07. Herrenhaus: Baugeschichte und Architektur

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Das Herrenhaus von Christinehof (Abb. 67–70) entstand 1737–1740 an einem neu erwählten Standort abseits der Alaun-Produktion und war unter Christina Piper als repräsentativer Aufenthalts- und Empfangsort für ihre geschäftlich motivierten Besuche der Alaunhütte bestimmt. Bereits 1736 problematisiert sie in einem Brief an den Direktor der Alaunhütte Ivar Ryting die notwendige Beschaffung von Stein für Keller und Grundmauern.[1] Mit dem Entwurf des Herrenhauses wurde Georg Mokelten beauftragt, ein regionaler Baumeister (geb. um 1692) deutscher Herkunft, über den wenig bekannt ist. [2] Quellenkundlich ist er seit den 1720er Jahren in Schonen überliefert und dort 1728 als Maurermeister verbürgt.[3] In den 1730er Jahren war er unter anderem am Dom und – neben Carl Hårleman und Peter Gerdes – im Lundagårdshuset in Lund beschäftigt. [4] Im Jahr 1737 erhielt er den Auftrag für Christinehof, doch bestand die Verbindung zu Christina Piper eventuell bereits, denn für das Anwesen in Toppeladugård, das sie 1720 erworben hatte, hat sich ein Entwurf für ein eingeschossiges Steinhaus von Mokeltens Hand erhalten.[5] Auch im Kontext von Björnstorp, seit 1725 in Christina Pipers Besitz, erscheint sein Name.[6] Der in Krageholm geschlossene Vertrag über die Errichtung von Christinehof datiert auf den 16. Februar 1737, benennt eine Entlohnung von 29.600 Silbermünzen und einen Abschluss der Arbeiten im Juli 1740. Die erhaltene Bauzeichnung der Nordfassade und die Grundrisszeichnungen der Geschosse gehörten vermutlich dazu.[7] (Abb. 5, 71–73) Die Beendigung der Arbeiten verzögerte sich um etwa ein Jahr, da Christina Piper erst am 29. September 1741 in einem Brief an Yvar Riting von der bevorstehenden Abreise Mokeltens aus dem fertiggestellten Haus und einer für den 7. Oktober 1741 geplanten Übergabe berichtete.[8]

Die Wahl eines regional tätigen Baumeisters markiert einen Bruch mit dem Vorgehen des Paares zu Lebzeiten von Carl Piper, als für bauliche Projekte üblicherweise die bekanntesten schwedischen Architekten verpflichtet wurden, darunter Nicodemus Tessin d. J. und Carl Hårleman. Eine Beteiligung letzteren wurde ebenso für Christinehof vermutet[9] – auch, da Hårleman mit Carl Fredrik Piper befreundet war. Man glaubte seine Handschrift vor allem in der Treppe zu erkennen, doch ist seine Anwesenheit in Christinehof nicht nachgewiesen. In den 1740er Jahren war er von Carl Fredrik in Ängsö mit der Errichtung eines weiteren Stockwerks und der Erneuerung des Daches beauftragt.[10] Für die beiden vorgelagerten Gebäude in Christinehof, genutzt als Stall und Kutschenhaus, wurde 1744 ebenfalls ein heute weitgehend unbekannter Maurermeister aus Ystad, Petter Frantzson, verpflichtet.[11] Die Hinwendung zu regionalen Baumeistern weist auf eine stärker ökonomisch orientierte Vorgehensweise Christina Pipers und mag auch mit einem überregional gesunkenen Einfluss zusammenhängen. Ähnlich einzuordnen sind Ende der 1740er Jahre initiierte Bauarbeiten in Östra Torup, unweit von Christinehof gelegen[12]: Laut Hugold von Schwerin ließ Christina Piper von Carl Hårleman ein zweistöckiges Gebäude entwerfen, das sie schließlich nur einstöckig durch den bereits in Christinehof tätigen Petter Frantzson erbauen ließ. Hårleman erwähnte es 1751 in seinem Reisetagebuch als „nybygd och prydlig“.[13] Die Wahl der Baumeister erlaubt es nicht zuletzt, Rückschlüsse auf die Funktionen von Christinehof zu ziehen: Während beispielsweise die Errichtung von Sturefors von der Nähe des Paares zum Königshaus geprägt wurde und später Krageholm als Hauptwohnsitz der Witwe besondere Bedeutung erfuhr, changierte Christinehof zwischen notwendigem Aufenthalts- und Geschäftsort und einer repräsentativen Funktion als Ausdruck des gesellschaftlichen Status der erfolgreichen Unternehmerin. Die nach barocken Prinzipien geplante Anlage sollte offenbar auf der Höhe der Zeit sein, ohne dass eine ambitioniertere künstlerische – und folglich kostspieligere – Gestaltung verfolgt wurde. Ein Bauabnahmeprotokoll vom 8. Oktober 1741 liefert eine exakte und äußerst detaillierte Beschreibung des Hauses von außen und innen. Berücksichtigt werden Decken und Böden, Vertäfelungen, Öfen, Fenster und Türen sowie Materialien und Farben. Das Dokument erlaubt somit auch eine Präzisierung später erfolgter Eingriffe.[14]

Das Hauptgebäude von Christinehof ist eine Dreiflügelanlage mit drei Geschossen und einem Mansarddach; zwei Flügel kragen nach Süden auf selber Höhe aus. Das Corps-de-Logis hat einen niedrigen Steinsockel, über dem sich auf den vorspringenden Flügeln einst Blendfenster befanden, die heute verputzt, aber noch sichtbar sind. Das Bauabnahmeprotokoll beschreibt 1741 einen hohen Bereich aus behauenem Stein („hög huggen steen“), mit grauer Farbe gestrichen.[15] Dies entspricht Mokeltens Entwurf, der den Bereich auf ganzer Höhe des Erdgeschosses deutlicher absetzte, als dies heute der Fall ist.

Abb. 67 Christinehof, Hofansicht
Abb. 68 Christinehof
Abb. 69 Christinehof, Fassade zum Garten
Abb. 70 Christinehof, Gartenansicht
Abb. 5 Georg Mokelten, Ansicht der Nordfassade von Christinehof, 1737 (?)

In der Mittelachse des Gebäudes befindet sich zu Hof und Garten über den einfach gestalteten Eingangstüren ein Dreiecksgiebel mit einem runden Fenster im Zentrum. Die Fassade präsentiert sich ansonsten weitgehend schmucklos. Nur die Ecken der Seitenflügel und des Corps-de-Logis wurden mit hellen toskanischen und auf Höhe des Erdgeschosses rustizierten Pilastern versehen. Die Fassadenflächen, insbesondere jene zum Garten, werden durch die regelmäßig angeordneten Fenster rhythmisiert, deren Höhe im ersten und zweiten Geschoss nicht variiert, im Erdgeschoss jedoch etwas geringer ist. Mokelten hatte diesen Unterschied in seinem Entwurf noch deutlicher herausgestellt. Die ursprünglichen Glasfenster werden im Bauabnahmeprotokoll 1741 detailliert beschrieben: Sie waren in vier Rahmen aus Eichenholz und darin in nochmals je zwölf kleine Rahmen aus Kiefernholz unterteilt. Die meisten Fenster waren zusätzlich auf der Innenseite mit hölzernen Fensterläden versehen. [16] Wann die heutigen Fenster mit der Unterteilung in sechs Felder kamen, ist unklar, vermutlich erst im 19. Jahrhundert. Die Fenster sind mit den im gesamten Ostseeraum verbreiteten Eisenwinkeln ausgestattet. (Abb. 75)

Zur farblichen Gestaltung der Fassade des Hautgebäudes lassen sich dem Abnahmeprotokoll von 1741 einige Details entnehmen[17]: Demnach war die Fassade über einem grauen Sockel verputzt und mit dunkelgelber Farbe gestrichen; einzelne Elemente waren weiß (beispielsweise die Pilaster) oder rot (beispielsweise die Dachrinnen) abgesetzt. Das Dach wird mit glasierten Ziegeln in „Hollendske blå“[18] beschrieben, eventuell in Anlehnung an das bekannte Delfter Blau. Im Jahr 1985 wurde an der Fassade von Haupt- und Nebengebäuden zudem eine rosafarbene Farbschicht gefunden, die eventuell ebenfalls in das 18. Jahrhundert datiert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Fassade mehrere Jahrzehnte ebenso gestrichen (Abb. 76). Benannt sind damit die beiden im schwedischen 18. Jahrhundert gängigsten Farbtöne, die ob ihrer Helligkeit und Leuchtkraft für Fassaden oft gewählt wurden.[19] Die gelbe Farbe wurde eventuell im Zuge der Alaunproduktion gewonnen: Im Herstellungsprozess fiel sowohl ein rotes Farbpigment als auch Vitriol ab, das im 18. Jahrhundert in der Mischung mit Kalk für die Gewinnung eines gelben Farbtons verwendet wurde.[20] Ob in Christinehof für die gelbe Fassade tatsächlich auf Eisenvitriol zurückgegriffen oder ein günstiges und wetterbeständiges Ocker-Pigment verwendet wurde, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.

Abb. 75 Christinehof, Eisenbeschläge an den Fenstern
Abb. 76 Christinehof, Fotografie von 1974

Carl Hårleman erwähnt in einem Tagebucheintrag 1753, er habe Eisenvitriol in Andrarum übergeben, was in Anbetracht der Alaunherstellung erstaunt – eventuell war die Gewinnung von Eisenvitriol zu diesem Zeitpunkt aufgegeben worden. Letzteres bezeugt auch Anders Tidström, ein Schüler Carl von Linnés, nach seinem Besuch in Andrarum 1756. Dennoch muss es als sehr wahrscheinlich erachtet werden, dass zum Zeitpunkt der Errichtung von Christinehof Zugang zu Eisenvitriol bestand. [21]

Die beiden vor dem Hauptgebäude symmetrisch platzierten, eingeschossigen Vorbauten (Abb. 18, 31, 77–80) sind mit einem Walmdach, einer regelmäßigen Fensterreihe zum Hof und einem aufragenden Giebelfenster über dem zentralen Eingang gestaltet. Mit ihrer einfachen Architektur und ohne baulichen Schmuck ordnen sie sich dem Hauptgebäude unter. Das linke Gebäude diente als Pferdestall, das rechte als Kutschenhaus, dessen drei (später in Fenster umgewandelte) Eingangsportale zur Gartenseite lagen. Das Kutschenhaus nahm außerdem ein Brauhaus auf, das bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts genutzt wurde.[22] Die Funktionen der beiden Vorbauten antworteten unmittelbar auf die zahlreichen An- und Abreisen im Rahmen der temporären Aufenthalte von Christina Piper. Beide Gebäude waren einst mit einer auf der zentralen Achse durchbrochenen Mauer verbunden[23]; der Durchgang entsprach in etwa der Breite einer Kutsche.[24] Auf Barnekows Zeichnung (Abb. 24) finden sich zudem Mauern zwischen Haupt- und Nebengebäuden,[25] womit der Vorhof allseitig geschlossen gewesen wäre. Während die vorderen Mauern auf einer Bodenradaruntersuchung 2023 nachgewiesen werden konnten, fanden sich zu den seitlichen Mauern keine eindeutigen Spuren (Abb. 81–82),[26] somit deren einstige Existenz zumindest unsicher ist. Auf Höhe des Kutschenhauses wurde unter Carl Fredrik Piper am Rande des Gartens ein heute nicht mehr stehendes Gebäude für den Gärtner errichtet, das bei Barnekow bereits abgebildet ist und 2023 im Bodenradar sichtbar wurde.[27]

Abb. 77 Christinehof, Innenraum des Stallgebäudes
Abb. 78 Christinehof, Blick auf das Kutschen- und Sudhaus
Abb. 79 Christinehof, Kutschen- und Sudhaus, rückseitige Ansicht
Abb. 80 Christinehof, Stallgebäude
Abb. 24 Adolf Fredrik Barnekow, Plan und Ansicht von Christinehof, aus: Dagbok öfwer en resa igenom åtskillige av rikets landskaper gjord, 1768, Tab. 24, Uppsala University Library, Kart- och bildsamlingarna
  1. Vgl. den Brief von Christina Piper an Ivar Ryting aus dem Jahr 1736 (der 13. eines unleserlichen Monats) aus Krageholm, https://arkiv.christinehofslott.se/christina-piper-13-1736/ (21.11.2023).
  2. Über Mokeltens Privatleben ist kaum etwas bekannt. Er lebte in Landskrona und Lund und hatte mit seiner Frau Ingrid mindestens vier Kinder; zwei Söhne traten als Maurermeister bzw. Stuckateur in seine Fußstapfen. Er starb 1764 im Alter von 72 Jahren in dem kleinen Fischerdorf Råå (heute ein Stadtteil von Helsingborg). Vgl. Gunshaga 2009, S. 18–19, 21.
  3. Mokelten wird in zeitgenössischen Berichten als „Fortifications Murmästaren och Gips Makaren Konstärfarne G. M.“ bezeichnet. Vgl. Gunshaga 2009, S. 18. Christina Piper selbst nennt ihn „Byggmästare“, vgl. ihren Brief an Yvar Riting vom 29. September 1741 aus Krageholm, https://arkiv.christinehofslott.se/christina-piper-29-september-1741/ (21.11.2023).
  4. Das Lundagård – heute Kungshuset und Teil der Universität – wurde nach dem Großen Nordischen Krieg umfassend renoviert. Mokelten zeichnete für ein Eingangsportal verantwortlich und beteiligte sich an dem dreijährigen Diskussionsprozess um die Entwürfe für die Dacherneuerung. Er war zudem 1735–1736 am Dom beschäftigt. Vgl. Gunshaga 2009, S. 16–17; Schwerin 1935, S. 29.
  5. Vgl. https://sok.riksarkivet.se/arkiv/TITWtLxh8Kz6890MUV8oo0 Von wann ist die Zeichnung bzw. wann wurde de facto das Gebäude in T. gebaut? Zeichnung bestellen? Signiert?
  6. Vgl. Schwerin 1935, S. 29. Nach seiner Anwesenheit in Christinehof war Mokelten bei weiteren Herrenhäusern der Region beschäftigt, so in Bälteberga, Spannarp und Rögle.
  7. So vermutet bei Mannerstråle 1991, S. 27. Der Vertrag wird noch bei Schwerin 1932, S. 184, zitiert, ist jedoch heute nicht mehr auffindbar.
  8. Vgl. den Brief von Christina Piper an Yvar Riting vom 29. September 1741 aus Krageholm, https://arkiv.christinehofslott.se/christina-piper-29-september-1741/ (21.11.2023).
  9. So z. B. bei Schwerin 1932, S. 185, oder Kjellberg/Svensson (Hrsg.) 1966a, S. 147. Mannerstråle hält eine Beteiligung Hårlemans für möglich, stellt sie jedoch auch in Frage. Vgl. Mannerstråle 1991, S. 6.
  10. Vgl. Gröndahl 2021a, S. 39; Söderberg 1969, S. 248.
  11. Hugold von Schwerin nimmt auf einen Vertrag und eine Zeichnung der Vorhofs-Situation im Archiv von Christinehof Bezug, die heute nicht mehr auffindbar sind. Vgl. Schwerin 1932, S. 187–188. Siehe auch Göhle/Göransson/Hedvall 1988, S. 16.
  12. Torups slott, 277 36 Vitaby
  13. Vgl. Schwerin 1932, S. 188. Reisetagebuch?  Nils Segerstråle dagegen datiert das Hauptgebäude in Torup in die 1630er Jahre (unter Jochum Beck) und vermutet Restaurierungen um 1900. Vgl. Segerstråle 1979, S. 208–209.
  14. Vgl. Nya huset i Andrarum 1741, in: Mannerstråle 1991, S. 9–25.
  15. Vgl. Nya huset i Andrarum 1741, in: Mannerstråle 1991, S. 25.
  16. Vgl. Nya huset i Andrarum 1741, in: Mannerstråle 1991, S. 21.
  17. Vgl. Nya huset i Andrarum 1741, in: Mannerstråle 1991, S. 25. Siehe auch die den Überblick bei Eskeröd 2008, S. 7.
  18. Nya huset i Andrarum 1741, in: Mannerstråle 1991, S. 25.
  19. Bereits 1699 ermutigte ein königliches Schreiben die Einwohner Stockholms, für ihre Häuser eine gelbe Farbe zu verwenden. Vgl. Eskeröd 2008, S. 4.
  20. Der eisenvitriolgelbe Kalkanstrich entsteht chemisch durch die Zugabe der Kristalle (Eisensulfat) zu Kalk und kann farblich zwischen hellem Gelb bis zu einem dunklen Orange changieren. Vgl. Eskeröd 2008, S. 5–6.
  21. Vgl. Eskeröd 2008, S. 14–15.
  22. Gillberg benennt die Funktionen der beiden „Pavillons“: „[…] fram för flygglarna äro 2:ne grundmurade Pavillioner, den ena til stall och Camrar, samt den andra til Brygghus och wagnshus indelte […].“ Vgl. Gillberg 1767, https://www.osterlenanor.se/andrarum/ (16.04.2024).
  23. Gillberg spricht in seiner Beschreibung von einer „hög och massif stenmur“ an der Südseite des Hofes („södra sidan af Borg Gården“). Vgl. Gillberg 1767, https://www.osterlenanor.se/andrarum/ (16.04.2024).
  24. Die Mauer ließ Carl E. Piper in den 1850er Jahren abreißen. Vgl. Göhle/Göransson/Hedvall 1988, S. 20. Sie ist mit einem Eingangstor noch auf einem Stich von 1817–1823 erkennbar, vgl. https://www.alvin-portal.org/alvin/imageViewer.jsf?dsId=ATTACHMENT-0209&pid=alvin-record:183338 (07.11.2023).
  25. Vgl. Barnekow 1768, Tab. 24, https://www.alvin-portal.org/alvin/imageViewer.jsf?dsId=ATTACHMENT-0022&pid=alvin-record:121220 (13.11.2023).
  26. Vgl. die Ergebnisse der Bodenradaruntersuchung durch GeoSphere Austria [link].
  27. Sieh auch https://www.christinehofslott.se/gamla-tradgardsmastarbostaden/ (26.09.2023).