Innenausstatung und Sammlungen

From Herrenhäuser
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Einleitung

Ebenso wie Herrenhäuser in besonderer Weise ‚steinerne‘ Zeugen der Geschichte des Ostseeraums darstellen, bilden erhaltene Innenräume und Sammlungen dieser Gebäude die Lebensumstände der Bewohner in prägnanter Weise ab. Im Forschungsprojekt wurde neben der Architektur daher ebenfalls die feste und mobile Ausstattung von Herrenhäusern des 18. Jahrhunderts im Ostseeraum aus verschiedenen Ländern untersucht. Die im Forschungsprojekt untersuchten etwa 20 (?) Fallbeispiele lassen bezüglich ihrer festen und mobilen Ausstattung einige Rückschlüsse zu den Ausgestaltungen von Herrenhäusern des 18. Jahrhunderts im Ostseeraum zu. Zwar erlauben es die wenigen Beispiele nicht, in einem länderübergreifenden Vergleich der Ausstattungen und Sammlungen zu abschließenden Erkenntnissen zu gelangen,[1] doch ließen sich in den untersuchten Herrenhausbauten einige auffällige Gemeinsamkeiten feststellen, die der sprichwörtlichen Regel folgen, ohne dabei die ebenso vorhandenen Ausnahmen auszuklammern.

Hinsichtlich unverändert erhaltener Ausstattungen gibt es aufgrund der historischen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg unterschiedliche Voraussetzungen im westlichen und östlichen Ostseeraum: Während von Schleswig-Holstein (etwa Emkendorf, Schleswig-Holstein, 1743; [Link Emkendorf], Pronstorf, Schleswig-Holstein, 1716 [Link Pronstorf]) über Dänemark (Gunderslevholm, Dänemark, 1729 [Link Gunderslevholm]) bis Schweden (Christinehof, Schonen, 1737–1740 [Link Christinehof]; Österbybruk, Uppland, Schweden, 1763 [Link Österbybruk]; Stola, Västergötland, Schweden 1713–1719 [Link Stola]) und Finnland (Nuhjala, 1764 [Link Nuhjala]) Herrenhäuser vielfach durchgängig in Privatbesitz – oftmals seit Generationen in einer Familie – oder als Stiftungen und Museen verblieben, sind durch die Auswirkungen des Kriegs im östlichen Ostseeraum zahlreiche Anwesen zerstört (Stargordt (Polen 1717–1720) [Link Stargordt]; Zleku/Schleck (Estland 17??) [Link Schleck], dem Verfall überlassen (Tützpatz, Mecklenburg-Vorpommern, 1779) und später teils zweckentfremdet und umgenutzt worden (Plüschow, Mecklenburg-Vorpommern, 1763 [Link Plüschow], Kolga/Kolk Estland (17??) [Link Kolga], Suuremõisa, Estland, 1755–1760 [Link Suuremoisa]), sodass sich in den östlichen Regionen des Ostseeraums seltener unveränderte Innenraumausstattungen (z.B. in Prebberede, Mecklenburg-Vorpommern, 1772–1778) erhalten haben.

Gestaltung der Innenräume

Während aufwendige Deckengestaltungen mit Malereien in den untersuchten Beispielen eher die Ausnahme darstellten, fanden sich in nahezu allen Herrenhäusern in den repräsentativen Räumen eine relativ aufwendige Wandausstattung. Auch in einzelnen mobilen Objekten, darunter insbesondere Öfen [ABB Stola] und exklusive, teils ausländische Möbelstücke [ABB], manifestierte sich das Geltungs- und Prestigebedürfnis der Besitzenden. Für Besuchende wird die Zugehörigkeit zu familiären und/oder adeligen Netzwerken oftmals durch eine in der Regel vorhandene Portraitsammung verdeutlicht [ABB]. Kunstsammlungen im klassischen Sinn – beispielsweise mit einer Sammlungssystematik nach Schulen und bekannten Künstlern – fanden sich hingegen nur sehr vereinzelt in den untersuchten Herrenhäusern. Insbesondere die mobilen Ausstattungsobjekte wiesen auf eine starke lokale und regionale Orientierung, doch spiegelten sich gerade hier auch die internationalen Handelsnetzwerke, in die ein Herrenhaus eingebunden sein konnte – wie beispielsweise asiatische Porzellane und Tapeten(?) in Österbybruk belegen [ABB].

Wanddekoration

Die Innenräume zahlreicher Herrenhäuser sind in vielen Bereichen oftmals mit einer einfachen Sockellambris ausgestattet [ABB Hafslund], deren Kassettierung oftmals in den Türkassetten aufgegriffen wird [ABB Hafslund]. Über dieser umlaufenden Sockellambris sind repräsentative Räume vielfach mit bemalten und / oder bedruckten Leinwandtapeten ausgestattet [ABB Fossesholm]. Zum einen gab es auf dem Markt zu erwerbende Tapeten mit typischen ornamentalen Motiven [ABB Fossesholm Museumstapete], zum anderen solche mit in Auftrag gegebenen Bemalungen, die häufig Ausblicke in eine Landschaft oder das Landleben im Allgemeinen darstellen [Abb. Stola Saal]. Aber es finden sich auch Bemalungen, die direkt auf die Wand aufgetragen wurden [ABB Orellen, Kadfer]. In oftmals idealisierter Form wurde so auf die unmittelbare Umgebung Bezug genommen und zugleich die wirtschaftliche Grundlage des Herrenhauses in Szene gesetzt [Abb. Fossesholm Storstuen]. Allerdings wurde auch die im 18. Jahrhundert weitverbreiteten Pastoralen in idealisierten Szenen mit nicht arbeitenden oft adeligen Protagonisten auf den Wandgestaltungen dargestellt [ABB]. Seltener waren dagegen insbesondere die Säle mit einer Säulenordnung gestaltet – etwa in Tützpatz (1779) [ABB] – oder gemäß der zeitgenössischen Mode stukkiert – wie beispielsweise in Prebberede (1772–1778) [ABB]. Oftmals finden sich entsprechend den zeitgenössischen Dekorationsgepflogenheiten zudem Supraporten-Gemälde, zum Teil als Grisaille-Malerei [ABB Hafslund], die oftmals ornamentale Dekorationsmalerei, (Blumen-)stillleben, Landschaften oder Szenen mit Putti zeigten [ABB Stola].

Deckengestaltung

Bei der Ausstattung der Innenräume überrascht, dass im 18. Jahrhundert statt Flachdecken eventuell mit Stuckierung in einigen Herrenhäusern noch sichtbare Balkendecken als Deckengestaltung zu finden sind. Diese Deckenkonstruktionen aus tragenden Balken und Querhölzern verbleiben teils holzsichtig oder sind einfarbig – oft in Weiß- bis Grautönen – gestrichen [ABB Hafslund]. Eine unterseitige Verkleidung der Balkenkonstruktion resultiert in glatten Flachdecken (Plafonds), die in Skandinavien oftmals aus einfachen holzsichtigen oder getünchten Brettern gefertigt wurde [ABB Stola]. Flache Decken wurden in weiteren Räumen glatt gespachtelt und weiß getüncht [ABB], in repräsentativen Räumen jedoch vielfach mit Hohlkehlen ausgeführt [ABB]. Diese Deckenform ist nach mitteleuropäischem Vorbild häufig mit ornamentalem Stuck gestaltet [ABB Kabilen, Plüschow, ...].

Deckenmalerei bildet im gesamten Ostseeraum in Herrenhäusern eine Ausnahme bei der Dekoration von Decken [ABB Stola]. Das mag teilweise durch fehlende Fachleute, insbesondere Maler zu erklären sein, denn vielfach fehlten in den Anrainerstaaten der Ostsee Institutionen zur Ausbildung von Künstlern – wie etwa die Académie de la peinture et de la sculpture in Paris oder die Accademia di San Luca in Rom. Diese Institutionen vermittelten, ebenso wie die Künstler selbst, die verschiedenen Techniken der Deckenmalerei, wie etwa Freskomalerei oder die Grundlagen der Ölmalerei auf an der Decke verklebter Leinwand.

Boden

Die Böden im Innenbereich der Herrenhäuser sind in der Regel mit zwei Materialien belegt: Holz und Stein. Steinböden sind vielfach aus den im ganzen Ostseeraum verbreiteten Gotland-Kalksteinplatten, während Holzböden in der Regel aus breiten, ungehobelten (d.h. rauen, nur leicht geglätteten und nicht polierten) Dielenbrettern von rund 25–30 cm Breite bestehen.

Holz und Stein werden dabei in Räumen verschiedener Nutzungen eingesetzt: So sind Eingangsbereiche, Flure, Dielen und Treppen vielfach mit Steinplatten belegt. Insbesondere in Eingangsräumen liegen die im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Steinbeläge, die im Schachbrettmuster von helleren und dunkleren Steinplatten von 25–30 cm Größe oftmals diagonal verlegt wurden [ABB Nuhjala, Stola, Hafslund]. Die breiten Holzdielen finden sich als ‚fußwarmes‘ Material meistens in Repräsentations- und fast durchgängig in Aufenthaltsräumen [ABB Christinehof]. In seltenen Fällen sind in die Fußböden in repräsentativen Räumen Hölzer in geometrischen Mustern – oft im Zentrum des Raumes – eingearbeitet [ABB Christinehof]. Im späten 18. Jahrhundert wurden ältere Dielenböden zum Teil mit der Imitation eines Parkettmusters bemalt [ABB Fossesholm], um eine höhere Ausführungsqualität vorzutäuschen.

Ausstattung und Möbel

Mobile Ausstattungsobjekte sind für das 18. Jahrhundert oftmals nur unzureichend oder punktuell über Inventare, Briefwechsel und Rechnungen dokumentiert. Darüber hinaus unterliegen Möblierungen und Kunstsammlungen generell einem ständigen Wandel und variieren erheblich je nach finanziellen Verhältnissen. Insbesondere im südöstlichen Ostseeraum sind die mobilen Ausstattungen der Herrenhäuser wie auch entsprechende Quellen seit dem zweiten Weltkrieg in der Regel verloren. Im nördlichen Ostseeraum hingegen liegen oftmals äußerst umfangreiche Quellen vor, die eine detaillierte Rekonstruktion der vorhandenen Möblierungen und deren Herkunft ermöglichen (vgl. z.B. Inventare aus Fossesholm, Österbybruk oder Stola). Vielfach werden selbst in wohlhabenden Haushalten wie in Stola mit Grafen aus dem Hochadel Möbel über Generationen benutzt und nicht den Moden folgend erneuert.

Die durch Auslandsreisen, das Studium im Ausland oder entsprechende Handelsverbindungen erworbenen Eindrücke prägen vielfach den Geschmack der Besitzenden. Auch eine Verbreitung graphischer Vorlagen und Zeitschriften spielte zweifelsohne eine Rolle. Die Möblierung orientiert sich in den Herrenhäusern des Ostseeraums oftmals an zentraleuropäischen Moden: So finden sich an Wandpfeilern zwischen den Fenstern in einigen Herrrenhäusern reich geschnitzte Spiegel mit darunter stehenden Konsoltischen [ABB Stola, Hafslund], wie sie in fürstlichen Häusern und Residenzen ein quasi unverzichtbarer Bestandteil der Möblierung darstellten. Ansonsten sind häufig Sitzmöbel und Betten dokumentiert [ABB Nuhjala Königszi], während Truhen oder Schränke keinen durchgängigen Bestandteil der Möblierung in allen Häusern bilden. Teils wurden prestigeträchtige Objekte im Ausland erworben, wobei neben finanziellen Möglichkeiten entsprechende internationale Kontakte mittels hoher politischer Positionen oder Handelsbeziehungen entscheidend waren (Bsp. Christinehof: Grotesques de Bérain; Grill: chinesisches Porzellan).

Öfen und Kamine

Die Öfen und Heizsysteme spielten in den kälteren Regionen des Ostseeraums für die Herrenhäuser eine entscheidende Rolle. Dabei standen nicht nur Praktikabilität und Fortschritt, sondern auch gestalterische Aspekte im Fokus. Oftmals wurden Öfen in bekannten Manufakturen erworben oder individuell in Auftrag gegeben und avancierten zum bestimmenden Element eines Raumes [ABB Fossesholm, Stola, Österbybruk]; selbst einfache Kamine wurden mit ornamentalen Schmuckelementen versehen [ABB Christinehof]. In aufwendigen Heizsystemen spiegelte sich zudem der Zugang zu Wissen und Fortschritt (bspw. in der Orangerie in Österbybruk).

Während man in den nördlichen Regionen des Ostseeraums (in Norwegen, Schweden, Finnland, Estland, Lettland und Litauen) die Mehrheit der Wohnräume über Öfen beheizte und Kamine – der französischen Mode folgend – nur gelegentlich eingesetzt wurden, war das Verhältnis zwischen Kaminen und Öfen in den südlicheren Regionen des Ostseeraums (Dänemark, Deutschland und Polen) eher ausgeglichen und wurde auch über die Raumnutzung bestimmt. So waren größere repräsentative Säle oftmals mit Kaminen ausgestattet [ABB Prebberede], während für den täglichen Aufenthalt bestimmte Räume eher mit Öfen beheizt wurden.

Sammlungen

Für fast alle Herrenhäuser sind Sammlungen von Familienportraits dokumentiert oder heute noch vorhanden. Das adelige Standesbewusstsein und Repräsentationsbedürfnis ließen die jeweiligen Allianzen und familiären Verflechtungen als angemessene Dekoration der Wände in den repräsentativen Räumen erscheinen. Ausgesprochene Kunstsammlungen mit Gemälden anderer Sujets, einer Sammlungsystematik und weiteren Kunstobjekten sind nur in Ausnahmefällen vorhanden, so beispielsweise in Hafslund, wo eigens ein Galerieraum für eine heute verlorene Sammlung italienischer Gemälde eingerichtet wurde. Einzelne Beispiele legen zudem die Vermutung nahe, dass die wertvolleren Sammlungsobjekte vornehmlich in den Stadthäusern aufbewahrt wurden, wo die Sammlungen nicht nur einfacher erweitert, sondern auch einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden konnten.

Oftmals gab es in den Herrenhäusern eine größere Sammlung von Büchern (Stola, Österbybruk...), die zum Teil in eigenen Bibliotheksräumen zusammengeführt wurden. Hinsichtlich mitteleuropäischer Einflüsse sind die Bestände äußerst aufschlussreich. Wenn ein separater Bibliotheksraum vorhanden war, wurden dort auch weitere Sammlungsobjekte wie Kuriosa, wissenschaftliche Instrumente, Münzen, Waffen usw. aufgestellt (Stola,...). Auch diese Sammlungen verblieben jedoch vielfach in den Stadthäusern der Besitzenden und wurden nicht auf einen abgelegenen Landbesitz verbracht, um die Sammlungen prestigeträchtig einem größeren Kreis von Besuchenden präsentieren zu können.

Waffen waren in anbetracht der kriegerischen Zeiten vermutlich in jedem Herrenhaus zur Genüge für die Jagd und Verteidigung vorhanden. Dabei handelte es sich jedoch um Objekte des täglichen Gebrauchs. Eine erwähnenswerte Sammlung von Waffen wird lediglich für Nuhjala [habt ihr weitere Beispiele?] im späten 19. Jahrhundert genannt, sodass aufgrund fehlender Informationen hier keine valide Aussage getroffen werden kann.

Literatur

Bock 2007

– Bock, Sabine: Gutsanlagen und Herrenhäuser. Betrachtungen zu den historischen Kulturlandschaften Mecklenburg und Vorpommern, Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Landeskundliche Hefte, 3. überarbeitete Auflage, Schwerin 2007.

Bock 2017

– Bock, Sabine: "Haben Häuser einen Stammbaum? Wie sich der Bautyp >Herrenhaus< entwicklet hat", in: Schlösser und Herrenhäuser der Ostseeregion. Bausteine einer europäischen Kulturlandschaft, hrsg. von Kilian Heck, Sabine Bock, Jana Olschewski, Schwerin: Thomas Helms 2017, S. 301–358.

Bock 2023

– Bock, Sabine: Herrenhäuser – Manor houses. Entwicklung eines Bautyps im Ostseeraum, 2: Die Anfänge. Developement of a Building Type around the Baltic Sea, 2: The Beginning, Schwerin 2023.

Johannes 2009

– Johannes, Ralph (Hrsg.): Entwerfen, Architektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Geschichte, Theorie und Praxis, Hamburg 2009.

Kruft 1995

– Kruft, Hanno Walter: Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 41995 (1985).

Wilke 2016

– Wilke, Thomas: Innendekoration. Graphische Vorlagen und theoretische Vorgaben für die wandfeste Dekoration von Appartements im 17. und 18. Jahrhundert in Frankreich, München 2016.