie Plessen selbst, der Regierung Frederik IV. kritisch gegenüber. Auffallend ist laut Fischer daher, dass Ernst gerade aus diesen genannten Kreisen zwei Bauaufträge erhielt, bei denen es sich um die Umgestaltungen von Vemmetofte (1714–1721) und Jægerspris (Abb. 29) (1730–1732) (https://kongfrederik.dk/slottets-historie/) handelte.[2] Auch wenn zur ursprünglichen barocken Gestaltung des Herrenhauses keine bildlichen Darstellungen oder schriftliche Quellen überliefert sind, so folgte man in Gunderslevholm stilistisch betrachtet einem im Ostseeraum bekannten Bautypus, der sich auch an anderen Häusern, wie beispielsweise im lettischen Īvandes zeigt (Abb. 30). Ausschlaggebend für diese, fast schon als uniformierte zu bezeichnende Gestaltungsweise, war laut Sabine Bock ein zu Beginn des 18. Jahrhunderts einsetzendes Bestreben der Besitzarrondierung und Effektivierung der landwirtschaftlichen Produktion, dessen wesentliches Element die Verkoppelung darstellte.[3] Unter Einbehalt der barocken Grundform weist die Fassade des Gebäudes überwiegend klassizistische Elemente auf, die aus einem Umbau im Jahre 1787 resultierten. Die Sprossenfenster des Hauses sind zu allen Seiten mit aus Sandstein gefertigten kannelierten Sohlbänken und schlichten Rahmungen versehen, wobei die Fensterstürze in den Risaliten Schlusssteine aufweisen. Überhaupt tritt die eher dezent gehaltene Fassadengestaltung des Gebäudes lediglich im Bereich der Mittelrisalite optisch stärker hervor. Die mittlere Hauptachse der Längseiten wird an der Ost- und Westfassade durch ein geschossübergreifendes Sandsteindekor bestimmt. Ein umlaufender Zahnschnittfries betont die Traufzone des Hauses und findet sich auch im Schräggeison des Dreiecksgiebels wieder. Die nach Westen ausgerichtete Hofseite (Abb. 31) zeigt sich wie folgt: die zweiflügelige, klassizistische Füllungstür wird von einer leicht profilierten Rahmung begleitet. Die Fassade wird oberhalb der Tür durch ein abgestuftes Gebälk mit Zahnschnitt-Fries geschmückt, welches auf zwei schmalen und gekerbten Volutenkonsolen ruht. Darüber erhebt sich eine in das Mauerwerk eingelassene Inschriftentafel, die beidseitig von stilisierten Sandstein-Ornamenten (Ordenskette?) flankiert wird. Die Tafel (Abb. 32) gibt derweil Auskunft zu den Bauherren, deren Rang am dänischen Hof und den wichtigsten Bauphasen. In großen goldenen Lettern steht geschrieben: „HERR CARL ADOLPH VON PLESSEN RIDDER AF ELEPHANTEN HANS KONGEL: MAJESTET HOŸ BETROEDE GEHEIMERAAD OG OBERKAMMER HERRE ŸHAVER OPBŸGGET DETTE HUUS 1729. OG HERR CARL ADOLPH VON PLESSEN RIDDER AF DANNEBROG HANS KONGEL: MAJESTÆT HOŸ BETROEDE KAMMERHERRE HAVER FOR NŸETOG FORBEDRET SAMME 1787.“ Der sich über dem Mittelrisalit spannende Dreiecksgiebel zeichnet sich an der Hofseite primär durch sein auffälliges Tympanon aus, welches sich durch ein Uhrwerk und ein integriertes Glockenspiel (Abb. 33) gestaltet ist. Da es sich bei der Ausschmückung um eine Arbeit aus dem Jahre 1950 handelt, ist anzunehmen, dass das Giebelfeld ursprünglich anderweitig gestaltet war. Es wäre denkbar, dass es sich bei der Füllung ursprünglich um ein Wappen oder ein Relief handelte. Die nach Osten ausgerichtete Gartenseite (Abb. 34) des Gunderslevholmer Herrenhauses zeigt im Bereich der Mittelachse einige Unterschiede. Oberhalb der Freitreppe, die mit einem schmiedeeisernen Geländer versehen ist, findet sich eine mit Glasfenstern versehene hölzerne Flügeltür. Die Tür wird von einem leicht akzentuierten Sandsteinrahmen eingefasst, in dessen oberen Ecken „ANNO 1729“ zu lesen ist. Die oberhalb der Tür eingelassene Sandsteintafel (Abb. 35) ist nachträglich eingefügt worden. Auf ihr ist deutlich zu lesen: „R de N RENOV. MCMLIV“ Dies weist auf die Renovierungsarbeiten Rolf de Neergaards im Jahre 1954 hin. Ähnlich der Westfassade ruht auf zwei Volutenkonsolen ein abgestuftes Gebälk mit Zahnschnitt-Fries. Das Fenster oberhalb des Gebälks ist auf der Gartenseite zusätzlich mit einem kleinen französischen Balkon versehen, welcher ein schmiedeeisernes Gitter besitzt. Der Tympanon des Dreiecksgiebels ist unterdessen leer und lässt keine Bearbeitung erkennen. |
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Einzelnachweise |
- ↑ Fleischer 1982.
- ↑ Vgl. Fleischer 2020, auf https://books.google.de/books?id=ciAVEAAAQBAJ&pg=PT248&dq=J.C.+Ernst+arkitekt+Gunderslevholm&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwjvt8HIyqGIAxUt-gIHHULtEREQ6AF6BAgMEAI#v=onepage&q&f=false, (15.08.2024).
- ↑ Vgl. Bock 2017, S. 331-336.