02. Forschungsstand

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Die Forschung näherte sich Österbybruk bislang über diverse Themengebiete: Dazu zählen insbesondere der wirtschaftliche Kontext der Eisenhütte und die Tradition uppländischer Wallonenschmieden, die einflussreichen Familien De Geer, Grill und Tamm sowie die Architektur von Herrenhaus und Garten.

Das Interesse an Österbybruk setzte bereits im 19. Jahrhundert ein, als zunächst mehrere literarische Werke den Ort als Rahmen für ihre Handlung nutzten.[1] Mit der Beskrifning öfver Österby bruk erschien 1841 eine erste, als Reiseführer angelegte Beschreibung von Carl Gustav Rollin. Gerade zum Alltag der Arbeiter, ihren Wohn- und Arbeitsverhältnissen, ist Rollins Text aufschlussreich, trotz einer umfassenden Idealisierung der Eisenhütte als soziale Utopie.[2] Im Anhang finden sich eine Überblickskarte und ein Katalog von 101 Kunstwerken, die sich unter Per Adolf Tamm im Herrenhaus befanden.[3] Auch von Per Pehrsson erschienen im 19. Jahrhundert umfangreiche Beiträge insbesondere zur Geschichte von Österbybruk und der dort ansässigen wallonischen Gemeinde.[4] Im Jahr 1908 wurde Österbybruk mit einem längeren Aufsatz von Gustav Upmark in der Reihe der Svenska slott och herresäten berücksichtigt. [5] Upmark diskutierte auch die Frage des bis dahin nicht eindeutig identifizierten Architekten und publizierte einige Zeichnungen und Pläne aus dem 18. Jahrhundert. Der Garten wurde hingegen kaum thematisiert – vermutlich, da Upmark sein Urheber, der schwedische Hofarchitekt Carl Hårleman, noch nicht bekannt war. August Hahr veröffentlichte 1933 einen kurzen überblickenden Aufsatz zu Österbybruk mit dem Versuch einer architektonischen Einordnung.[6] Die kunsthistorische Forschung wurde schließlich durch Gösta Selling entscheidend vorangebracht: In einem Aufsatz von 1934 sowie seinem Überblickswerk Svenska herrgårdshem von 1937 beschäftigte er sich mit der Architektur- und Gartengeschichte von Österbybruk und lieferte neue Erkenntnisse zu den dort tätigen Architekten.[7] Der finnisch-schwedische Autor Örnulf Tigerstedt, dessen frühere Arbeiten von einer rechtsextremen Ideologie und offenen Unterstützung des deutschen Nationalsozialismus geprägt waren, wandte sich nach dem zweiten Weltkrieg vermehrt der schwedischen Nationalgeschichte zu. Im Jahr 1957 publizierte er einen historischen Abriss zum Hüttenwerk Fagersta, zu dem auch Österbybruk gehörte. In einem teils essayistischen Stil, doch ebenso unter Einbeziehung zahlreicher Archivdokumente, beschäftigte sich Tigerstedt ausführlich mit der Entwicklung von Österbybruk und ihren Protagonisten, dabei auch die Geschichte der Herrenhausanlage miteinbeziehend.[8] Österbybruk war anschließend mit einem Beitrag von Andra Bandet 1967 Teil der mehrbändigen Serie der Slott och herresäten i Sverige.[9] Der zehnseitige Überblick geht indes nicht über Upmarks Erkenntnisse von 1908 sowie jene von Gösta Selling hinaus, auf die er sich hauptsächlich stützt. Im selben Jahr erschien von Johan Palm eine kurze Abhandlung zu drei in der Kirche erhaltenen Gemälden, die zur Ausstattung des 18. Jahrhunderts zählen.[10]

Die Anlage von Österbybruk wurde 1996 unter Denkmalschutz gestellt.[11] Anlässlich wurden insgesamt 76 Gebäude mit ihrer Entstehungszeit aufgelistet, in das Register des Riksantikvarieämbetet (Swedish National Heritage Board)[12] aufgenommen und dort teils mit Beschreibungen und angehängten Dokumenten versehen. Eine Überblickskarte verzeichnet sämtliche Gebäude.

Annika Carlborg verfasste 2004 an der Swedish University of Agricultural Sciences (SLU – Sveriges lantbruksuniversitet) in Uppsala eine Abschlussarbeit, die sich dem Küchengarten widmet und eine historische Analyse sowie ein Konzept zu Erhaltung und Rekonstruktion vorlegt.[13] Im Jahr 2007 erschien eine Dissertation von Jan G. Holmberg, die sich in vergleichender Perspektive mit Orangerien in Uppland aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beschäftigt. Die Orangerie von Österbybruk wird näher besprochen, neben weiteren Orangerien im Kontext von Wallonenschmieden, so Lövstabruk, Gimo, Forsmark und Harg.[14] Claës Tamm beschäftigte sich 2008 mit der Geschichte und Dokumentation der im Herrenhaus im 19. Jahrhundert aufbewahrten Kunstsammlung.[15] Im Jahr 2010 wurde unter Verantwortung des Upplandsmuseet in Uppsala von Per Lundgren ein Bericht zur Restaurierung des freistehenden Glockenstuhls (klockstapel) erstellt.[16] Zwei Jahre später entstanden ebenfalls durch Per Lundgren im Auftrag der Österbybruk verwaltenden Bruno-Liljefors-Stiftung eine restauratorische Bestandsaufnahme der Innenräume, verbunden mit einem Überblick über die Geschichte des Hauses und zwei variierenden Restaurierungsvorschlägen. Lundgren verfasste außerdem einen Überblick zu Architektur und Geschichte der Stallanlage mit Blick auf zeitweilige Pläne der Stiftung, das Gebäude an einen Investor zu verkaufen und in ein Hotel umzuwandeln.[17]

Im Jahr 2022 gab die Sällskapet Vallonättlingar, ein Verein zur Bewahrung der Geschichte und Kultur der Wallonen in Schweden, einen Sammelband zu Österbybruk heraus. Darin werden im Rahmen einer Regionalgeschichtsforschung zahlreiche Beiträge insbesondere zur Eisenhütte und deren sozialem Kontext bzw. der wallonischen Arbeiterschaft und ihrem Alltag versammelt. Kunsthistorische Fragestellungen spielen eine untergeordnete Rolle.[18]

Insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert waren mit De Geer und Grill über mehrere Generationen hinweg zwei Familien in Österbybruk präsent, die zu den einflussreichsten Protagonisten der schwedischen Handels- und Finanzeliten zählten und sich auch baulich an zahlreichen Orten hervortaten. In den Familienmitgliedern gewidmeten Untersuchungen wird Österbybruk wiederholt berücksichtigt; die holländische Herkunft beider Familien rückte zudem den Kontext reformierter Einwanderer und ihre Netzwerke in den Blick.[19] Die Grill-Familie pflegt bis heute eine Webseite[20], auf der regelmäßig zur Familiengeschichte publiziert wird. Von Mårten Persson wurde eine Sammlung seiner dortigen Beiträge als Buch herausgebracht[21]; derselbe Autor beschäftigte sich u.a. überblickend mit den Sammlungs- und Bauaktivitäten der Familie.[22] In Aufsätzen wurden einzelne Kunstobjekte im Besitz der Familie Grill behandelt.[23] Auch der Familie Tamm, in deren Besitz sich Österbybruk im 19. Jahrhundert befand, wurden mehrere Abhandlungen gewidmet.[24] Zu erwähnen ist darüber hinaus die umfangreiche Literatur zur Geschichte der Eisenhütten und des Eisenhandels im schwedischen 18. Jahrhundert.[25] Aus einer wirtschafts- und sozialhistorischen Perspektive findet Österbybruk hier wiederholt Beachtung. Mit einem regionalgeschichtlichen Interesse erschienen zudem in der durch den lokalen Verein Dannemora Hembygdsförening von 1989 bis 2014 und erneut ab 2021 jährlich herausgegebenen Zeitschrift Dannemorabygden zahlreiche Beiträge zu Österbybruk.[26] Generell ist die regionale Forschung zu Österbybruk umfangreich, deren Ergebnisse jedoch oftmals in nicht-wissenschaftlicher Form präsentiert werden.

Im Jahr 2023 wurde im Rahmen der Projektarbeit des Herrenhauszentrums durch GeoSphere Austria eine Bodenradaruntersuchung des Geländes um das Herrenhaus durchgeführt. Bisherige Erkenntnisse, insbesondere zur heute nicht mehr sichtbaren Gartengestaltung, konnten dadurch bestätigt und vertieft werden.

Das Archivmaterial (Abb. 5-7) zu Österbybruk ist äußerst umfangreich und heute Teil von mindestens 25 Archiven, die sich mehrheitlich an verschiedenen Standorten des Riksarkivet befinden.[27] Die größte Materialsammlung wird im Arkiv Österby bruk mit 252,9 Regalmetern in Uppsala aufbewahrt. Die Archivdokumente betreffen in großem Maße die Eisenhütte, doch ebenso Besitzverhältnisse, Baugeschichte und Entwicklung des Herrenhauses. Der diesbezüglich relevante Archivbestand wurde bislang nicht vollständig gesichtet und nur punktuell ausgewertet.

Die andauernde Digitalisierung ermöglicht bereits einen weitreichenden Zugang zu Dokumenten und Bildmaterial. Hervorzuheben sind die Bestände des Tekniska museet in Stockholm und hier insbesondere die in großen Teilen digitalisierte Sammlung von Carl Sahlin sowie jene von Arvid Gumælius[28], außerdem die Bildersammlung des Jernkontoret mit einem Schwerpunkt auf Bergbau, Metallverarbeitung, Eisen- und Stahlerzeugung. Zu verweisen ist ebenso auf die digitalisierten Inventarlisten mehrerer Besitzenden von Österbybruk in der zweiten Hälfte des 18. und dem beginnenden 19. Jahrhundert.[29]

Abb. 5 Österbybruk, Auszug aus einem Inventar von 1734, Riksarkivet Uppsala, Österby bruks arkiv I, Series B1, Vol. 108
Abb. 6 Specification uppå den stybyggnad, som är giord wid Österby Bruuk seden 1721, 1737, Riksarkivet Uppsala, Österby bruks arkiv I, B 1: Handlingar rörande bruket, 10 (1724–1810)
Abb. 7 Büchersammlung von Johan Abraham Grill, Auszug aus dem Nachlassinventar 1799, Riksarkivet Uppsala, Österby bruks arkiv I, B 1: Handlingar rörande bruket, 22 (1797–1814)
  1. Vgl. Nybom 1947, Rollin 1849, Rollin 1855. Eine nähere Beschäftigung mit diesen literarischen Texten bei Hedberg 2013, S. 25–45.
  2. Vgl. Rollin 1841. Zu Rollins Text siehe Hedberg 2013, S. 33.
  3. Vgl. Rollin 1841, n.p.; Hedberg 2013, S. 33.
  4. Pehrsson, zeitweise brukspredikant in Österby, verfasste 1905 eine Dissertation zum religiösen Umfeld der eingewanderten Wallonen in Schweden (vgl. Pehrsson 1905). Als eine Art Vorstudie hierzu erschien 1899 ein Buch speziell zu Österbybruk in Form einer detaillierten Chronik. Vgl. Pehrsson 1899. Siehe zu Pehrsson auch Hållander 1999, S. 24.
  5. Vgl. Upmark 1908.
  6. Vgl. Hahr 1933.
  7. Vgl. Selling 1934; Selling 1937, S. 97–99 [zum Garten]; Selling 1937, S. 251–258 [zum Herrenhaus].
  8. Vgl. Tigerstedt 1957.
  9. Vgl. Bandet 1967.
  10. Vgl. Palm 1967/1968.
  11. Vgl. https://bebyggelseregistret.raa.se/bbr2/show/bilaga/showDokument.raa?dokumentId=21000001833829&thumbnail=false (12.04.2023).
  12. Vgl. https://bebyggelseregistret.raa.se/bbr2/sok/searchResult.raa?ts=1724877767077 (28.08.2024).
  13. Vgl. Carlborg 2004.
  14. Vgl. Holmberg 2007, zu Österbyruk insbesondere S. 101–110.
  15. Vgl. Tamm 2008.
  16. Vgl. Lundgren 2010.
  17. Vgl. Lundgren 2012a, Lundgren 2012b, Lundgren 2012c.
  18. Vgl. Ett levande vallonbruk 2022.
  19. Vgl. etwa Bedoire 2013.
  20. Vgl. https://grilliana.wordpress.com/startsida/ (12.03.2024).
  21. Vgl. Persson 2017.
  22. Vgl. Persson 2019.
  23. Vgl. etwa zu einem Toilettenspiegel Holmquist 1956 oder zum Porzellan und einigen Porträts Karlsson/Ernstell 2019.
  24. Vgl. etwa Holmbring 1997, Lagercrantz 2009.
  25. Vgl. etwa die Bibliographie in Evans/Rydén 2007, S. 328–344, oder jene bei Tjärnlund 2022, S. 367–376.
  26. Die Zeitschrift erschien 1989 bis 2014 unter dem Namen Dannemorabygden, ab 2021 unter Nya Dannemorabygden. Ein Inhaltsverzeichnis der Jahre 1989 bis 2014 findet sich unter https://www.hembygd.se/dannemora/file/4098864 (19.05.2023).
  27. Siehe https://sok.riksarkivet.se/?ValdSortering=DatumStigande&PageSize=20&Sokord=Österbybruk&EndastDigitaliserat=false&typAvLista=Standard&AvanceradSok=False&page=1&FacettState=undefined%3Ac%7CgG8Klw%3Ac%7C&FacettFilter=arkis_ark_typ_facet%24Arkiv%3A#tab (09.06.2023).
  28. C. Sahlin legte eine umfangreiche Materialsammlung zu schwedischen Eisenhütten und Bergwerken an; der Bergbauingenieur A. Gumælius (https://sv.wikipedia.org/wiki/Arvid_Gumælius_(ingenjör)) war 1914–1931 in Österbybruk beschäftigt und trug ebenfalls eine große Materialsammlung zusammen. Vgl. https://www.tekniskamuseet.se/en/collections/archives/ (12.06.2023); die digitalisierten Dokumente finden sich unter https://digitaltmuseum.se (12.06.2023).
  29. Vgl. beispielsweise das Nachlassinventar von Henrik Wilhelm Peill, 1797, Film och Dannemora tingslags häradsrätt, SE/ULA/10249, Volym F:2, Nr. 99, https://sok.riksarkivet.se/bildvisning/C0104822_00391 (05.03.2024), oder das Nachlassinventar von Anna Johanna Grill (III), 1809–1810, Tierps tingslags häradsrätt, SE/ULA/11545, Volym F:5, Nr. 120, https://sok.riksarkivet.se/bildvisning/C0104617_00331 (05.03.2024).