07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur

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Adrian Bernhard von Borcke (1668–1741) (Abb. 19) war unter König Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) die Karriereleiter heraufgestiegen und zu hohem Ansehen gekommen. Aus Repräsentationszwecken und auch „zu Ehren der Familie“[1] entschloss sich von Borcke 1717 ein schlossartiges Herrenhaus zu errichten.[2] Als Standort wählte er das Dorf Stargordt (Abb. 3), welches verkehrsgünstig inmitten seines Grundbesitzes an der Kreuzung der Landstraßen von Labes (heute Lobez) und Schivelbein (heute Swidwin) nach Regenwalde (heute Resko) führte. Das Bauwerk sollte "zu den hervorragenden Beispielen ländlicher Schlossbaukunst der Zeit"[3] gehören (Abb. 4). Durch Lieferungen von Eichenholz für die Errichtung des Treppenhauses sowie des Dachstuhls unterstützte König Friedrich Wilhelm I. den Bau. Zudem schenkte er Borcke verschiedene Ausstattungsgegenstände für die Ausschmückung der Räume.[4]

Johann Bernoulli (1744–1807) schreibt in seiner Reisebeschreibung „dem schönen, nach der neuern Bauart aber dauerhaft ausgeführten Landhause ist allerley der Aufmerksamkeit werth.“[5] Wer das Herrenhaus entworfen hat, ist bisher nicht bekannt. Wulf-Dietrich von Borcke vermutet, dass es sich aufgrund der Art und Weise der Gestaltung nicht ein aus dem Maurerhandwerk hervorgegangener Landbaumeister war, sondern ein am preußischen Hof beschäftigter Architekt.[6] Hubertus Neuschäffer spricht allerdings von einem holländischen Baumeister.[7] Vermutlich ist das ein Irrglaube, da die ‚holländisch‘ anmutenden An- und Umbauten vorwiegend erst im 19. Jahrhundert stattfanden.[8] Der in den 1770er Jahren fertiggestellte Plan (Abb. 8) mit dem Grundriss des Hauses legt die Vermutung nahe, dass das Herrenhaus von Anfang an nicht als isolierter Bau, sondern als Teil einer größeren, um eine Hauptachse gruppierten einheitlichen Gutsanlage geplant war.[9]

Die Anfahrt zum Herrenhaus verläuft laut diesem Plan (Abb. 8, 8A) über den Gutshof, den eigentlichen Mittelpunkt des Gutsbetriebes. Dieser Platz wird durch drei Seiten durch Ställe, Scheunen und Werkstätten begrenzt und ist zum Hauptgebäude hin offen. Rechts und links des Herrenhauses gab es zwei Flügel als Wohn- und Wirtschaftsgebäude zur Unterbringung von Bediensteten und Wirtschaftszwecke (vgl. 10. Wirtschaftsgebäude). An den Seiten der Gutsanlage waren weitere Wirtschaftsgebäude sowie Obst- und Gemüsegärten vorgesehen. Hinter dem Hauptgebäude erstreckte sich ein nach französischem Stil streng symmetrisch angelegter Barockgarten auf fast quadratischem Grundriss. Von hier aus führte eine Mittelachse in den Park hinein, an dessen Ende sich drei Fischteiche befanden, die aus einer Quelle mit Wasser versorgt wurden (vgl. 09. Garten und Park).[10]

Das Hauptgebäude der Anlage, das von 1717 bis 1721 erbaut wurde,[11] zeigt sich in seiner frühesten Ansicht auf einer Lithographie von Alexander Duncker 1861 (Abb. 4).[12] Hier sieht man die dem Hof zugewandte Barockfassade mit neun Achsen, zweigeschossig und mit Mansardenwalmdach. Der dreiachsige Mittelrisalit hat eine Pilastergliederung. Ab 1840 erhebt sich dort ein Volutengiebel, der darin eingelassene Wappenstein der von Borckes trägt die Jahreszahl 1840 (Abb. 21).[13] Die Seitenrisalite sind einachsig, die hohen Fenster jeweils von Kolossalpilastern flankiert. Das Hauptportal wird von Doppelpilastern geschmückt, das obere Fenster erhielt hier eine Muschelbekrönung. Mittel- und Seitenrisalit werden oberhalb durch ein leicht vorgezogenes Dach mit Mansardenfenstern abgeschlossen. Die Gartenfassade war ähnlich der Hofseite gestaltet (Abb. 22), jedoch besaß der Mittelrisalit einen kräftigeren Vorsprung.[14] Der Mittelrisalit wurde durch eine Terrasse abgeschlossen (Abb. 23). Von hier führte eine Treppe hinunter in den Garten und Park.

Es werden finanzielle und betriebswirtschaftliche Gründe gewesen sein, die den Idealentwurf von 1778 nicht ganz zu seiner Ausführung gebracht haben. Es ist allerdings bekannt, dass Heinrich Adrian von Borcke (1715–1788) (Abb. 20) den Hauptbau der Anlage 1741 durch den Anbau von zwei zweigeschossigen Seitenflügeln in Fachwerk erweitern ließ, die durch eingeschossige Verbindungstrakte mit dem Hauptbau verbunden waren.[15] So entstand durch die neu geschaffene Dreiflügelanlage dem Charakter nach eine Maison de Plaisance. Kurz darauf werden die Wirtschaftsgebäude davor und westlich davon erbaut, die auch bereits auf dem Urmesstischblatt von 1834 zu erkennen sind (Abb. 13).

  1. Vgl. Sello 1912, S. 120.
  2. Von dem laut einer Urkunde 1602 entstandenen Vorgängerbau, der von Landrat Andreas von Borcke (1568–1651) errichtet wurde, ist das Aussehen nicht bekannt, vgl. Borcke 2013, S. III.
  3. Vgl. Borcke 2013, S. IV.
  4. Vgl. Borcke 2013, S. IV.
  5. Vgl. Bernoulli 1779, S. 73.
  6. Vgl. Borcke 2013, S. IV.
  7. Vgl. Neuschäffer 1993, S. 231. So lautet auch die Familienüberlieferung lt. Borcke 1938, S. 58.
  8. Etwa der hofseitige Giebel wurde erst 1840 erbaut.
  9. So auch Borcke 2013, S. IV.
  10. Vgl. Borcke 2013, S. IV–V.
  11. Vgl. Borcke 2013, S. IV. Bethe 1938, S. 137 gibt als Bauzeit 1717–1721 an.
  12. Vgl. Duncker, Bd. 5, Berlin 1862–1863, https://digital.zlb.de/viewer/image/14779821_05/127/LOG_0037/ (12.02.2025).
  13. So auch Borcke 2013, S. VI.
  14. Meines Erachtens ist nicht ganz gewiss, ob der 'holländisch' anmutende Voluten-Giebel zur Parkseite aus dieser Zeit stammt oder ebenfalls im 19. Jahrhundert gebaut wurde.
  15. Vgl. Borcke 2013, S. V, Anm. 33. Sello 1912, nennt die Jahreszahl 1741, Duncker 1858–1883, S. W.270 das Jahr 1742 und Lemcke 1912, S. 407 1743. Auslöser war aber in jedem Fall der Tod des Vaters und der Übergang der Anlage in die Hand des Sohnes.
Abb. 19 unbekannter Künstler, Portrait Graf Adrian Bernhard von Borcke
Abb. 8 Stargordt, Lageplan "Grundriss des Hochgrätlichen v. Borcke Rittersitzes zu Stargordt", um 1770
Abb. 1 Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Gartenseite, um 1930
Abb. 21 Stargordt, Herrenhaus, Giebel Hofseite, Wappenstein von Borcke, Zustand 2023
Abb. 22 Stargordt, Herrenhaus, Ansicht Gartenseite mit Terrasse, um 1930
Abb. 23 Stargordt, Herrenhaus, Gartenseite, Terrassentreppe, Zustand 2023
Abb. 13 Stargordt, Messtischblatt 1834, Ausschnitt