08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Gesamtanlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park
- 10. Wirtschaftsgebäude
- 11. Kirche und Dorfstrukturen
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Geophysikalische Prospektion und digitale Dokumentation
- 14. Quellen- und Literaturverzeichnis
Die Abmessungen des Gebäudes betrugen laut Wulf-Dietrich von Borcke 32,90 x 13,70 m (Abb. 24, 25).[1] Die Räume des Erdgeschosses waren nach dem Prinzip des Appartement double angeordnet und durch hintereinander in einer Reihe angeordnete Türen auf zwei Achsen, sogenannten Enfiladen, hof- und gartenseitig miteinander verbunden. Von der Eingangshalle (Abb. 26) führte eine schwere, aus Eichenholz gezimmerte Treppe mit derb geschnitzten flachen Balustern in drei Läufen durch die Geschosse (Abb. 26, 28). Im Obergeschoss befand sich der Festsaal (Abb. 29), der in gleicher Größe über dem Gartensaal lag (Abb. 27, 30). Ansonsten ist über das obere Stockwerk keine Zimmereinteilung bekannt – eine vergleichbare wie im Erdgeschoss ist jedoch zu vermuten. Der Schweizer Reiseschriftsteller Johann Bernoulli (1744–1807) besuchte auf seinen Reisen zu den hinterpommerschen Gütern zwischen 1777 und 1778 auch Stargordt und berichtet: „In dem schönen, nach der neueren Bauart aber dauerhaft aufgeführten Landhaus ist allerley der Aufmerksamkeit werth. Von den brüsseler und berliner Hautelissetapeten, von reichen chinesischen Tapeten will ich nicht viel Worte machen; hingegen von Gemälden kann ich nicht umhin, etwas mehr zu sagen. Die Wände der Treppe und des oberen Flures sind mit Gemälden behangen, die ziemlich gut sind und die alte Geschichte betreffen; sie kommen aus dem herzoglichen Schloss zu Wolgast her, wo sie die Decke eines Saales zierten.“[2] Nachfolgend hielt sich Bernoulli längere Zeit vor dem Gemälde der „unglücklichen und sehr berüchtigten“ Sidonia von Borcke (Abb. 31)[3] auf, die der Sage nach wegen verschmähter Liebe eines der Fürstensöhne durch ihre Zauberkunst den Untergang des pommerschen Herzoghauses herbeigeführt haben soll und deshalb 1620 den Tod auf dem Scheiterhaufen erleiden musste.[4] Bernoulli beschreibt weiter, dass „in den Zimmer sind, nebst einigen andern guten Gemälden, Porträte, theils von fürstlichen Personen, theils von dem seit uralten Zeiten glänzenden Geschlechte der Borcken in großer Anzahl zu sehen“ (Abb. 27). Hier erwähnt er ein Portrait einer preußischen Prinzessin und ordnet es Johann Friedrich August Tischbein (1750–1812) zu. Es wird sich hier wohl um das Gemälde im Gartensaal über der mittleren Flügeltür gehandelt haben. „Weit merkwürdiger als die Malereyen“, berichtet Bernoulli weiter, war „die vortreffliche Büchersammlung, der vielleicht wenige Privatbibliotheken gleich geschätzt werden können und worin man insonderheit einen reichen Schatz von kostbaren Werken zur Historie und Naturgeschichte findet... Ich habe in der Bibliothek des Generals von Borcke eine große Menge der schönen illuminierten Kupferstichwerke von der Naturgeschichte angetroffen.“[5] Unter anderem erwähnt Bernoulli hier die Pariser Sammlung der Arts & Metiers und sein eigenes Werk Reise durch Deutschland, außerdem historische Werke, eine große Menge an Reisebeschreibungen, Histoires und Memoires, den Montfaucon, das „prächtige Werk des Marsigli“, die „Bibliothek des Don Quixote“ etc.[6] Die Bibliothek nahm damals einen „schönen, aber leider sehr feuchten Saal des Bodengeschosses, gegen den Garten“ ein. Graf von Borcke betrieb die Naturwissenschaft, das Sammeln von Insekten und Schmetterlingen, offenbar als Hobby und Bernoulli berichtet von der Gewohnheit „microscopischer Beobachtungen.“[7] Die Eingangshalle wurde von zwei prächtigen Danziger Barockschränken geschmückt (Abb. 32–34). Acht farbenprächtige flämische Gobelins mit Szenen aus der antiken Mythologie in Anlehnung an Ovids Metamorphosen[8] schmückten die Wände verschiedener Räume, jeweils 8,00 x 4,00 m und 4,00 x 1,40 m (Abb. 35–40). Auch diese waren ein Geschenk Friedrich Wilhelms I. Im Festsaal, der sich im oberen Stockwerk[9] über dem Gartensaal befand, existierte eine im Stil des Rokoko mit Schäferszenen bemalte Leinwand, die die Wände zierte (Abb. 29). Die meisten Räume (Abb. 41–46) waren vor der Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 mit Möbeln des 19. Jahrhunderts ausgestattet, vor allem die typischen weißen Gebrauchsmöbel im Empirestil, die man bereits damals per Katalog bestellen konnte. Um sie herum gruppierte sich eine Fülle an Mobiliar älterer Stilepochen (Abb. 48–51). Unter den Gemälden sind vier zur Ahnengalerie gehörende, vom preußischen Hofmaler Antoine Pesne (1683–1757)[10] geschaffene Portraits besonders erwähnenswert, eins davon das Bildnis des Grafen Heinrich Adrian von Borcke, seiner Gemahlin Wilhelmine Henriette, geborene von Brandt, und ihres neunjährigen Sohnes Friedrich Heinrich Christian aus dem Jahr 1753 (Abb. 47).[11] Bekannt ist außerdem eine Spiegeluhr (Abb. 52), ein Geschenk Friedrich Wilhelms II. (1744–1797). Ein großes Glück ist es, dass die Fotografin Alice O’Swald-Ruperti (1904–1989),[12] vielleicht in weiser Vorahnung, das Herrenhaus 1944 mit seinen Innenräumen ausführlich dokumentierte. So blieben uns zahlreiche Fotografien des Hauptgebäudes erhalten.[13] Ihre Aufnahmen zeugen zusammen mit weiteren Abbildungen davon, wie prachtvoll Stargordt eins von innen und außen ausgesehen hat (u.a. Abb. 31–52).
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