03. Geschichte der Anlage vor dem 18. Jahrhundert

Aus Herrenhäuser
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Während das Herrenhaus von Christinehof ab 1737 als Neubau ohne Vorläufer an diesem Standort errichtet wurde, existierte die durch den dänischen Adeligen Jochum Beck (Abb. 6) gegründete Alaunhütte bereits seit den 1630er Jahren (Abb. 7: Karten 1650). Zuvor befanden sich dort die beiden kleinen Höfe Kullstorp und Sjöstorp. Zu letzterem können die Besitzverhältnisse bis in das Jahr 1387 zurückverfolgt werden, als der mecklenburgische Ritter Johann Snakenborg hier ansässig war. Bis zum Erwerb des Hofes 1641 durch Beck lassen sich verschiedene besitzende Familie nachweisen, darunter zeitweise auch die dänische Königsfamilie.[1] Die genaue Lage des Hofes von Sjöstorp ist nicht bekannt, jedoch suggeriert die namentliche Bezeichnung eine Nähe zu einem See, für den nur der Verkasjön in Frage kommen kann. Jochum Beck errichtete in Sjöstorp 1641–1643 selbst einen Gutshof, der jedoch im Zuge des im selben Jahr ausbrechenden Torstenssonkrieges zwischen Schweden und Dänemark zerstört worden zu sein scheint.[2] Nach Kriegsende verlegte Beck um 1646 den Hof an einen neuen Standort östlich des Kesselhauses, fortan mit Andrarums gård bezeichnet. 1647 erwarb er mit Kullstorp auch den zweiten Hof auf dem Gelände.[3] Infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Schweden und Dänemark, die auch nach dem Übergang von Schonen an Schweden 1652 immer wieder aufflammten, sah sich Beck zunehmend finanziellen Belastungen sowie notwendigen Verkäufen und Verpfändungen ausgesetzt. Auch Andrarums gård wurde 1651 an Axel Juel verpfändet, der 1666 Kullstorp ladugård erbauen ließ.[4] Bis ins frühe 18. Jahrhundert hinein bemühten sich Jochum Beck und anschließend sein Sohn Lave weitgehend erfolglos, die Alaunhütte rentabel zu machen. Ihre bauliche Beschaffenheit lässt sich in dieser Phase nur vage erfassen. Die einzige bekannte bildliche Darstellung vor 1700 von Gerhard von Burman (Abb. 8[5]) zeigt eine vermutlich relativ realistische Abbildung von Andrarums gård, während die im Hintergrund erkennbaren Wirtschaftsgebäude eher schematischer Natur sind.[6] Neben Produktionsstätten wie Kessel- und Pfannenhaus standen auf dem Areal mehrere größere Verwaltungsgebäude, darunter ein Gerichtsgebäude und das Inspektorenhaus. Dazu kamen landwirtschaftlich genutzte Scheunen und Ställe sowie die Arbeiterwohnungen und mit steigender Bevölkerungszahl im Laufe des 18. Jahrhunderts ein Krankenhaus, eine Schule, ein Gefängnis und weitere Infrastruktur [Link Alaunkapitel] (Abb. 9–11). Zahlreiche dieser Gebäude standen nur kurze Zeit, wurden wieder abgerissen oder andernorts neu errichtet. Insgesamt lässt sich die Entwicklung von Infrastruktur und Bebauung um die Alaunhütte als dynamisch und wenig konzeptuell beschreiben.

Das alte Herrenhaus: Andrarums gård

Das unmittelbar neben den Produktionsstätten errichtete Herrenhaus – Andrarums gård – hatte zweifelsohne bereits einen repräsentativen Anspruch. Auf Karten von circa 1650, 1685 und 1711 ist das Gebäude eingezeichnet. Ein 1756 publizierter Stich von Gerhard von Burman (Abb. 8), vermutlich entstanden in den 1680er Jahren, scheint ein weitgehend realistisches, wenn auch in den Details nicht immer korrektes Abbild zu liefern. Die Bildquellen können über eine im Archiv von Christinehof erhaltene Beschreibung des Hauses, verfasst im Zuge einer Kreditanfrage von Jochum Beck 1757–1758, ergänzt werden. Schließlich brachten die Ergebnisse einer Bodenradaruntersuchung im September 2023 eine Reihe an Erkenntnissen zum ersten Herrenhaus zutage.

Die Karte von 1685 von Lorentz Kreuger (Abb. 12)[7] zeigt einen langgestreckten Grundriss des Hauptgebäudes mit auf beiden Seiten zentral vorspringenden Bauteilen. Angrenzend schließen beidseitig eigenständig stehende Flügel an; in der Karte von 1711 (Abb. 13)[8] wird indes ein langes, zusammenhängendes Gebäude gezeigt. Vor dem Haus liegt ein offenbar mit einem einfachen Zaun umgrenzter Nutzgarten ohne Repräsentationsanspruch, aber von nicht geringer Größe: Während die Fläche 1685 mit Trägården („Baumgarten“, also wohl ein Obstgarten) bezeichnet ist, hat sie 1711 eine Unterteilung in zwei etwa gleiche Teile erfahren, von der die zweite als Krӱddegården (Kräutergarten) benannt wird. Burmans Darstellung erweitert die Informationen der Karten: Zu sehen ist ein zweigeschossiger Fachwerkbau mit einem Vorbau und beidseitig anschließenden Nebengebäuden. Auf je ein kleineres Gebäude mit Walmdach folgt erneut ein Gebäude mit einem Satteldach. Die schmucklose Fassade ist durchgängig dargestellt; Fenster und mehrere kleinere Eingänge sind unregelmäßig angeordnet. In dem zentralen Vorbau, der eventuell eine Treppe aufnahm, befindet sich ein größerer Eingang. Hinter dem Haus liegt ein mit einem einfachen Zaun umschlossener Nutzgarten, in dem einige Beete angedeutet sind. Die Struktur des Hauses lässt vermuten, dass zunächst nur das zentrale Gebäude als Wohnhaus errichtet und anschließend sukzessive um die Nebengebäude erweitert worden war oder aber die drei Satteldach-Häuser ursprünglich ohne Verbindung nebeneinanderstanden und erst später durch weitere Gebäude verbunden wurden. Aus der schriftlichen Beschreibung von 1757–1758 geht hervor, dass die Nebengebäude – entgegen der Burmanschen Darstellung – nur eingeschossig waren und sich folglich deutlicher von dem zentralen Gebäude absetzten.[9] Dies entsprecht auch den dem Text zu entnehmenden Funktionen: Während der zentrale Teil als Wohnhaus diente, wurden die seitlichen Gebäude im Kontext der Alaunhütte als Kutschenhäuser und Lagerräume genutzt. Dies bestätigt sich auch in den Lukarnen auf den Walmdächern mit großer Öffnung, die an Lagerhäuser mit darüber angebrachten Kränen erinnern. In den 1730er Jahren wurde Andrarums gård, inzwischen in baufälligem Zustand, abgerissen. Die Bodenradaruntersuchung konnte 2023 das Haus auf ganzer Länge auf dem in der Karte von 1711 markierten Standort nachweisen (Abb. 14–16). Die Aufteilung in Haupt- und Seitengebäude sowie die vorspringenden zentralen Bauten wurden bestätigt; ebenso traten in den Nebengebäuden Raumunterteilungen zutage. Das Haus besaß eine beachtliche Länge von etwa 106 m und maß in der Breite etwa 6,50 m – es ist folglich zu vermuten, dass die meisten Räume die ganze Breite des Gebäudes einnahmen. Funktionalität und Repräsentation, Wohnen und Arbeit gingen in nächster Nähe zur Alaunproduktion nahtlos ineinander über.

Lave Beck bewohnte in den 1680er Jahren ein anderes und deutlich bescheideneres Holzhaus, das 1706 und 1715 mit neun Querbalken, einer Steinmauer und einem Strohdach beschrieben wird. Der mittlere Teil enthielt ein Stockwerk mit 4 Zimmern und eine Küche, während die beiden Giebelseiten als Ställe genutzt wurden.[10]

Christina Pipers Entscheidung, das neue Herrenhaus weit abseits der Produktionsstätten in einem nach barocken Grundsätzen gestalteten Umfeld zu errichten, verweist auf dessen prestigeträchtige Funktionen und anders gelagerten Anspruch. Der Beck’sche Vorläuferbau war dagegen gänzlich im Kontext der vorindustriellen Arbeitsstrukturen verhaftet gewesen – in seiner Größe zwar durchaus imposant, aber integraler Bestandteil der Alaunproduktion.
  1. Zur mittelalterlichen Geschichte von Sjöstorp, das in der Literatur teils mit Sjörup in Ljunits verwechselt wird, siehe insbesondere Wallin 1957, S. 12–13, 117–124.
  2. Vgl. Stoltz 1932, S. 81–83. Bei Stoltz zitierte Aussagen, dass während der Errichtung von Christinehof Wallanlagen und weitere Überreste des Hofes von Sjöstorp gefunden worden seien, erscheint in Anbetracht der geographisch weit entfernten Lage wenig nachvollziehbar. Stoltz verweist hingegen auf den Fund von Ziegel- und Pflastersteinen sowie Eckpfeilern auf einem Feld in der Nähe des Sees Verkasjön, die von dem ehemaligen Hof stammen könnten. Der Fundort ist in einer von Stoltz 1929–1931 erstellten Karte mit einem Rechteck markiert. Vgl. Stoltz 1932, S. 81–82, Anm. 7 und Anm. 9 sowie Karte im Anhang.
  3. Vgl. Stoltz 1932, S. 82–83.
  4. Vgl. Stoltz 1932, S. 94; Bøggild-Andersen/Heiberg 2011, https://biografiskleksikon.lex.dk/Joachim_Beck_-_lensmand (10.12.2022).
  5. Vgl. Prospecter af åtskillige märkvärdige byggnader, säterier och herre-gårdar uti Skåne, 1756, https://litteraturbanken.se/författare/BurmanG/titlar/Prospecter/sida/III/faksimil (10.12.2022). Die Ansichten aus Schonen entstanden ab 1680.
  6. Siehe auch die Karte bei Elof Stoltz, in der die Standorte wichtiger ehemaliger Gebäude markiert sind. Vgl. Stoltz 1932, Anhang.
  7. Diese Karte liegt in zwei Exemplaren vor, von denen sich eines im Archiv in Christinehof (J/X 115), das andere im Kammarkollegiet Kansliet och kontorsarkiv im Riksarkivet in Stockholm erhalten hat, vgl. https://sok.riksarkivet.se/arkiv/j4D97i60NqAzhVD6jBDnq7 (02.11.2023).
  8. Vgl. https://historiskakartor.lantmateriet.se/hk/viewer/share/K1-3:1/4c4d535f4b312d333a31/lms2/LMS/Andrarums%20socken%20Andrarum%20nr%201-26/Geometrisk%20avm%C3%A4tning
  9. Angesichts der finanziell konstant angespannten Lage von Jochum Beck erscheint es unwahrscheinlich, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Geschoss auf die Nebengebäude gesetzt wurde.
  10. Vgl. Stoltz 1932, S. 94.