09. Garten und Park im 18. Jahrhundert

Aus Herrenhäuser
< Plüschow
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Kurztext

Vermutlich wurde mit dem Neubau des Gutshofes und des Herrenhauses Plüschow vor 1763 unter Philipp Heinrich (II.) von Stenglin seitlich des Gutshofes ein barocker Garten mit regelmäßigem Wegeverlauf rasterförmig angelegt. Vier historische Karten- bzw. Plandarstellungen zeigen eine regelmäßige Gestaltung während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Mindestens die Fläche zwischen der Gartenfront des Herrenhauses und dem Uferweg ist während des 18. Jahrhunderts gestalterisch besonders betont. Ausgewachsene Alleen zeugen noch um 1930 von der Existenz einer ehemaligen barocken Gartengestaltung. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich wäre dagegen, dass alle Pläne des 18. und des frühen 19. Jahrhunderts eine Idealdarstellung wiedergeben. Zumindest die heutige, hainartig bewachsene Fläche in Plüschow ist insgesamt zu uneben, als dass dort eine homogene großflächige Parterrefläche Bestand haben könnte.

Langtext

Vermutlich wurde mit dem Neubau des Gutshofes und des Herrenhauses Plüschow unter Philipp Heinrich (II.) von Stenglin ein barocker Garten mit regelmäßigem Wegeverlauf rasterförmig angelegt. Der Garten lag seitlich des Gutshofes sowie zwischen Herrenhaus und (linear verlaufendem, eventuell befestigt gestaltetem) Uferweg mit zur Seeoberfläche abfallendem Gelände. Dieses könnte, je nach Wasserstand des Mühlensees entsprechend den Jahreszeiten oder je nach Öffnung/Schließung der Mühlenschleuse, zeitweilig überflutet gewesen sein. Der Garten umschloss somit die Gebäude von zwei Seiten. Seine Grundfläche war größer als die Fläche des Gutshofes. Vier historische Karten- bzw. Plandarstellungen (Abb. 14, 15, 15,1, 43) zeigen eine regelmäßige Gestaltung während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowie unmittelbar nach der Wende zum 19. Jahrhundert.

Die augenscheinlich ebene barocke Gartenfläche ist auf diesen Karten bzw. Plänen grundsätzlich in Kompartimente eines Parterres untergliedert, wobei mindestens die Fläche zwischen der Gartenfront des Herrenhauses und dem Uferweg während des 18. Jahrhunderts gestalterisch besonders betont ist. Die rechteckig geführten Wege des Parterres können sich an Kreuzungspunkten zu kleinen quadratischen Plätzen weiten – in Einzelfällen mit betonter Mitte. Sie dürften als bloße Sand- oder Kieswege befestigt sein und sind von Bäumen gesäumt. Alle Pläne zeigen ein jenseits des Gutshofes gelegenes freistehendes Haus, das, traufständig zum Garten ausgerichtet und an der Straße gelegen, ein architektonisches Pendant zum geraden/gebauten Uferweg darstellt. Mit (allerdings sehr geringer) Wahrscheinlichkeit könnte es sich hierbei um ein Gärtnerhaus handeln.[1] Auf der ältesten Karte von 1761/1762 ist nahe diesem Gebäude vielleicht eine dreiteilige Gärtnereifläche hinter einer Hecke eingezeichnet worden. Ein besonderes, ebenfalls von Hecken gerahmtes Parterre davor – parallel zum unbenannten Haus – könnte als vieleckige Platzfläche sowie als aufwendigere Bassinfläche entworfen oder ausgeführt worden sein. In einzelnen Parterres des Gartens sind 1761/1762 ebenfalls Bassinstrukturen zu erkennen. Jenseits des gerade geführten Uferweges liegt eine kleine (Teich-) Fläche in der Böschung zwischen der Gartenfront des Herrenhauses und dem See. Sie könnte zum Beispiel beim Blick aus der mit floralem Stuck verzierten Treppenhalle als Blickfang und visuelle Überleitung zur Seefläche gedient haben.

Die Bauhistorikerin Sabine Bock vermutet, dass die deutlichen Unterschiede in den Kartendarstellungen 1761/1762 und 1769 die zwischen Planung und Realisierung sein könnten. Zusätzlich zeigt die Karte von 1769 eine geschwungene Baumreihe (vermutlich Laubbäume) im Gutshof zwischen dem Herrenhaus und den flankierenden Wirtschaftsgebäuden. Zusammen mit weiteren Bäumen vor der Fassade des Herrenhauses bildeten diese Gehölze den Rahmen für einen Ehrenhof.[2]

Durch die von geosphere austria im Bereich des ehemaligen Barockgartens 2023 vorgenommene Bodenradarmessung[3] (siehe: Bodenradarmessung) kann sowohl eine einfache lineare als auch eine kreisförmige Struktur (eventuell Wege) nachgewiesen werden. Eine zweite, z.T. rechtwinklig verlaufende, weiß gefärbte Struktur, könnte eine (historische) Bewässerung anzeigen.

Die 1803 von Ludewig Münchmeyer gezeichnete „Carte von den Plüschowschen Gütern“ (Abb. 43) zeigt den barocken Parterregarten seitlich des Gutshofes nach wie vor mit einer regelmäßigen Einteilung in rechteckige Kompartimente, betont durch ein Wegekreuz mit Baumreihen (laut Kartensignatur Laubbäume). Außermittig liegt ein Bassin. Über die baumbestandenen Wege (keine Alleen) kann man von der Gartenseite des Herrenhauses aus durch die regelmäßigen Kompartimente des Parterres hindurch bis zu einem nun landschaftlich gestalteten Gartenbereich nahe der Straße spazieren. Dieser ist wohl nur durch einen Zaun von jener getrennt. Zusätzlich verläuft ein geschwungener Seeuferweg entlang der alten barocken Gartenbegrenzung bzw. Befestigung am Ufer, umschließt das zum Wiesenraum umgestaltete Parterre an der Gartenseite des Herrenhauses und führt, vermutlich entlang eines Schilfgürtels, um das historisch älteste Haus der barocken Gutsanlage, das „Bülowsche Haus“ herum. So wird ein landschaftlich artifiziell gestalteter Gartenbereich an der Straße, in sich abgeschlossen und ohne Blickführung nach außen, visuell, laut historischer Karte, über einen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach wie vor erhaltenen streng barocken Garten mit dem Seeuferweg verbunden. Mittels mannigfaltiger Blicke werden dann, von letzterem aus, das Panorama des waldgesäumten gegenseitigen Ufers des Sees, der „Kammelower Berg“ und das Areal der alten Burg in die eigentliche Gartengestaltung mit einbezogen. Die landschaftliche Gestaltung des Gartens zu Beginn des 19. Jahrhunderts erweitert den noch in Teilen bestehenden barocken Garten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts um ein Vielfaches.

Die „Carte von der in den Jahren 1868 bis 1876 ausgeführten Drainage auf der Hoffeldmark Plüschow, 1876 von Theodor von Hafften“[4] (Abb. 26) zeigt neben dem meliorierten Mühlensee als „Seewiese“ die Umgestaltung des barocken Parterregartens seitlich des Gutshofes mit früher landschaftlicher Gestaltung in einen teilweise erweiterten landschaftlichen Park. Grundlage bleibt der Barockgarten, wie er 1803 in der „Carte von den Plüschowschen Gütern“ von Ludewig Münchmeyer (Abb. 43) gezeigt wird: sowohl die lineare Wegeführung des Parterres als auch die Landschaft en miniature und der geschwungene Seeuferweg werden übernommen, teilweise ausgearbeitet und gleichmäßig mit Bäumen bepflanzt. Eine Unterteilung in Wiesenbereiche und waldähnliche Stücke entsprechend einem „klassischen“ Landschaftsgarten wird nicht vorgenommen. Das außermittige, kreisrunde Bassin des Barockgartens ist in einen kleinen Teich umgewandelt. Das 1803 auszumachende, von Bäumen gesäumte Wegekreuz geht nun als Alleenstruktur in der neuen Gestaltung auf. Mindestens um 1930 ist eine dieser Alleen – diejenige, die auf die Gartenfront des Herrenhauses zuführt – noch erhalten. Eine historische Fotografie (Abb. 34) zeigt an dieser Stelle ausgewachsene Linden.

Auf der undatierten, wohl aber aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammenden „Skizze zur Gartenaufteilung betr. Schloß Plüschow“ (Großherzogliche Vermögens-Verwaltung, Bau-Abteilung, Abb. 97)[5] sind Restflächen einer geometrischen Gartengestaltung zu erkennen, die zu diesem Zeitpunkt aber als „Wirtschaftsgarten“ ausgewiesen sind. Sie erstrecken sich über etwa ein Viertel der alten barocken Gartenfläche seitlich des Gutshofes. Davon abzweigende Gartenwege sind in Bögen verlaufend angedeutet und könnten auf die 1876 dargestellte landschaftliche Überformung eines Großteils der barocken Gartenfläche hinweisen.

Sowohl die ehemals barocke als auch die landschaftlich gestaltete Ziergartenfläche des Herrenhauses Plüschow ist heute noch in ausgewachsener Form des Gartens vom Ende des 19. Jahrhunderts erhalten. An eine heute als Koppel genutzte offene und ebene Fläche (Abb. 98), schließt sich eine topografisch bewegte Hainfläche an. Innerhalb dieser sind sowohl einzelne ausgewachsene Linden des Barockgartens (Abb. 99) zu finden als auch eine wasserführende Vertiefung, die auf den Standort eines alten barocken Bassins (Abb. 100) hinweisen könnte. Betrachtet man allerdings die beiden heutigen Gartenteile, ergeben sich doch Zweifel über den tatsächlichen Bestand eines großflächigen, einheitlichen und vor allem ebenen Barockgartens während des 18. Jahrhunderts. Der heutige Hain ist zu uneben, als dass dort eine laut den historischen Kartendarstellungen homogene Parterrefläche Bestand haben könnte. Möglicherweise zeigen die Pläne des 18. und des frühen 19. Jahrhunderts auch ganz oder in Teilen eine Idealdarstellung bzw. einen idealen Gartenentwurf.

Abb. 14 „Plan Plüschow mit dem Dorffe und der Ziegeley, Friedrichshagen, 1761/1762, von A. F. H. Schumacher & J. H. Susemihl“, in: LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. 19629 [alt: Plüschow Ia].
Abb. 15 „Brouillon von dem ritterschaftl. Guthe Plüschow, 1769, von J. C. Walter“, in: LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. 12788 [alt: Plüschow Ib].
Abb. 15,1 „Plan von dem ritterschaftlichen Guthe, 1769, von J. C. Walter und J. C. Francke“, in: LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. Plüschow Ic.
Abb. 34 historisches Foto: Herrenhaus Plüschow, Weg im Park zum Herrenhaus, um 1930, © Förderkreis Schloss Plüschow e.V.
Abb. 97 „Skizze zur Gartenaufteilung betr. Schloß Plüschow“, in: LHAS 12.3-1 Hofbauamt/Großherzogliche Vermögensverwaltung (Bauabteilung), Sign. Plüschow 3.
Abb. 98 Herrenhaus Plüschow, Standort des historischen barocken Parterres, Foto: Ulrike Gawlik 2023.
Abb. 99 Herrenhaus Plüschow, ausgewachsene Linden am historischen Standort des Barockgartens, Foto: Ulrike Gawlik 2023.
Abb. 100 Herrenhaus Plüschow, Hainstruktur am historischen Standort des Barockgartens mit Struktur eines alten barocken Bassins, Foto: Ulrike Gawlik 2023.
  1. 1911 wird es durch Landbaumeister Lübstorf im „Bauliche[n] Erachten betr. Pachthof Plüschow“, transkribiert durch Sabine Bock 2013, S. 97-103, als Gartenscheune bezeichnet. Die Umnutzung eines Gärtnerhauses in eine Scheune ist jedoch eher unwahrscheinlich.
  2. Vgl.: Bock 2013, S. 39. Der „Plan Plüschow mit dem Dorffe und der Ziegeley, Friedrichshagen, 1761/1762, von A. F. H. Schumacher & J. H. Susemihl“ zeigt außerdem jenseits des Sees eine als „Der Alte Garten“ bezeichnete Fläche. Sie hat direkte Verbindung zum Wasser, der Blick wird jedoch größtenteils durch eine Baumpflanzung am Ufer aufgefangen. Auch entlang einer Straße wurde abgepflanzt, sodass der „Alte Garten“ einen Binnenraum bildet. Sabine Bock nennt Paul von Bülow (gest. 1589) mindestens als Nutzer dieses Gartens und vermutet, dass es gar einen „Lustgarten“ gegeben haben könnte. Vgl.: Bock 2013, S. 21-22.
  3. Plüschow_02_rad_interpretation.jpg, geosphere austria 2024.
  4. In: LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. 48 [alt: Plüschow VIII].
  5. „Skizze zur Gartenaufteilung betr. Schloß Plüschow“, in: LHAS 12.3-1 Hofbauamt/Großherzogliche Vermögensverwaltung (Bauabteilung), Sign. Plüschow 3.