12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert

Aus Herrenhäuser
< Plüschow
Version vom 10. Februar 2025, 14:44 Uhr von Ulrike Gawlik (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist Plüschow im Besitz der landesfürstlichen Familie und des Erbprinzen und späteren Erbgroßherzogs Friedrich Ludwig zu Mecklenburg (1778-1819).[1] 1799 heiratet dieser die russische Großfürstin Helena Pawlowna Romanowa (1784-1803) und nutzt ihre familiären Verbindungen nach Russland. Friedrich Ludwig und Helena Pawlowna waren gut bekannt mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) und Königin Luise (1776-1810). Das Gut Plüschow diente als Sommersitz des Paares.[2]

Die 1803 von Ludewig Münchmeyer gezeichnete „Carte von den Plüschowschen Gütern“[3] (Abb. 43) zeigt alle Güter der Vogtei Plüschow: Plüschow, Testorff, Steinforth, Meierstorff, Jameln, Friedrichshagen, Boidenhagen, Barendorff, Sternkrug und Oberhagen (eine Hufe Landbesitz, wohl das bereits im 18. Jahrhundert benannte Ovenhagen). Herrenhaus, Gut Plüschow und der Mühlensee liegen in der Mitte dieses Besitzes. Neben wenigen Waldflächen (in unmittelbarer Umgebung des Herrenhauses – „Die Liesch“ – aber auch im Bereich des Gutes Jameln) wird der Besitz intensiv landwirtschaftlich genutzt. Als vegetabiles Element raum- und besitzbestimmend sind die Alleen entlang der die Güter und Dörfer verbindenden Straßen.

Ab 1822 werden die als Lehn vergebenen ritterschaftlichen Güter von Plüschow in das Gesamtvermögen des herzoglichen Hauses eingezogen und als Hausgüter bzw. Domänen bewirtschaftet. Die Güter gehören nun nicht mehr zum Ritterschaftlichen Amt Grevesmühlen, sondern als Vogtei Plüschow zum Domanium des herzoglichen Hauses. Seit Lebzeiten des Erbprinzen/Erbgroßherzogs Friedrich Ludwig zu Mecklenburg (1778-1819) ist das Gut bzw. die spätere Vogtei bis 1931 an verschiedene Pächter verpachtet.[4]

1919 entscheidet der neu entstandene Freistaat Mecklenburg-Schwerin per Vertrag, dass Schloss und Gut Plüschow nach wie vor zum Grundvermögen des Großherzogs gehören und dass Plüschow herzogliches Privateigentum bleibt, jedoch weiterhin von Pächtern bewirtschaftet wird.[5] 1927 gibt die großherzogliche Verwaltung eine Annonce in der Zeitschrift „Wild und Hund“ auf, um das „Gutshaus (…) mit Garten und 2480 Morgen großer Jagd“ zu vermieten. Ein Schweriner Rechtsanwalt übernimmt die Miete für zehn Jahre. 1937 und 1939 wird erneut inseriert.[6] Zwischen Februar und Dezember 1941 werden im Herrenhaus ausgesiedelte Litauendeutsche untergebracht.[7] Im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkrieges wird das Herrenhaus Plüschow zur Unterbringung von bombengeschädigten Familien aus Rostock und Hamburg vorgeschlagen bzw. genutzt oder an verschiedene Interessenten vermietet.[8] Unmittelbar nach Kriegsende im Mai 1945 sind Flüchtlingsfamilien auf dem gesamten Hof untergebracht. Am 5. September 1945 erlässt das Land Mecklenburg-Vorpommern die Verordnung zur Bodenreform. Plüschow, im Besitz der herzoglichen Familie und verwaltet durch die Großherzogliche Vermögensverwaltung, wird enteignet und in Kleinstbetriebe von fünf bis zehn Hektar Land aufgeteilt.[9] Bereits 1958 wird die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) „Vereinte Kraft“ Plüschow gegründet.[10]

Das Herrenhaus Plüschow ist im April 1951 durch Ministerratsbeschluss des Landes Mecklenburg in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zusammen mit 20 weiteren Schlössern und Herrenhäusern der Region unter Denkmalschutz gestellt worden.[11] Die historische Bausubstanz wird jedoch geringgeachtet. So befinden sich während des Bestehens der DDR im Herrenhaus mehrere Wohnungen, eine Post, Büro, Betriebsküche und Archiv der LPG „Vereinte Kraft“ Plüschow, das Büro des „Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei“ (ein Polizeibeamter der DDR, der fest für einen bestimmten Wohnbezirk verantwortlich war und dort sowohl als Ansprechpartner der Einwohner als auch als Vermittlungs- und Kontrollorgan hin zu staatlichen Behörden diente), ein Kindergarten, ein Jugendklub, der Klub- und Freizeitraum der Plüschower Sportgemeinschaft „Traktor“ und eine Gaststätte. Das Herrenhaus Plüschow wird im März 1976 auf Beschluss des Rates des Bezirks Rostock als eines von 13 Objekten im Kreis Grevesmühlen in die Bezirksdenkmalliste aufgenommen. Baulich gepflegt wird es jedoch nicht.[12]

1981 bezieht Udo Rathke, Student der Kunsthochschule Berlin-Weißensee (Ostberlin, zur Zeit der DDR), zwei Zimmer als Atelier- und Wohnbereich im Herrenhaus Plüschow. Die Kunststudentin Miro Zahra aus Prag und weitere Kommilitonen aus Berlin folgen ihm und richten sich Ateliers ein. Es wird Untergrundliteratur gedruckt. 1985 beginnen die Studenten illegale handwerkliche Arbeiten zum Schutz der baulichen Substanz des Herrenhauses und nennen dies „Instandbesetzung“. 1988 gelingt es den Künstlern, zusammen mit der „Arbeitsgemeinschaft Junge Künstler“ im Verein Bildender Künstler der DDR und dem Kreisverband Grevesmühlen des Kulturbundes der DDR, die erste Kunstausstellung im Herrenhaus Plüschow mit dem Titel „Nordwest“ in den am schlechtesten erhaltenen Räumen des Hauses zu organisieren. Sie wollen auf diese Weise auf die bauliche Vernachlässigung aufmerksam zu machen.[13] Nach der Friedlichen Revolution 1989 und noch vor der Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990 konnte im Mai desselben Jahres der „Förderkreis Kunst auf Schloss Plüschow e.V.“ gegründet und ein Nutzungskonzept erarbeitet werden. Udo Rathke wird von 1990 bis 1993 erster frei gewählter Bürgermeister der Gemeinde Plüschow. Zwischen 1991 und 2001 kann das Herrenhaus mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland, des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern und der Stadt Hamburg denkmalgerecht saniert werden.[14] Seit 1990 ist „das Mecklenburgische Künstlerhaus Schloss Plüschow, als eine international ausgerichtete Institution zur Förderung der Bildenden Kunst gegründet, (…) vor allem ein künstlerischer Arbeitsort.“[15] Viele Ausstellungen und Katalogpublikationen zeugen davon.[16]

  1. Vgl.: Krauß/Fischer 2002, S. 75.
  2. Vgl.: Bock 2013, S. 64, 66. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts stammte eine Wanddekoration im Speisesaal des Herrenhauses Plüschow, die drei Berliner und drei Potsdamer Ansichten auf Bildtapeten zeigte. Sabine Bock vermutet, dass der Saal durch das in Hamburg tätige Handelshaus Lillie und Ramée gestaltet worden sein könnte. (Vgl.: Bock 2013, S. 69.) Der französische Architekt und Gartenarchitekt Joseph Ramée (1764-1842) arbeitete nach seiner Emigration nach Belgien an verschiedenen Orten in Deutschland – u.a. in Hamburg. Er entwarf Landhäuser in Dänemark, ging nach Nordamerika und erneut nach Europa zurück. Paul Venable Turner legt 1996 bei Cambridge University Press eine umfassende Biografie und Werkmonografie vor. Siehe: Turner, Paul Venable: Joseph Ramée. International Architect of the Revolutionary Era, Cambridge University Press 1996. Während eine der Stadtansichten in Plüschow erhalten geblieben ist und restauriert in den Räumen des heutigen Künstlerhauses besichtigt werden kann, sind von den anderen fünf nur Fotografien von Sanitätsrat Ebert aus Grevesmühlen von 1916 erhalten. Zwei weitere Fotografien von 1927 können keinem Autor zugeschrieben werden. (Herrenhaus Plüschow, Bildtapeten, Sanitätsrat Ebert, Grevesmühlen, 1916, © Förderkreis Schloss Plüschow e.V.; Herrenhaus Plüschow, Bildtapeten, um 1927, © Förderkreis Schloss Plüschow e.V.) Nach Anmerkungen Jürgen Brandts in seinem Buch „Alt-Mecklenburgische Schlösser und Herrensitze“ von 1925 könnten Ölgemälde von Friedrich Meyer (aus dem Jahr 1771) und radierte Prospekte von Jean Rosenberg (aus den Jahren 1785-1795) Vorbilder für die prächtigen Bildtapeten in Plüschow gewesen sein. (Vgl.: Brandt 1925, S. 30; Josephi 1916, S. 52.) Sabine Bock versucht die Geschichte der Plüschower Stadtansichten auf Papier erneut nachzuvollziehen und stellt die Vermutung auf, dass es sich um Geschenke des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. an Helena Pawlowna handeln könnte. Sie zeigt auf, dass zwei Darstellungen Berlins auf Vorlagen des Malers, Radierers und Kupferstechers Johann Georg Rosenberg (1739-1808) aus dem Jahr 1780 zurückgehen. Für die drei Potsdamer Stadtansichten könnten die Vorlagen entweder von Johann Friedrich Meyer (1728-1789) oder von Andreas Ludwig Krüger (1743-1822) stammen. (Vgl.: Bock 2013, S. 69-77.)
  3. LHAS 12.12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Sign. 1355 [alt: Plüschow IV].
  4. Vgl.: Bock 2013, S. 94-97.
  5. Vgl.: Bock 2013, S. 104-107.
  6. Vgl.: Bock 2013, S. 108-109.
  7. Vgl.: Bock 2013, S. 119.
  8. Vgl.: Bock 2013, S. 120-122, 124-125.
  9. Vgl.: Bock 2013, S. 125-127. Am Ort hat sich der „Aufteilungsplan des Gutes Plüschow, Januar 1948“ erhalten. Quelle: LHAS, 12-12-1 Karten von ländlichen Gemarkungen, Plüschow XIV.
  10. Vgl.: Bock 2013, S. 129.
  11. Vgl.: Bock 2013, S. 133.
  12. Vgl.: Bock 2013, S. 133-134.
  13. Vgl.: Bock 2013, S. 135-139.
  14. Vgl.: Bock 2013, S. 140-141; Krauß/Fischer 2002, S. 75.
  15. Zahra/Rathke, 2006, S. 5; Vgl.: Bock 2013, S. 142-143.
  16. Vgl.: Zahra 2020.