07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Anlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park im 18. Jahrhundert
- 10. Wirtschaftsanlagen
- 11. Kirche und Dorfstrukturen
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Quellen- und Literaturverzeichnis
Schriftquellen oder Pläne zum Bau des barocken Herrenhauses Plüschow sind nicht überliefert. Die Bauhistorikerin Sabine Bock verweist in ihrer Analyse der Architektursprache auf den Hamburger Ernst Georg Sonnin (1713-1794)[1] oder auf den Lübecker Johann Adam Soherr (1706-1778)[2] als möglichen Architekten bzw. Baumeister.[3] Das blockartige Bauwerk ohne Seitenflügel ist ein zweigeschossiger unverputzter Backsteinbau mit elf Achsen. Die drei mittleren Achsen sind dreigeschossig und werden zum Hof hin von einem Giebeldreieck mit Uhr und Glocke abgeschlossen. Das schmucklos-nüchterne Herrenhaus besitzt ein gewalmtes Mansarddach. Einziger baulicher Schmuck ist das Eingangsportal aus beigefarbenem Sandstein. In der um 1900/1920 erneuerten Kartusche befinden sich die Initialen Friedrich Franz IV. von Mecklenburg unter einer Krone.[4] (Abb.: 1-2, 32-33, 46- 49) Der Baukörper des Herrenhaus Plüschow ist mit mehreren, während des 18. Jahrhunderts jenseits des Flusses Elbe erbauten Herrenhäusern im heutigen Deutschland sowie in Polen und Lettland vergleichbar.[5] Sabine Bock betont dies in ihrer 2013 erschienenen Monografie zu Plüschow: „hinsichtlich der Kubatur, der Dachform und der Geschossigkeit [ist] festzustellen, dass das Herrenhaus in Plüschow in eine große Gruppe von Häusern gehört, wie sie im Verlauf des gesamten 18. Jahrhunderts in Ostelbien [historisch-geografische und politisch-kulturelle Gebietsbezeichnung] errichtet wurden.“[6] Sie benennt die Beispiele Kummerow (Deutschland, circa 1725-1733)[7], ehemals Stolzenburg (Stolec, Polen, 1726/1728)[8], Emkendorf (Deutschland, um 1730), Rumpshagen(Deutschland, 1768-1770)[9], Johannstorf (Deutschland, ab 1743)[10] und ehemals Selsau (Dzelzava, Lettland, 1767)[11]. Das Hamburger Palais der Familie von Stenglin war um 1720 durch den Architekten Johann oder Johannes Nicolaus Kuhn (1670-1744)[12] errichtet worden.[13] Dieser hatte 1721-1724 auch das backsteinsichtige, klar gegliederte und mit einem herausragend gestalteten Natursteinportal geschmückte Herrenhaus Steinhorst nahe Ratzeburg im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg (bis 1702 Herzogtum Sachsen-Lauenburg) entworfen und erbaut.[14] Mindestens der Kunsthistoriker Deert Lafrenz vermutet zudem für das 1726/1728 erbaute Herrenhaus Pronstorf nahe Lübeck eine Entwurfstätigkeit Johann Nikolaus Kuhns.[15] Die etwa zeitgleich erbauten Herrenhäuser Steinhorst und Pronstorf sind größer als das von seiner äußeren Anmutung her ähnliche, aber spätere Herrenhaus in Plüschow (1763). Aufgrund seiner Lebensdaten (1670 bis 1744) kommt Kuhn als Architekt von Plüschow nicht in Frage. Jedoch baut Kuhn um 1720 das Hamburger Palais der Familie Stenglin und ist der Familie somit bekannt. Über weitere Forschungen zur Biografie Kuhns in Hamburg könnte in Erfahrung gebracht werden, ob er als in Hamburg und Umgebung tätiger Architekt Mitarbeiter beschäftigt hatte. Es kann davon ausgegangen werden, dass die zum Bau benötigten Ziegelsteine in der Nähe des Bauplatzes, jenseits des Mühlensees, nahe am Wald gebrannt wurden. Während erst 1803 eine schriftliche Bezeichnung eines bereits vorher kartierten Gebäudekomplexes als „Ziegeley“ erfolgt, zeigen alle historischen Karten aus dem 18. Jahrhundert diesen Standort bereits an. Auch ist eine Feldeinheit des landwirtschaftlichen Besitzes der Stenglins als „Der Alte Ziegelei Schlag“ (Karte 1762)[16], „der alte Ziegel Scheunen Schlag“ (Karte 1769 (Abb.: 15,1), Brouillon 1769 (Abb.: 15))[17] und „Ziegel Scheunen Schlag“ (Karte 1803 (Abb.: 43))[18] bezeichnet. Auf diesem Feld werden die Ziegeleiarbeiter im Nebenerwerb die für ihre private Eigenwirtschaft notwendigen Feldfrüchte angebaut haben. Wo diese fachlich ausgebildeten Arbeiter wohnten, geht aus dem historischen Kartenmaterial nicht hervor. Walter Josephi schwärmt 1916 von der vortrefflichen landschaftlichen Eingliederung des Plüschower Herrenhauses: „Weithin streift der Blick über die Wiesen und waldigen Höhen; eine echt mecklenburgische Gegend, nicht großartig, aber lieblich und von zarter landschaftlicher Schönheit (…). Es war ein feinsinniger Gedanke (…), sich in Plüschow (…) einen echt mecklenburgischen Landsitz zu schaffen (…). Es ist ein richtiges mecklenburgisches Herrenhaus, lang hingestreckt in einfach-kräftigen Umrißlinien und bekrönt von stattlich sich auftürmendem Dach (…).“[19] Nach mecklenburgischer Überlieferung liege die Hauptfassade hin zu einem rechteckigen Wirtschaftshof.[20] |
- ↑ https://www.deutsche-biographie.de/search?_csrf=a7b6e594-ec0b-46a3-86dc-fb69ede54b4f&name=Sonnin%2C+Ernst+Georg&st=ndb&facets=&cf=10&number=0&ot=&sl=%5B%5D&sort= (15.11.2023).
- ↑ https://www.deutsche-biographie.de/search?_csrf=14278f02-0147-45d3-a1ff-65aefd8e61f9&name=Johann+Adam+Soherr+&st=ndb&facets=&cf=10%3Af_allpl&number=0&ot=&sl=%5B%5D&sort= (17.11.2023).
- ↑ Vgl.: Bock 2013, S. 34, 37.
- ↑ Herrenhaus Plüschow, Hofseite, Sanitätsrat Ebert, 1916, © Förderkreis Schloss Plüschow e.V. Vgl. auch: Krauß/Fischer 2002, S. 74. Bock 2013, S. 37-38. Jacobs zeigt 1937 die stilistische Verbindung mit Schleswig-Holstein auf: „Die westmecklenburgischen, barocken Gutshäuser zeigen (…) rein schleswig-holsteinische Einflüsse, zum Teil durch enge nachbarschaftliche, zum Teil, wie bei Bernstorffs in Dreilützow, durch verwandtschaftliche Beziehungen bedingt. Das Gutshaus in Horst bei Lauenburg, das Gutshaus in Groß-Schwansee, der alte Buchwaldsche Sitz Johannstorf, Schloß Bothmer sind Backsteinrohbauten, bei denen der Werkstein oder Putzgliederungen nur als Giebelschmuck oder Einfassungen (…) verwendet werden.“ Ebd., S. 41-42.
- ↑ Bock 2013, S. 37.
- ↑ Bock 2013, S. 37.
- ↑ Schloss Kummerow, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=Schloss+Kummerow&title=Special:MediaSearch&go=Seite&uselang=de&type=image (17.11.2023).
- ↑ Stolec, https://de.wikipedia.org/wiki/Stolec_(Dobra), (17.11.2023).
- ↑ Rumpshagen, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=Rumpshagen&title=Special:MediaSearch&go=Seite&uselang=de&type=image, (17.11.2023).
- ↑ Johannstorf, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=Johannstorf&title=Special:MediaSearch&go=Seite&uselang=de&type=image, (17.11.2023).
- ↑ Selsau, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=Selsau&title=Special:MediaSearch&go=Seite&uselang=de&type=image (17.11.2023).
- ↑ Johannes Nicolaus Kuhn, https://www.deutsche-biographie.de/search?_csrf=4bd05d72-f444-4395-9b11-c862e252801c&name=Johannes+Nicolaus+Kuhn+&st=ndb&facets=&cf=10%3Af_allpl&number=0&ot=&sl=%5B%5D&sort= (17.11.2023).
- ↑ Vgl.: Bock 2013, S. 29-33; Josephi 1916, S. 47-48.
- ↑ Vgl.: Lafrenz 2015, S. 558-560; Herrenhaus Steinhorst, https://de.wikipedia.org/wiki/Herrenhaus_Steinhorst, (17.11.2023); Herrenhaus Steinhorst, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=Herrenhaus+Steinhorst&title=Special:MediaSearch&go=Go&type=image (21.11.2023).
- ↑ Vgl.: Lafrenz 2015, S. 444-447; Pronstorf, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=Pronstorf&title=Special:MediaSearch&go=Seite&uselang=de&type=image (17.11.2023).
- ↑ Vgl.: „Plan Plüschow mit dem Dorffe und der Ziegeley, Friedrichshagen, 1761/1762, von A. F. H. Schumacher & J. H. Susemihl“, in: LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. 19629 [alt: Plüschow Ia].
- ↑ Vgl.: „Plan von dem ritterschaftlichen Guthe, 1769, von J. C. Walter und J. C. Francke“, in: LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. Plüschow Ic. „Brouillon von dem ritterschaftl. Guthe Plüschow, 1769, von J. C. Walter“, in: LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. 12788 [alt: Plüschow Ib].
- ↑ Vgl.: „Carte von den Plüschowschen Gütern, Ludewig Münchmeyer, 1803“, in: LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. 1355 [alt: Plüschow IV].
- ↑ Josephi 1916, S. 48-49.
- ↑ Vgl.: Josephi 1916, S. 49.