12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Gesamtanlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06.00 Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 06.01 Claes Ekeblad d.Ä. und Hedvig Mörner
- 06.02 Claes Ekeblad d.J. und Eva de la Gardie
- 06.03 Claes Julius Ekeblad und Brita Horn
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08.00 Innenräume im 18. Jahrhundert
- 08.01 Erdgeschoss
- 08.02 Obergeschoss
- 08.03 Untergeschoss und Dachgeschoss
- 08.04 Sammlungen
- 09. Garten und Park
- 10. Wirtschaftsgebäude
- 11. Kirche und Dorfstrukturen
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Geophysikalische Prospektion und digitale Dokumentation
- 14. Quellen- und Literaturverzeichnis
Überblick |
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Vor der Mitte des 20. Jahrhunderts wechselte die Gutsanlage in Stola im 19. und frühen 20. Jahrhundert öfter die Hände: Anfänglich war Stola eine unter vielen Besitzungen der gräflichen Familie Piper, später der Grafen Hamilton. Im Jahr 1879 wurde Stola schließlich an Bürgerliche verkauft: In der Folge besaßen die Familien Lindqvist, Otterström und Ander die Gutsanlage.[1] In den Jahren 1928–1929 hat Alfred Nilson[2] (1888–1953) den Saal und weitere Räume in Stand gesetzt. Von 1948–1951 wurde das Herrenhaus durch den Architekten Erik Lundberg[3] (1895–1969) umgebaut und umfangreich restauriert, wobei man das Gebäude vor allem im Erdgeschoss an einen modernen Wohnkomfort angepasst hat. Diese Maßnahmen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts steht heute ebenfalls unter Denkmalschutz.[4] Seit 1989 sind das Herrenhaus und der denkmalgeschützte Gartenbereich im Eigentum einer vom letzten privaten Besitzer Holger Ander ins Leben gerufenen Stiftung.[5] |
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Besitzer nach dem 18. Jahrhundert |
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Weil der letzte Ekeblad, Claes Julius[6] (1742–1808) [Link zu 06.04], kinderlos verstarb, fiel die Gutsanlage in Stola im Jahr 1808 an einen seiner Neffen, Graf Gustaf Piper[7] (1771–1857).[8] Anfängliche Überlegungen für Renovierungen in Stola wurden von Piper wohl doch nicht ausgeführt,[9] denn er wohnte mit seiner Frau Jacquette Elisabeth Du Rietz af Hedensberg (1781–1816) auf anderen Besitzungen – er bevorzugt in Mariedal[10] (Abb. 34, 35), während seine Frau gerne in der nach ihr (um)benannten Villa Giacomina[11], der von Claes Julius errichteten Eremitage Jerneväg am Ufer des Vänern-Sees,[12] lebte. Aus diesem Grund ließ Gustaf Piper mit der Zeit bewegliches Inventar aus Stola dorthin oder in andere seiner Häuser verbringen und der Rest des Inventars von Stola wurde versteigert.[13] Das Herrenhaus stand leer; nur ein Inspektor wohnte in einem Mitte des 20. Jahrhunderts abgebrochenen Verwalterhaus.[14] Im 19. Jahrhundert waren weitere Angestellte des Gutshofes in den Flügelgebäuden untergebracht.[15] Von den vier Töchtern aus ihrer Ehe erbte Louisa Piper (1808–1879) Stola 1857 nach dem Tod ihres Vaters. Sie war wie ihre ältere Schwester Hedvig Charlotta[16] (1799–1882), genannt Jacquette, mit einem Grafen Hamilton verheiratet: Jacquette heiratete 1824 den Oberstleutnant Hugo Didrik Hamilton (1791–1876), während Louisa den Legationssekretär John David Hamilton (1794–1843) 1834 in der Villa Giacomina[17] ehelichte. Das Ehepaar Louisa und John David Hamilton bevorzugte zum Wohnen die Villa Giacomina gegenüber dem schon längere Zeit unbewohnten alten Herrenhaus in Stola.[18] Nach dem Tod von Louisa Hamilton (Piper) (1808–1879) wurde Stola im Jahr 1879 durch die Nachlassverwalter der Familie an Carl Johan Lindqvist (1834–1915)[19] aus Finnland verkauft.[20] Während Lindqvist mit seiner großen Familie im Verwalterhaus lebte,[21] veranlasste er ab 1880 erste Reparaturen am Dach und den Fenstern des Herrenhauses.[22] Ende des 19. Jahrhunderts interessierte sich die Öffentlichkeit zunehmend für das nationale kulturelle Erbe in Schweden und erkannte auch den historischen Wert der überlieferten Gutsanlagen. Sein Schwiegersohn, der Kammerherr[23] Arthur Wilhelm Otterström (belegt im 20. Jahrhundert), der mit Clara Lindqvist (*1879–?) verheiratet war, übernahm die Gutsanlage in Stola im Jahr 1908.[24] Er veranlasste umfangreichere Renovierungsarbeiten im Herrenhaus: Im Erdgeschoss wurden neue Böden verlegt und Kachelöfen eingebaut. Auch im Obergeschoss setzte man einige Räume in Stand und ergänzte historische Bemalungen.[25] Außerdem wurde bei den Renovierungen das barocke Deckengemälde im großen Speisesaal freigelegt.[26] Vielleicht ausgelöst durch den Tod seines Schwiegervaters verkaufte Otterström die Gutsanlage in Stola im Jahr 1916 an den Geschäftsmann Carl Ander (belegt im 20. Jahrhundert) und dessen Schwager Ernst Linge (belegt im 20. Jahrhundert). Edith Ander, geb. Linge (belegt im 20. Jahrhundert) war offenbar an Innenarchitektur und Herrenhäusern interessiert, starb jedoch vor Beginn des Restaurierungsprojekts.[27] Eventuell ausgelöst durch den Tod seiner Schwester verlor Linge das Interesse und überließ Carl Ander 1920[28] seine Anteile an Stola, sodass dieser nun alleiniger Besitzer der Gutsanlage war.[29] Ander veranlasste die erste gründliche Konservierung vor allem der Räume im Obergeschoss unter der Leitung des bekannten Restaurators Alfred Nilson[30] (1888–1953).[31] Sein Sohn Holger Ander, der mit Inger Blomberg (belegt im 20. Jahrhundert) verheiratet war, erbte die Gutsanlage 1947.[32] Im Auftrag der Eheleute versuchte der Architekt Erik Lundberg[33] (1895–1969) in den Jahren 1948–1951 im Herrenhaus den Eindruck der Räume im frühen und mittleren 18. Jahrhundert wieder herzustellen.[34] Lundberg richtete daher insbesondere das Obergeschoss (Abb. 172) als museale Etage eines privaten Wohnhauses ein,[35] während Stola als Privathaus vor allem im Erdgeschoss (Abb. 69) an einen modernen Wohnkomfort angepasst wurde.[36] |
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Das Herrenhaus nach dem 18. Jahrhundert |
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Abgesehen von der Abtragung der Flügelpavillons (Abb. 25) im 19. Jahrhundert stellt die größte Veränderung am äußeren Erscheinungsbild des 18. Jahrhunderts des Herrenhauses in Stola der Wechsel im Material der Dachdeckung dar: Die Deckung des Säteridachs bildeten anfänglich laut Quellen traditionelle Eichenschindeln, seit 1880 Dachziegel (Abb. 63) und seit der Restaurierung Mitte des 20. Jahrhunderts besteht das Dach aus gefalzten Kupferplatten mit vertikalen Stegen.[37] Dadurch wird das zeitgenössische Erscheinungsbild mit dunkelfarbigen Eichenschindeln insbesondere aufgrund der grünlichen Farbe des Dachs verändert. |
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Restaurierung durch Alfred Nilson 1928–1929 |
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In den Jahren 1928–1929 setzte der Restaurator Alfred Nilson[38] (1888–1953) einige Bereiche des Hauses hauptsächlich im Obergeschoss und dort vor allem den Saal in Stand. Diese Arbeiten sind laut Gullbrandsson relativ gut dokumentiert,[39] doch wurde dabei teilweise frei schöpferisch ergänzt, um ein gutes Gesamtbild zu erzeugen:[40] So erhielten beispielsweise die Decken beider Flurbereiche im Erd- und Obergeschoss (Nr. 1, 23) in Anlehnung an die Decke im Saal (Nr. 17) eine nicht nachgewiesene gemalte Kassettierung (Abb. 173), die heute wieder entfernt ist.[41] Bei der Wandbespannung im Saal (Nr. 17) war Nilson sogar gezwungen zu ergänzen, denn die Malereien waren mit Feuchteschäden, Rissen und fehlenden Teilen in einem sehr schlechten Zustand (Abb. 174). Der Gesamteindruck der Wandbespannung wird durch Nilsons vereinfachte Ergänzungen komplettiert ohne mit den originalen Partien in Konkurrenz zu treten (Abb. 101).[42] Die Arbeiten Nilsons führten zu einer Konservierung fast aller Räume im Obergeschoss des Herrenhauses.[43] |
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Umbau durch Erik Lundberg 1948–1951 |
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In den Jahren 1948–1951 griffen die Umbauten des Architekten Erik Lundberg[44] (1895–1969) und seines Mitarbeiters Ernst Auby[45] (1895–1968) zwar in denkmalpflegerisch-restauratorischer Absicht – jedoch ungeachtet des damit verbundenen Konservierungsgebots – stark in die Bausubstanz des historischen Herrenhauses ein. Wie Gullbrandsson zurecht bemängelt wurden diese Arbeiten außerdem nicht im erforderlichen Maß dokumentiert.[46] Erik Lundberg[47] (1895–1969) adaptierte vor allem das Erdgeschoss in Stola (Abb. 69) als moderne Wohnung für die Eheleute,[48] wobei die historischen Abmessungen der Räume allerdings weitgehend gewahrt blieben.[49] In den nördlichen ehemaligen ‚Versorgungs‘-Räumen (Nrn. 10–13) entstanden eine Küche mit Anrichte und Vorratsraum sowie ein Zimmer und Bad für Hausangestellte mit unabhängigem Zugang von außen.[50] Im Eingangsbereich (Nr. 1) wurde der Raum für den Kammerdiener des Grafen (Nr. 8) aus dem 18. Jahrhundert abgebrochen, wodurch die Sichtachse zwischen Portal und Garten wieder hergestellt war.[51] Zusätzlich ist innen ein verglaster Windfang vor dem historischen Eingangsportal errichtet worden.[52] In der südlichen Haushälfte nutzte Lundberg die vorhandenen Nebenräume (Nrn. 4, 5) und den ehemaligen Alkoven im Schlafzimmer des Grafen (Nr. 7) zum Einbau von WC-Räumen und einem Badezimmer. Außerdem ließ Lundberg sowohl die frei schöpferisch ergänzten Bemalungen Alfred Nilsons[53] (1888–1953) an Decken und Türen als auch die Tapeten und Holzvertäfelungen der Otterström-Zeit zu Gunsten von schlichten Oberflächen entfernen.[54] Das Obergeschoss (Abb. 172) hat Erik Lundberg[55] (1895–1969) als museale Etage eines privaten Wohnhauses aufgefasst: [56] So wurde eine aufwendige Fußbodenheizung verlegt, um den stilgerechten Eindruck der Räume nicht zu verfälschen.[57] Den größten Eingriff in die Bausubstanz stellt im Kabinett (Nr. 14) (Abb. 86) in der oberen Etage tatsächlich ein hinter einer leichten Trennwand eingebautes WC dar. Die Räume im Obergeschoss wurden als Museumsräume eingerichtet, teils mit didaktischer Absicht wie im Salon (Nr. 15) mit dem dreidimensionalen ‚Ehestilleben‘ Claes Julius Ekeblads[58] (1742–1808) und Brita Horns[59] (1745–1791) (Abb. 175), nach dem Aquarell von Lorentz Svensson Sparrgren[60] (1763–1828) (Abb. 47), teils mit (originalen) Möbeln aus der Zeit der wichtigsten Bewohner:innen wie etwa im Raum (Nr. 21) (Abb. 95, 96) dem 1839 verstorbenen Fräulein Ebba mit frühen Empiremöbeln.[61] Die von Hårleman umgestalteten Räume (Nrn. 16, 18, 19) (Abb. 89–94) erhielten – soweit möglich – mit Hilfe des Inventars von 1796 ihr (vermutetes) originales Aussehen zurück und Holger Ander bemühte sich stets – wie die Stiftung jetzt – um das Auffinden und die Rückgabe von Möbeln und anderen Objekten, die ursprünglich aus Stola stammten.[62] |
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Garten und Park nach dem 18. Jahrhundert |
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Auf Grund der Vernachlässigung im 19. Jahrhundert ist auf der amtlichen Landkarte von Sunnersberg[63] (um 1877–1882) (Abb. 17) mit einer relativ genauer Darstellung der Gutsanlage in Stola nichts mehr von den Erweiterungen des Gartens zu einem englischen Landschaftspark aus dem späten 18. Jahrhundert eingetragen. Vermutlich waren die Wegestrukturen durch die Vernachlässigung so stark verwildert, dass sie nicht mehr erkennbar waren, wobei kleinere Pfade auf der großmaßstäblichen Karte ohnehin nicht verzeichnet sind. Der Südgarten am Herrenhaus entspricht bis auf kleinere Veränderungen im Westen dem Zustand von 1728, aber der Bereich um das Hauptgebäude hat seine geometrischen Bepflanzungen offenbar verloren, was nicht verwundert, da das Herrenhaus länger nicht bewohnt war. Der unmittelbare Gartenbereich am Herrenhaus war schon seit der Bauzeit im 18. Jahrhundert wohl mit Pflanzen eingefriedet (Karte 1, Karte 2) (Abb. 10, 11). Ob die heute vorhandene Bruchsteinmauer um den Gartenbereich am Herrenhaus schon auf der oben genannten Landkarte von Sunnersberg[64] (um 1877–1882) (Abb. 17) des späten 19. Jahrhunderts eingetragen war, ist maßstabsbedingt nicht eindeutig zu erkennen. Westrin vermutet, die breite Trockenmauer aus Bruchstein sei – bis auf den Teil mit der Exedra – erst in den 1940er Jahren entstanden.[65] Allerdings könnte das Aufmaß aus dem Jahr 1931 (Abb. 26)[66] mit der Darstellung einer Einfassungsmauer einen Entstehungszeitraum vor 1931 nahelegen. Zusätzlich scheint bei der Errichtung lediglich die Form einer Exedra aus der ursprünglichen Gartengestaltung übernommen worden zu sein, denn der Durchmesser der heutigen Exedramauer ist kleiner, außerdem im gleichen Material und weitgehend in derselben Weise wie die übrige Trockenmauer errichtet (Abb. 176). Gullbrandsson vermutet dagegen, dass die Trockenmauer und die Torpfosten an der Durchfahrt zum Grundstück im Rahmen der Umbauarbeiten von Erik Lundberg[67] (1895–1969) in den Jahren 1949–1951 errichtet wurden.[68] Das erscheint plausibel, da es sich um größere Außenarbeiten handelt und eine schlichte Trockenmauer dem Geist der Zeit und des Entwerfers Lundberg entspricht. |
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Nebengebäude nach dem 18. Jahrhundert |
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Der Bestand an Wirtschafts- und Nebengebäuden der Gutsanlage hat sich aufgrund der Anforderungen der Bewirtschaftung über die Jahrhunderte gewandelt. Wirtschaftsbauten aus dem 18. Jahrhundert sind heute nicht mehr erhalten. Die amtliche Landkarte von Sunnersberg[69] (um 1877–1882) (Abb. 17) zeigt einige neue größere Scheunen und Stallgebäude in markanter Gestalt, die vor dem dritten Viertel des 19. Jahrhunderts errichten worden sein müssen, da sie auf der Karte eingetragen sind. Man kann diese Scheunen und Stallgebäude unverändert im Aufmaß aus dem Jahr 1931 (Abb. 26)[70] sehen. Bereits kurz darauf wurden sie offenbar abgerissen, denn ein großer Teil der heutigen Wirtschaftsgebäude über anderem Grundriss stammt aus den Jahren 1936 bis 1938 (Abb. 177).[71] Im Vergleich zum Aufmaß von 1931 hat das Gut einen leicht verringerten und veränderten Bestand an Wirtschafts- und Nebengebäuden. Die Gutsanlage in Stola hat – trotz des Verlusts der vier Flügelpavillone – viel von der ursprünglichen Gestalt aus dem 18. Jahrhundert bewahrt, wenngleich der Umbau und die Restaurierung des Architekten Erik Lundberg[72] (1895–1969) 1948–1951 den Charakter des Herrenhauses im Inneren insbesondere im Erdgeschoss verändert haben, während seine Arbeiten im Obergeschoss erheblich zur Erhaltung der historisch bedeutenden Raumausstattung beigetragen haben.
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