10. Wirtschaftsanlage
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Gesamtanlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park im 18. Jahrhundert
- 10. Wirtschaftsanlage
- 11. Kirche und Dorfstrukturen
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Geophysikalische Prospektion und digitale Dokumentation
- 14. Quellen- und Literaturverzeichnis
ÜberblickDer Gutsbetrieb in Nuhjala ist über Jahrhunderte gewachsen und entsprechend wurden je nach Notwendigkeit neue Wirtschafts- und Nebengebäude errichtet und wieder abgerissen, ohne dass die Anlage dabei einem regelmäßigen Plan folgte.[1] Diese gewachsene Form ist bereits auf der Karte von 1798 ersichtlich (Abb. 8), die als einzig bekannte Zeichnung den Gebäudebestand von Nuhjala im späten 18. Jahrhundert darstellt.[2] Viele Nebengebäude in Nuhjala sind in traditioneller Holzbauweise aus Vollholzstämmen errichtet, wie sie in Finnland (und ganz Skandinavien) seit dem Mittelalter vorherrschte, sodass – in weitgehender Ermangelung von Schriftquellen – das Alter einzelner älterer Wirtschaftsgebäude in Nuhjala näherungsweise nur über dendrochronologische Untersuchungen bestimmt werden könnte.[3] Nebengebäude am Haupthof
Weitere Nebengebäude der GutsanlageDie genauen Funktionen der verzeichneten Wirtschaftsgebäude gehen aus der Karte von 1798 nicht hervor (Abb. 8). Die Nebengebäude stehen ungeordnet in weiterem Abstand zum Haupthof der Gutsanlage und erfüllten vermutlich alle notwendigen Funktionen eines damaligen Gutsbetriebs: Unterkünfte für Angestellte und eventuell Saisonarbeiter, Ställe für verschiedene Tiere (vermutlich Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Geflügel),[15] Remisen für Fahrzeuge, eine abseits gelegene Schmiede sowie ein eventuell bauzeitlicher Eiskeller, Lager und Speicher für die Ernte (belegt sind im Schätzungs- und Vermessungsprotokoll von 1770 Roggen, Weizen, Gerste, Hafer und Erbsen).[16] Die Wirtschaftsgebäude des 18. Jahrhunderts sind heute teilweise verschwunden oder wurden durch Neu- und Zubauten (auch an anderer Stelle) ersetzt, wie man auf dem Lageplan von 1924 (Abb. 11) im Vergleich mit der Karte von 1798 ersehen kann. Getreidespeicher (17./18. Jahrhundert)Der Getreidespeicher am Weg zum Sund ist möglicherweise das älteste erhaltene Gebäude der Gutsanlage (Abb. 101, 102, 103), denn laut dem Inventar der Denkmalpflege, wurde der Bau schon Mitte des 18. Jahrhunderts als ‚alter Schuppen‘ bezeichnet, [17] sodass er möglicherweise bereits aus dem späten 17. Jahrhundert stammt. Er ist in jedem Fall auf der Karte von 1798 eingetragen. Es handelt sich um einen schlichten zweistöckigen Holzbau in Blockhausbauweise, der über Fundamentsteinen in den Ecken auf Rahmenhölzern errichtet wurde. Drei Seiten sind mit einer horizontalen Verschalung aus nicht maschinell bearbeiteten Brettern versehen (Abb. 104). Die ‚Schauseite‘ hat eine vertikale Verschalung und enthält die einzigen zwei Zugänge in den unteren und oberen Speicherraum. Von den relativ kleinen Öffnungen ist die obere Holztür mit gestalterischem Anspruch mit einem Rautenmuster gefertigt, während die untere aus vertikalen Brettern mit den originalen schmiedeeisernen Beschlägen der Zeit überdauert hat (Abb. 105). Eiskeller (eventuell 18. Jahrhundert)Nördlich vom Herrenhaus steht teilweise im Hang der aus massiven Steinblöcken errichtete Eiskeller der Gutsanlage (Abb. 106, 107). Die Möglichkeit, Speisen im Sommer mit geschnittenen Eisblöcken aus dem Eiskeller zu kühlen, erleichterte bis zur Erfindung des Kühlschranks die Haushaltsführung auf einem herrschaftlichen Anwesen. Daher könnte der Eiskeller nach Einschätzung der Denkmalpflege zur gleichen Zeit wie das neue Herrenhaus entstanden sein;[18] allerdings ist der Bau nicht auf der Karte von 1798 eingetragen. Der kleine Eiskeller besteht aus einem unteren Teil, der aus massiven Steinblöcken errichtet wurde und teilweise im Hang verschwindet, sowie einem hölzernen Aufbau mit (im 19./20. Jahrhundert erneuertem?) ziegelgedecktem flachen Satteldach (Abb. 108, 109). Wie man an den verbleibenden äußeren Türangeln sehen kann, gab es zum unteren Raum für die Eisblöcke ursprünglich eine doppelte Zugangstür, um die Kälte im Eiskeller zu halten. Nebengebäude (eventuell 18. Jahrhundert)Richtung Norden steht versetzt zum Haupthof noch ein weiterer langgestreckter eingeschossiger Holzbau in Blockhausbauweise auf Eckfundamentsteinen mit einem ziegelgedeckten Satteldach (Abb. 110, 111). Wenngleich die Denkmalpflege eine Errichtung im 18. Jahrhundert für möglich hält,[19] ist der Bau nicht auf der Karte von 1798 eingetragen (Abb. 8). Auf der Südseite sind sechs Zugänge mit Steinstufen angeordnet (Abb. 112), die vier Räume im Inneren erschließen, die sich bis unter das flache Satteldach erstrecken (Abb. 113). Jeweils gegenüber der sechs Zugänge findet sich an der Rückfassade (Abb. 114) ein Fenster mit verziertem Gewände als Holzrahmen ähnlich ländlich-russischer Bauformen (Abb. 115). Diese Details, die großteilige Fenstersprossung und die Dachdeckung mit Ziegeln könnten auf das (frühe) 19. Jahrhundert als Entstehungszeit hinweisen, wenn die Fenster nicht später eingebaut wurden. Als Nutzung wären wegen der Fenster wohl Unterkünfte für Beschäftigte anzunehmen,[20] wenngleich der Bau über die Zeiten teilweise als Speicher, Stall und Wäschemangel diente.[21] Schmiede (eventuell 18. Jahrhundert)Nach Auffassung der Denkmalpflege könnte das Gebäude aus dem frühen 18. Jahrhundert stammen, denn in Dokumenten aus der Zeit nach 1700 wird eine Werkstatt erwähnt.[22] Am heutigen Ort ist in der Karte von 1798 (Abb. 8) kein Gebäude verzeichnet, sodass diese frühe Datierung zumindest für das heute erhaltene Gebäude fraglich erscheint. Es handelt sich bei der Schmiede (Abb. 116) um einen eingeschossigen niedrigen Vollholzbau in der verbreiteten Blockhausbauweise mit zwei Fenstern (Abb. 117) und einer zweiflügeligen Zugangstür. Das heutige Ziegeldach ersetzt nach der Renovierung im Jahr 1994 ein älteres eingestürztes Schindeldach.[23] Bei der Renovierung des Inneren, das nur aus einem Raum bis zum Dach besteht, wurden auch die Esse und der Kaminabzug wiederhergestellt (Abb. 118).[24] Ebenso wurde dabei vermutlich die Wetterfahne mit der Jahreszahl 1764 auf dem gemauerten Schornstein angebracht (Abb. 119), die ursprünglich auf einer Scheune in Nuhjala befestigt war.[25]
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