02. Forschungsstand

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Herrenhausforschung zu Pommern

Die heutige Grenzregion von Polen und Deutschland – mit der Wojewodschaft Westpommern und dem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern – sowie den ehemaligen deutschen Gebieten Pommern sowie Teilen Ostpreußens ist von einer jahrhundertelangen Geschichte geprägt (Abb. 7). Zeugnisse dafür sind unter anderem bedeutende Schlossanlagen und Herrenhäuser. Verbunden damit sind in der Regel Park- und Gartenanlagen sowie ein besonderer Kulturlandschaftstyp. Die zu den Schlössern und Herrenhäusern gehörenden Wirtschaftshöfe bildeten die wirtschaftliche Grundlage zur Erhaltung der adligen und großbürgerlichen Anwesen. Schlösser und Herrenhäuser waren Zentren der lokalen Kultur und Träger der jeweiligen regionalen Identität.[1]

Die Forschungssituation in den ehemals deutschen und jetzt polnischen Gebieten des ursprünglichen Pommern und Ostpreußen ist schwierig. In Folge des Zweiten Weltkrieges und der damit einhergehenden Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung sowohl der deutschen als auch der polnischen Bevölkerung, wurde die lokale historische Tradition unwiederbringlich zerstört. Stattdessen bildeten sich neue Identitätsmuster, welche die Geschichte des neu besiedelten Ortes und damit auch jene der Herrenhäuser nicht mehr einbezogen. Während zum Beispiel die einst protestantischen Kirchengebäude für den katholischen Gottesdienst weiter genutzt wurden, fehlte bei den meisten Herrenhäusern eine Nutzung, so dass sie verfielen. Eine wissenschaftliche Beschäftigung fand im Grunde bis zum Fall der Mauer 1989 kaum statt.

Für die Region ist als bedeutende Quelle Johann Bernoullis (1744–1807) Werk aus dem 18. Jahrhundert Rückreise von Danzig über Stettin nach Berlin im Jahr 1777, und zweyte Reise nach Danzig im Jahr 1778 aus dem Jahre 1779 zu nennen,[2] in dem er bereits recht ausführlich Schlösser und Parks mit Ausstattung und Örtlichkeit beschreibt. 1965 veröffentlichte Carl E.L. von Lorck das heute noch wichtige Landschlösser und Gutshäuser in Ost- und Westpreußen als Überarbeitung seines zuerst 1933 erschienenen Werkes.[3]

Nach 1989 wurde die Beschäftigung mit der Thematik vor allem durch Mitglieder ehemaliger hiesiger adeliger Dynastien neu angegangen. Hierbei ist Marion Gräfin Dönhoffs Kindheit in Ostpreußen (1990)[4] sowie Namen, die keiner mehr nennt (bereits 1962 zuerst erschienen)[5] zu erwähnen. Diesen Werken folgten stärker wissenschaftliche ausgerichtete Untersuchungen wie Lothar Graf zu Dohnas Die Dohnas und ihre Häuser: Profil einer europäischen Adelsfamilie (2013),[6] die sich ausführlich mit den ehemals eigenen Schlössern, Ausstattung und Garten sowie Gutswirtschaft Pommerns und Ostpreußens beschäftigen.

Ausführliche Werke zu ehemaligen ostpreußischen Schlössern veröffentlichte Wulf D. Wagner mit Kultur im ländlichen Ostpreußen. Geschichte, Güter und Menschen im Kreis Gerdauen (2008) sowie Die Güter des Kreises Heiligenbeil in Ostpreußen (2005), Das Rittergut Truntlack 1446–1945 (2014) und Das Königsberger Schloss (2008–2011).[7] Zu erwähnen sind hier auch noch Im Schatten von Berlin und Warschau: Adelssitze im Herzogtum Preußen und Nordpolen, 1650–1850 (2010)[8] von Isabella Woldt und Tadeusz Zuchowski herausgegeben sowie Schloss Friedrichstein (2019) für den russischen Teil Ostpreußens, herausgegeben von Kilian Heck und Christian Thielemann.[9]

Auch in Polen beginnt man sich mit dem ehemals 'unliebsamen' Erbe auseinanderzusetzen. Malgorzata Jackiewicz-Garniec und Miroslaw Garniec schrieben das Überblickswerk Schlösser und Gutshäuser im ehemaligen Ostpreußen (polnischer Teil). Gerettetes oder verlorenes Kulturgut?,[10] einen Katalog von erhalten gebliebenen Herrensitzen mit Archivmaterialien, Grundrissen und Plänen.

Zudem sei erwähnt, dass das Interesse an den ehemals deutschen Herrenhäusern und Gutsanlagen auch durch eine vermehrte touristische und kommerzielle Nutzung in Polen neu erwacht zu sein scheint. Hier wäre das South Baltic Manors-Projekt zu erwähnen, das im Rahmen des Interreg South Baltic Programms 2013–2020 durchgeführt wurde. Das Projekt konzentriert sich auf die Förderung des Gutshaustourismus und initiiert ein gemeinsames Marketing auf Grundlage der Geschichte der Projektregionen an der Ostsee. Ebenso unterstützen Vereine und Freundeskreise wie der Freundeskreis Schlösser und Gärten der Mark oder Stiftungen für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Stiftung zur Förderung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit e.V. die Forschung.

Die Schlösser und Herrenhäuser Pommerns und Ostpreußens (polnischer Teil) werden nun mehr und mehr als gemeinsames deutsch-polnisches Kulturerbe begriffen. Im Jahr 2011 waren in der Wojewodschaft Westpommern 650 Burgen, Schlösser und Herrenhäuser bekannt (darunter 288 im Denkmalsregister eingetragene Objekte) und fast 1.000 Parkanlagen (davon 712 registrieret).[11] Die wissenschaftliche Erforschung und somit die genaue Geschichte der einzelnen Objekte aufzuzeigen, wird dadurch erschwert, dass sich in polnischen und deutschen Archiven kaum mehr relevantes Quellenmaterial erhalten hat. Dennoch bringt die Forschung gelegentlich neue Informationen ans Tageslicht.

Abb. 7 Übersichtskarte, Wojewodschaft Westpommern, Położenie Powiat łobeski (ehem. Kreis Regenwalde)

Forschungsstand Stargordt

Für das Anwesen in Stargordt ist als bedeutende Quelle aus dem 18. Jahrhundert Johann Bernoullis (1744–1807) Werk aus dem 18. Jahrhundert Rückreise von Danzig über Stettin nach Berlin im Jahr 1777, und zweyte Reise nach Danzig im Jahr 1778 aus dem Jahre 1779 zu nennen, in dem er Stargordt in Ausstattung und Örtlichkeit recht ausführlich beschreibt.[12] Seine Sammlung kurzer Reisebeschreibungen von 1781 enthält neben weitere Beschreibungen den Plan von Gutsanlage und Garten als Kupferstich (Abb. 8).[13] Auch Heinrich Adrian von Borcke (1715–1788) (Abb. 20) eigenes Werk Beschreibung der Stargordtschen Wirtschaft in Hinterpommern enthält wertvolle Informationen zur Gutsanlage.[14]

Auf Grund der geographischen Lage in Hinterpommern ist Stargordt in Carl E.L. von Lorcks Landschlösser und Gutshäuser in Ost- und Westpreußen (1965) nicht enthalten[15] und Überblickswerke wie Im Schatten von Berlin und Warschau: Adelssitze im Herzogtum Preußen und Nordpolen, 1650–1850 (2010)[16] herausgegeben von Isabella Woldt und Tadeusz Zuchowski oder Hubertus Neuschäffers Vorpommerns Schlösser und Herrenhäuser (1993), können den einzelnen Objekten nur einen geringen Seitenumfang widmen.[17]

So finden sich die wesentlichen Informationen über das Herrenhaus und die Gutsanlage in Stargordt in Wulf-Dietrich von Borckes Stargordt (2013) auf wenigen Seiten mit weiterführender Literatur am besten zusammengefasst.[18]

Im Jahr 1988 gab es seitens polnischer Kunsthistoriker und Architekten eine Untersuchung über den baulichen Zustand der Ruine,[19] während der Garten und Park bereits in den 1970er Jahren dokumentiert wurde.[20] Eine bedeutende (Bild-)Quelle zur Erforschung des Anwesens nach der Zerstörung stellen auch die Fotographien dar, die Alice O’Swald-Ruperti im Jahr 1944 vom Herrenhaus mit seinen Innenräumen gefertigt hat (u.a. Abb. 31–52).[21]

  1. Im ehemaligen Ost- und Westpreußen gab es während des 18. Jahrhunderts ein Nebeneinander von deutscher, masurischer, kaschubischer, litauischer und jüdischer Kultur. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts erfolgte eine national orientierte Ausrichtung damit einhergehend eine Auf- oder Abwertung z.B. der deutschen Kultur gegenüber der masurischen.
  2. Vgl. Bernulli 1779, https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10466341?page=1 (19.02.2025).
  3. Vgl. Lorck 1983 (11933, bis 1983 immer wieder überarbeitet und neu aufgelegt), Stargordt ist wegen dessen geographischer Lage allerdings nicht erwähnt.
  4. Vgl. Dönhoff 1990.
  5. Vgl. Dönhoff 1962.
  6. Vgl. Dohna 2013.
  7. Vgl. Wagner 2008, Wagner 2008–2011, Wagner 2014.
  8. Vgl. Woldt/Zuchowski 2010.
  9. Vgl. Heck/Thielemann 2006.
  10. Vgl. Garniec/Jackiewicz-Garniec 2001.
  11. Vgl. Borcke 2013, S. I.
  12. Vgl. Bernulli 1779, S. 62–80 https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10466341?q=%28Bernoulli,+Johann%3A+Johann+Bernoulli%22s+Reisen+durch+Brandenburg,+Pommern,+Preußen,+Curland,+Rußland+und+Polen+in+den+Jahren+1777+und+1778.1%29&page=72,73 (19.02.2025).
  13. Vgl. Bernulli 1781, o.P. [S. 421].
  14. Vgl. Borcke 1777; Borcke 31783.
  15. Vgl. Lorck 1983 (11933, bis 1983 immer wieder überarbeitet und neu aufgelegt) Stargordt ist wegen dessen geographischer Lage im Werk jedoch nicht erwähnt.
  16. Vgl. Woldt/Zuchowski 2010.
  17. Vgl. Neuschäffer 1993, Stargordt S. 230–233.
  18. Vgl. Borcke 2013.
  19. Vgl. Borkowska 1988.
  20. Vgl. Stanecka 2007, S. 324.
  21. Abzüge u.a. im Archiv des Caspar-David-Friedrich-Instituts der Universität Greifswald.
Abb. 8 Stargordt, Lageplan "Grundriss des Hochgrätlichen v. Borcke Rittersitzes zu Stargordt", um 1770