11. Kirche

Aus Herrenhäuser
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Zu Beginn der 1630er Jahre begannen die Umgestaltungen des Herrenhaus-Areals unter Jean Jacques De Geer mit der Errichtung zweier sich gegenüberliegenden Gebäude, die später zu den Vorbauten Corps-de-Logis wurden. Eines der Gebäude wurde am 30. November 1735 zur Kirche geweiht (Abb. 22).[1] Ihr Standort ließ diese Brukskyrka zu einem integralen Bestandteil der repräsentativen Herrenhausanlage werden, doch diente sie in erster Linie der mehrheitlich calvinistisch geprägten wallonischen Bevölkerung, die seit dem 17. Jahrhundert in der Eisenhütte beschäftigt war.[2] Österby hatte eigene Prediger: Der erste – Jacques Potheuck – kam 1636 aus Amsterdam und auch seine Nachfolger sind namentlich überliefert.[3] Architektonisch folgt die Kirche demselben Schema wie das ihr gegenüberliegende Wohnhaus. Leitgebend war dabei die Errichtung eines Ensembles aus Herrenhaus und passenden Vorbauten, so dass die Kirche eine entsprechend weltliche Gestaltung erhalten hat. Der schlichte Bau auf rechteckigem Grundriss[4] hat ein Säteridach mit schwarz geteerten Schindeln und ovalen Dachgauben; die Fenster auf der Westseite gab es ursprünglich nicht. Während der Haupteingang zum Norden liegt, gab es einst im Chor auf der Südseite eine weitere kleine und heute zugemauerte Tür, die von den Bewohner:innen des Herrenhauses benutzt wurde.[5]

Der Innenraum der Kirche besteht (Abb. 231–236) aus einem Vorraum mit Aufgang zur Empore und einigen kleinen angrenzenden praktikablen Räumen sowie einem großen rechteckigen Kirchenraum. Dessen Ausstattung ist einfach: Die Wände sind hell getüncht und zur Decke mit einer profilierten, marmorierten Leiste abgegrenzt. Der Gewölbespiegel ist nochmals durch umlaufende Leisten abgesetzt. Die Decke ist grau mit wolkenähnlichen Strukturen und Sternen gestaltet.[6] Einzelne Gemälde und Ausstattungsobjekte setzen Akzente[7]: Aus der unmittelbaren Entstehungszeit der Kirche stammt die Kanzel aus dem Jahr 1736, die mit vergoldeten Stuckelementen, Engelsköpfen und Girlanden geschmückt und mit dem von Löwen flankierten Wappen der De Geers bekrönt ist. Verwiesen ist auf Jean Jacques De Geer, der die Kosten für die Kirche getragen hatte.[8] Das Altarbild zeigt eine Kreuzabnahme, die von Lorens Gottman um 1750 nach einem Gemälde von Jean Jouvenet von 1697[9] entstanden ist. Jouvenets Gemälde hat Gottman vermutlich nicht im Original gekannt, sondern seine Version nach einem Stich[10] geschaffen, worauf die seitenverkehrte Darstellung und die vom Original gänzlich abweichende Farbwahl verweisen.[11] Das Gemälde wurde wahrscheinlich im Zuge der Neuerrichtung des Herrenhauses in der Kirche aufgehängt.[12] Hervorzuheben ist außerdem die Empore mit der Orgel, die von vier Säulen getragen wird. Zentral ist das vergoldete Wappen der Grills angebracht, ein von einer Blumengirlande eingefasster Kranich mit einer Grille im Schnabel (Abb. 57).

Auch eine der Liedertafeln stammt noch aus dem Jahr 1750; eine zweite ist eine Gipskopie von 1904.[13] Schließlich zählen vermutlich zwei weitere Gemälde zur Ausstattung des 18. Jahrhunderts: So eine seitenverkehrte Kopie eines unbekannten Künstlers nach Peter Paul Rubens Der Zinsgroschen[14], die wahrscheinlich ebenfalls auf einen Stich zurückgeht, wenn auch die Farbgebungen durchaus nah am Original bleiben.[15] Ein weiteres Gemälde zeigt Isaak, der Jakob segnet, geschaffen 1551 von dem flämischen Maler Jan Sanders van Hemessen. Das Werk war einst im Besitz von Kaiser Rudolf II. in Prag und gelangte im 30jährigen Krieg als Beute nach Schweden – sein Weg in den Besitz der Familie De Geer und die Kirche von Österbybruk ist unklar.[16] Weitere Objekte sind späteren Datums; vieles wurde anlässlich einer umfassenden Restaurierung 1953–1954 eingerichtet.[17]

Zur Kirche von Österbybruk gehört ein freistehender, hölzerner Glockenturm (Klockstapel), der vermutlich im Zuge des Baus der Kirche um 1735 errichtet wurde (Abb. 237, 238). Sein ursprünglicher Standort direkt an der Ecke der Långgatan und Gimogatan, wo sich die Wohnhäuser der Arbeiterschaft befanden, war bewusst gewählt und zeigt, dass seine Funktion nicht nur darin bestand, zum Gottesdienst zu rufen, sondern auch die täglichen Arbeitszeiten der Menschen zu regeln oder besondere Ereignisse anzukündigen.[18] Anlässlich einer grundlegenden Restaurierung 2010 wurde der Glockenturm aus konservatorischen Gründen um wenige Meter versetzt.[19] Der Zeiger des Ziffernblatts zeigt nur die Stunden an. Auf einem Gemälde von Lorens Gottmann, vermutlich in den 1760er Jahren entstanden, erscheint der Glockenturm prominent in der rechten Bildmitte[20] (Abb. 134).

Wenige Jahre nach der Wiederaufnahme der Bauarbeiten am Corps-de-Logis in Österbybruk wurde 1767 auch die nahe Österby gelegene Kirche von Film (Abb. 239), deren Bau wahrscheinlich in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückreicht, durch einen großen Anbau für die Arbeiterschaft der Eisenhütte erweitert. Dies geschah in erster Linie in Antwort auf die deutlich gestiegene Bevölkerungszahl in Österbybruk und naher Umgebung. Carl Johan Cronstedt fertigte 1765 eine Fassadenzeichnung an.[21] In der Kirche befindet sich das Grab des 1756 verstorbenen Antoine De Geer sowie ein ihm gewidmetes Epitaph von 1770. Auch die Familie Tamm, in deren Besitz Österbybruk im 19. Jahrhundert war, wählte die Kirche in Film als ihren Begräbnisort und ließ dort ein Kolumbarium errichten, das 1832 fertiggestellt wurde.[22]

Generell stand den zahlreichen profanen Neubauten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Region eine äußerst geringe Bautätigkeit im sakralen Bereich gegenüber. Manche Kirchen aus Holz wurden nach und nach durch repräsentativere Steinbauten ersetzt. In den uppländischen Eisenhütten begannen die Erneuerungen auch die Kirchen betreffend nach dem Großen Nordischen Krieg und zogen sich bis in das 19. Jahrhundert, wobei die Gebäudetypen äußerst vielfältig waren. Zuerst erhielt Lövstabruk 1727 einen neuen Kirchenbau (Abb. 240), gefolgt von Österbybruk, wo man sich auch architektonisch zweifelsohne an Lövsta orientierte. Während es in Gimo überraschenderweise keine Kirche gab, wurden in Forsmark und Söderfors erst in den 1790er Jahren eigene Kirchenbauten errichtet und dies von überregional bekannten Architekten. Während in Forsmark Olof Tempelman beschäftigt wurde, verpflichte Adolf Ulrik Grill in Söderfors Erik Palmstedt, der etwa 20 Jahre zuvor in Österbybruk tätig gewesen war: Die familiären Netzwerke spielten für die Wahl des Architekten zweifelsohne eine Rolle.[23] In Forsmark und Söderfors besaßen die Besitzer der Eisenhütten auch die Patronatsreche und verbanden so ihren wirtschaftlichen Aufstieg mit den traditionellen Symbolen einer Aristokratisierung.[24]

Abb. 22 Österbybruk, Vorbau: Kirche (brukskyrka), 1730er Jahre
Abb. 231 Österbybruk, Innenraum der Kirche
Abb. 232 Österbybruk, Innenraum der Kirche (Altar)
Abb. 233 Österbybruk, Innenraum der Kirche (Kanzel)
Abb. 235 Österbybruk, Innenraum der Kirche (Kanzel)
Abb. 236 Österbybruk, Innenraum der Kirche (Detail der Kanzel)
Abb. 237 Österbybruk, Klockstapel
Abb. 239 Kirche in Film
Abb. 240 Kirche in Lövstabruk
  1. Vgl. Upmark 1908, S. 324.
  2. Für die wallonische Gemeinde existierte bereits vorher eine Kirche – ein Holzbau –, deren Standort jedoch unbekannt ist. Vgl. Gille 2022d, S. 99 [ohne Quellenangabe].
  3. Im Einzelnen: Robert Meaux 1640–1645, Hübertus 1651–1663, Hoseas bis 1689, Magnus Filmerus 1689–1713, Olaus Brådde 1713–1722, Karl Vijkblad 1722–1735, Andreas Östmark 1735–1745, Daniel Grevellius 1745–1760, Petrus Kiellström 1761–1773, Petrus Kiörning 1773–1786, Johan Waldius 1786–1826. Vgl. Gille 2022d, S. 95 [ohne Quellenangabe]; Mattson 2022, S. 101 [ohne Quellenangabe].
  4. Die Kirche mit ihrer Ausstattung befand sich im Besitz der Eisenhütte bis sie 1974 von Fagersta AB an die Gemeinde Films übergeben wurde. Österbybruk besitzt keinen eigenen Friedhof, sondern der gemeinsame Friedhof befindet sich in Film. Vgl. https://bebyggelseregistret.raa.se/bbr2/anlaggning/visaMotivering.raa?anlaggningId=21320000039508&varderingId=21000001865028 (12.04.2023).
  5. Vgl. die Übersicht von G. Ahlbäck, https://www.svenskakyrkan.se/dannemorabygden/die-brukskirche-in-osterbybruk (11.04.2023); die Türe selbst ist laut Monica und Claes Gille noch erhalten, vgl. Gille 2022d, S. 100 [ohne Quellenangabe].
  6. Vgl. die Übersicht von G. Ahlbäck, https://www.svenskakyrkan.se/dannemorabygden/die-brukskirche-in-osterbybruk (11.04.2023).
  7. Eine kurze Übersicht auch bei Upmark 1908, S. 324–325.
  8. Vgl. die Übersicht von G. Ahlbäck, https://www.svenskakyrkan.se/dannemorabygden/die-brukskirche-in-osterbybruk (11.04.2023).
  9. Vgl. Jean Jouvenet, La descente de Croix, 1697, Paris, Musée du Louvre, Département des Peintures, INV 5493, https://collections.louvre.fr/en/ark:/53355/cl010060703 (11.04.2023).
  10. Jouvenets Gemälde wurde im 18. Jahrhundert vielfach kopiert und in einem Stich durch Louis Desplaces verbreitet.
  11. Vgl. die Übersicht von G. Ahlbäck, https://www.svenskakyrkan.se/dannemorabygden/die-brukskirche-in-osterbybruk (11.04.2023).
  12. Vgl. Palm 1967/68, S. 81.
  13. Vgl. Die Übersicht von G. Ahlbäck, https://www.svenskakyrkan.se/dannemorabygden/die-brukskirche-in-osterbybruk (11.04.2023).
  14. Peter Paul Rubens, The Tribute Money [Der Zinsgroschen], um 1610–1615, Fine Arts Museums of San Francisco, https://www.famsf.org/artworks/the-tribute-money (11.04.2023). Das Gemälde wurde mehrfach kopiert.
  15. In Frage kommt etwa ein Stich der Szene von Lucas Vorsterman, der um 1617–1623 für Rubens arbeitete.
  16. Vgl. die Übersicht von G. Ahlbäck, https://www.svenskakyrkan.se/dannemorabygden/die-brukskirche-in-osterbybruk (11.04.2023); zur Geschichte des Bildes siehe näher Palm 1967/68, S. 82–86.
  17. Vgl. die Übersicht von G. Ahlbäck https://www.svenskakyrkan.se/dannemorabygden/die-brukskirche-in-osterbybruk (11.04.2023).
  18. Vgl. https://bebyggelseregistret.raa.se/bbr2/anlaggning/visaMotivering.raa?anlaggningId=21320000039508&varderingId=21000001865028 (12.04.2023). Der Glockenstuhl ist auch auf einem Aquarell von Elias Martin aus den 1790er Jahren abgebildet. Vgl. Lundgren 2010, S. 5; https://pub.raa.se/visa/dokumentation/51e9fb11-4dfc-4116-bd33-74b070a2bf96 (11.04.2023).
  19. Vgl. Lundgren 2010, S. 6.
  20. Vgl. zu dem Gemälde näher [interner Link].
  21. Vgl. Vikström 2004, S. 84, 92; Gille 2022d, S. 98 [ohne Quellenangabe]. Eine Übersicht zur Kirche unter http://kulturarvsdata.se/raa/bbr/html/21300000003530 (11.04.2023); hier auch ein Dokument mit einer Chronologie und Inventarisierung aus dem Jahr 2004 durch Gunnar Ahlbäck, https://bebyggelseregistret.raa.se/bbr2/show/bilaga/showDokument.raa?dokumentId=21000001825439&thumbnail=false (11.04.2023).
  22. Vgl. Gille 2022d, S. 99 [ohne Quellenangabe].
  23. Vgl. Lindahl 2004, S. 66–67; Vikström 2004, S. 83–85. Zu den Kirchen in den Eisenhütten von Forsmark und Söderfors vgl. näher ebd. S. 90–92. Zu Palmstedt in Söderfors siehe auch Setterwall 1945, S. 390–395.
  24. Vgl. Vikström 2004, S. 84.