12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 01. Einführung
- 02. Forschungsstand
- 03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert
- 04. Überblick zur Gesamtanlage
- 05. Wirtschaftlicher Kontext
- 06. Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert
- 07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur
- 08. Innenräume im 18. Jahrhundert
- 09. Garten und Park
- 10. Wirtschaftsgebäude
- 11. Kirche und Dorfstrukturen
- 12. Geschichte der Anlage nach dem 18. Jahrhundert
- 13. Geophysikalische Prospektion und digitale Dokumentation
- 14. Quellen- und Literaturverzeichnis
Der Bedeutung des Gartens scheinen die Vertreter des Jüngeren Hauses Stargordt beginnend mit Philipp Karl Ludwig von Borcke (1746–1826), die nach dem Aussterben der Älteren Linie im Mannesstamm 1790 das Anwesen übernahmen, weniger Gewicht zuteil kommen zu lassen.[1] Es gibt keine Überlieferungen, dass sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwas an Erhaltung und Pflege des Gartens getan wurde. Bekannt ist allerdings, dass eine Kastanienallee auf der Ostseite hinzugekommen sein muss.[2] Als Philipp Heinrich Gustav Graf von Borcke (1829–1916)[3] nach dem Tode seines Vaters Ernst Theodor Graf von Borcke Stargordt 1848 übernahm,[4] kam es zu den ersten Veränderungen der Anlage. Philipp von Borcke war königlich-preußischer Schlosshauptmann von Stettin und Mitglied des preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit.[5] Ausreichende finanzielle Mittel und auch ausgeprägtes Standesbewußtsein veranlassten ihn zu mehr Repräsentation. Philipp Heinrich Gustav Graf von Borcke beauftragte Ende des 19. Jahrhunderts daher einen Gartenarchitekten mit der Anfertigung eines Gestaltungsplans. Dieser schlug vor, alle geraden Wege und Linien zu beseitigen und das Wegenetz 'naturgerechter' anzulegen. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der Hausherrin Magdalene, geborene von Lehndorff.[6] Die alten Teile blieben also erhalten (Abb. 13), wurden jedoch im Westen erheblich vergrößert und reichten nun bis an die Straße nach Alt Döberitz heran (Abb. 14). Gestaltet wurde dieser Bereich im englischen Landschaftsstil. Hier entstanden auch weitere Koppeln für Vollblutpferde sogenannte Paddocks.[7] Wie man auf der Duncker-Ansicht von 1861 (Abb. 4) erkennen kann, verschwinden zu dieser Zeit die Wirtschaftsgebäude vor und seitlich des Hauptgebäudes. Außerdem wurde vor dem Herrenhaus ein Rasenrondell angelegt (Abb. 64) und der eigentliche Gutshof auf ein freies Grundstück östlich des Hauptgebäudes verlagert (Abb. 14). Die zweigeschossigen, 1741 errichteten Flügelbauten an den Seiten des Herrenhauses erhielten jeweils durch einen quergestellten Anbau am südlichen Ende einen L-förmigen Grundriss (Abb. 65, 66). Mitte des 19. Jahrhunderts wurden für die Zeit typische neogotische turmähnliche Abschlüsse auf die Enden gesetzt. Einer davon, auf der Westseite, ist noch heute erhalten (Abb. 67).[8] Das Messtischblatt der Preußischen Neuaufnahme von 1891 (Abb. 14) zeigt, dass Graf von Borcke am Ende des 19. Jahrhunderts den zwischen dem Verbindungstrakt zum Hauptgebäude und dem Quergebäude befindlichen langen Teil des Ostflügels abreißen ließ, womit er die Symmetrie der Anlage zerstörte. Zu dieser Zeit erhielt das Hauptgebäude an der Westseite einen zweigeschossigen Neubau über quadratischem Grundriss mit einem Pyramidenwalmdach. Form und Stil des Anbaus sind dem Hauptbau angepasst (Abb. 68).[9] Ob ein baugleicher Anbau auf der Ostseite vorgesehen war, ist nicht bekannt. Im Rahmen dieser Aus- und Umbauten wurde, vielleicht zur stärkeren Betonung eines Schlosscharakters, vielleicht aber auch nur aufgrund modischer Trends und persönlicher Vorlieben, der hofseitige Mittelrisalit des Hauptbaus umgebaut. Der Giebel erhielt eine geschweifte Form im Stil des Neobarock mit einem eingefügten Wappenstein mit dem gräflich-von Borcke’schen Wappen und der Jahreszahl MDCCCXL (1840, dem Datum der Erhebung des „Jüngeren Hauses Stargordt“ in den Grafenstand) (Abb. 21).[10] 1926 gelangte das Anwesen an Henning Adrian Graf von Borcke (1897–1968),[11] der das etwas vernachlässigte Herrenhaus nach 1930 außen und innen mit großzügiger finanzieller Hilfe des Staates renovieren und restaurieren ließ.[12] Der noch immer vorhandene östliche eingeschossige Verbindungstrakt des östlichen Quergebäudes wurde wegen Baufälligkeit abgerissen. Der Abschlussbau blieb zwar erhalten, wurde aber verändert: der neogotische Aufbau verschwand und wurde durch ein Pyramidendach ersetzt. Außerdem wurde ein zweigeschossiges Gebäude, ebenfalls mit Pyramidendach, angebaut und durch einen einstöckigen Trakt verbunden (Abb. 69).[13] Zur Landstraße hin grenzte eine Mauer mit aufgesetztem Lattenzaun das Areal ab. Dem Besucher bot sich hier eine eindrucksvolle Fassade mit Rasenrondell mit einer Kanone in der Mitte, einem Geschenk König Friedrich Wilhelms I. an Adrian Bernhard von Borcke (1668–1741) (Abb. 19, 65, 68).[14] Im 20. Jahrhundert veränderte sich auf dem nunmehr 60 ha großen Park nur wenig. Der französische Garten mit seinen Parterren und Bosketten in unmittelbarer Nähe der Treppe auf der Rückseite des Hauses war wohl bereits Ende des 19. Jahrhunderts einer Rasenfläche gewichen, die aber noch von Eibenhecken eingerahmt wurden (Abb. 6). Von hier aus hatte man ursprünglich den Blick auf den Sandsteinobelisken als Point de vue. Der letzte Hausherr Henning Adrian Graf von Borcke (1864–1943),[15] der ein dendrologischer Liebhaber war, pflanzte gerade in dieser letzten Zeit vor 1945 eine größere Anzahl exotischer Gehölze (Abb. 56).[16] Der letzte Besitzer Stargordts und seiner Güter, Henning Adrian Graf von Borcke, lebte mit seiner Frau Hanneliese bis 1945 auf dem Besitz. Dieser erinnert sich noch an die Zeiten seiner Großeltern, die auf Stargordt mehr residierten als wohnten. Er erwähnt die livrierte Dienerschaft, den Stall mit seinen Reit- und Fahrpferden, den Vollblütern in den Paddocks seitlich des Parks, die Meute englischer Jagdhunde für die herbstlichen Reitjagden. Sonntäglich anziehen mussten sich der kleine Henning und seine Geschwister, wenn es nach Stargordt ging, für sie an den „Hof“.[17] Als studierter Land- und Forstwirt wurde er neben seiner Tätigkeit auf Stargordt auch immer wieder zur Beratung von nachbarlichen Gütern hinzugezogen. In den 40er Jahren trat er dem Kreis der Regimegegner bei und verdankte es einem Zufall, dass er in den Tagen des Juli 1944 einer Verhaftung entging.[18] Laut Hubertus Neuschäffer befand sich unmittelbar vor Kriegsende im Gebäude ein militärischer Stab, der sich auch noch dort befand, als die Rote Armee anrückte.[19] Die Familie rettete sich in einem Jagdwagen und zog mit einem Treck nach Westen.[20] Das Hauptgebäude wurde direkt beim Anrücken der Truppen in Brand gesteckt und der Seitenflügel aus dem 19. Jahrhundert gesprengt.[21] Die Ruine (Abb. 70–75) ist heute gesichert, nachdem sie für einige Jahrzehnte dem Verfall preisgegeben war. Erhalten geblieben sind Mauern der Frontfassade sowie Reste der Umfassungsmauern und der Innenwände. Hier und dort findet man Fragmente gefliester Böden. Die östlichen Quergebäude sind bis heute erhalten und werden privat bewohnt (Abb. 69). Der Park ist völlig verwildert, von seiner ehemaligen Gestalt fast nichts mehr zu erkennen (vgl. 09. Garten und Park). Die Ruine des Herrenhauses gehört heute der Gemeinde Resko (ehemals Regenwalde) und steht unter Aufsicht des Denkmalschutzamtes der Woiwodschaft Zachodniopomorskie (Westpommern). Im Jahr 1988 gab es seitens polnischer Kunsthistoriker und Architekten eine Untersuchung über den baulichen Zustand der Ruine.[22] Angeblich erwog das Landwirtschaftliche Kombinat Starogard 1980 einen Wiederaufbau des Hauptgebäudes,[23] doch dafür konnten keine Quellen gefunden werden. Zudem zerschlugen sich diese Pläne spätestens seit der Wende 1989. In den 90er Jahren wurde der Wappenstein im Giebel der Hoffassade herausgenommen, restauriert und neu befestigt (Abb. 21).[24] Auf der Ostseite des Hauptgebäudes befindet sich bis heute der auf breit- und langgestreckter Fläche gelegene Gutshof, der von der Straße durch eine Mauer mit drei Zufahrten abgetrennt ist. Diese Gebäude sind vielfach in schlechtem unrestaurierten Zustand und wurden bis vor kurzem von polnischen Firmen genutzt, die mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen handeln. Eine Besonderheit stellt hier eine der auf ehemaligem pommerschen Gebiet seltenen Rundscheunen dar (Abb. 76). Ursprünglich gab es jenseits der Straße eine Spiritusbrennerei, in der einst die auf den riesigen Ackerflächen von Stargordt in großem Umfang angebauten Kartoffeln verarbeitet wurden.[25]
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