07.04 Architektur

Aus Herrenhäuser
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Herrenhaus

Der Entwurf des Herrenhauses lehnt sich mit den heute verlorenen vier Flügelpavillons (Abb. 25) an die Disposition des Riddarhuset[1] (Abb. 12) in Stockholm an, das zwischen 1641 und 1674 errichtet wurde.[2] Als Mitglied der Ritterschaft kannte Claes Ekeblad d.Ä.[3] (1669–1737) den Bau aus eigener Anschauung. Außerhalb der Hauptstadt war der prominente Bau mit Hilfe von Darstellungen auf Kupferstichen als Modell für einen lokalen Baumeister wie Håkan Eliander[4] genauso verfügbar. Das Gebäude in Stola ist im Vergleich zum Riddarhuset in den Abmessungen etwa der Achszahl, vor allem der Fassadengestaltung und im Material der vier Flügelbauten aus Holz wesentlich bescheidener, lässt das Stockholmer Vorbild jedoch noch erkennen. Ähnliche Herrenhäuser aus dem 17. Jahrhundert, von denen Eliander als Modell für Stola Kenntnis haben konnte, finden sich zeitgenössisch beispielsweise in Erik Dahlbergs[5] Suecia antiqua et hodierna [...],[6] wo etwa der viel prächtigere Bau in Steninge[7] (Abb. 64) nach dem Entwurf von Nicodemus Tessin d.J. mit (allerdings nur zwei) Flügelbauten oder das Riddarhuset selbst dargestellt sind.

Flügelbauten

Wie auf den beiden Vermessungsplänen von 1728 (Karte 1, Karte 2) (Abb. 10, 11) und einem zeitgenössischen Gemälde (Abb. 25) dargestellt standen vor und hinter dem Hauptgebäude in Stola je zwei quadratische Pavillone aus Holz.[8] Diese waren laut Inventar von 1729[9] im Inneren jeweils in vier Räume aufgeteilt,[10] ob wohl die Abmessungen der kleineren Pavillone außen laut einer Dokumentation des Västergötlands Museum lediglich etwa 6 x 6 m betrugen.[11] Von den Flügelpavillons diente der nordöstliche am Vorhof in Stola als Küche. Dieser hölzerne Pavillon wurde 1781 durch einen größeren rechteckigen Neubau aus Stein ersetzt,[12] der in Grundmauern auf der 2022 ausgeführten geophysikalischen Prospektion zu erkennen ist (vgl. 13. Geophysikalische Prospektion und digitale Dokumentation) (Abb. 65).[13] Die beiden Flügelpavillons der Gartenseite in Stola wurden vom Erben Graf Gustaf Piper[14] (1771–1857) (vgl. 12.01 Besitzverhältnisse nach dem 18. Jahrhundert) nach 1816 in den Park der Villa Giacomina[15] vor das dortige Herrenhaus (Abb. 49) versetzt und sind heute offenbar unkenntlich umgebaut oder verloren.[16] Das Pendant zum Küchenpavillon im Südosten des Vorhofs in Stola stand auch als Nebengebäude im Park der Villa Giacomina und wurde 1991 wegen Baufälligkeit abgerissen.[17] Westrin hat eine aquarellierte Zeichnung des abgebrochenen Pavillons von Björn Hultgren publiziert,[18] während Gullbrandson auf ein Foto des Pavillons (Abb. 66) aus dem Jahr 1986 im Besitz des Västergötlands Museum verwies.[19]

Abb. 25 Stola, Herrenhaus, Ansicht mit Flügelpavillons, 18. Jahrhundert, Nordiska museet
Abb. 12 Jean Lepautre, Palatium Ordinis Equestris Lacum Mäler versus (Riddarhuset), Suecia antiqua et hodierna, 1716
Abb. 64 Willem Swidde, Steeninge (Steninge), Suecia antiqua et hodierna, 1694
Abb. 65 Stola, geophysikalische Prospektion georeferenziert auf Karte von 1728, Detail, 2022, Geosphere Austria

Pläne für Veränderungen im 18. Jahrhundert

Dass das Herrenhaus in Stola – einschließlich der ersten Umbauten durch Carl Hårleman[20] (1700–1753) in der Mitte des 18. Jahrhunderts (vgl. 08.02 Obergeschoss) – weitgehend unverändert bis in die Gegenwart überdauert hat, ist verschiedenen Umständen zu verdanken – etwa dem Leerstand im 19. Jahrhundert oder respektvollen späteren Besitzern (vgl. 12.01 Besitzverhältnisse nach dem 18. Jahrhundert). Allerdings gab es bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einige Pläne das Anwesen zu verändern: Westrin hat überzeugend einen Entwurf (Abb. 7) für ein Gästehaus des Architekten Carl Fredrik Adelcrantz'[21] (1716–1796) für Stola identifiziert.[22] Dieses Vorhaben aus den 1760er Jahren (spätestens vor dem Tod Claes d.J. 1771) war für die südöstliche Ecke am Vorhof vorgesehen und sollte wohl den hölzernen Pavillon ersetzen, der bislang offenbar als Gästequartier diente.[23]

Zur Zeit Claes Julius Ekeblads[24] (1742–1808) und seiner Frau Brita Margareta Horn[25] (1745–1791) wurde dieses Vorhaben nicht weiter verfolgt, aber das Ehepaar hatte durchaus eigene Pläne das schlichte Herrenhaus zu verändern: so war geplant, das Hauptgebäude mit einem fast gleichgroßen Anbau einschließlich Turm(!) zu vergrößern, der vermutlich für die wachsende Kunstsammlung genutzt werden sollte.[26] Die erhaltene Kostenaufstellung des lokalen Baumeisters Andreas Molijn (1740–1797) in der Kungliga bibliotheket[27] in Stockholm vom Februar 1788 lassen erkennen, wie weit diese Planungen gediehen waren.[28] Die Realisierung wurde jedoch bei Ausbruch des russisch-schwedischen Kriegs[29] (1788–1790) aufgegeben. Später verhinderte die angespannte Finanzlage diese tiefgreifenden Veränderungen,[30] die den Eindruck des Herrenhauses in Stola stark verändert hätten.

Abb. 7 Carl Fredrik Adelcrantz (zugeschr.), Entwurf für ein Gästehaus in Stola, um 1760, Privatbesitz
  1. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q10401121.
  2. Vgl. https://sv.wikipedia.org/wiki/Riddarhuspalatset (30.01.2024).
  3. Claes, Clas oder Klaes ist die skandinavische Version von Klaus, vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q4530166; Lindeberg 1949, S. 627.
  4. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q124349782.
  5. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q434533.
  6. Vgl. https://suecia.kb.se/F/?func=find-b&local_base=sah (01.11.2023); Suecia antiqua et hodierna 1716. Das Werk enthält vor allem Ansichten von Schlössern und Herrenhäusern aus dem späten 17. Jahrhundert bis etwas nach der Jahrhundertwende.
  7. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q1597542; https://sv.wikipedia.org/wiki/Steninge_slott (13.02.2024).
  8. Vgl. Westrin 1986, S. 13.
  9. Vgl. Reichsarchiv, Stockholm, Signatur: Ekebladska samlingen 3.
  10. Vgl. Karlson 1940, S. 60.
  11. Vgl. Carlquist 2012, S. 1.
  12. Vgl. Westrin 2004, S. 235, Bildunterschrift.
  13. Vgl. Ergebnisse der GeoSphere Austria von 2022.
  14. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q70206957.
  15. Zur Villa Giacomina vgl. Gustafsson 2010, http://stud.epsilon.slu.se/2034/1/gustafsson_h_101122.pdf (26.03.2024); vgl. https://sv.wikipedia.org/wiki/Villa_Giacomina (12.02.2024).
  16. Vgl. Westrin 2004, S. 237, Bildunterschrift. Diese scheinen heute durch Neubauten aus Stein ersetzt, vgl. https://www.google.de/maps/place/VILLA+GIACOMINA-PARKEN/@58.5348431,13.1293514,159m/data=!3m1!1e3!4m6!3m5!1s0x465b2f50a8a8e613:0x22ba86b6629522a8!8m2!3d58.5336667!4d13.1278286!16s%2Fg%2F11pcl1kc9j?entry=ttu (13.02.2024).
  17. Vgl. Westrin 2004, S. 237, Bildunterschrift.
  18. Vgl. Westrin 2004, S. 237.
  19. Der Autor bedankt sich sehr herzlich für diesen Hinweis bei Robin Gullbrandsson. In der Dokumentation des Museums werden einige vergleichbare Pavillons in Schweden aufgelistet, vgl. Carlquist 2012, S. 2–3.
  20. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q1038985.
  21. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q1037921.
  22. Vgl. Westrin 2004. Auf dem Blatt ist lt. Westrin 2004, S. 235, handschriftlich ‚du Stola‘ ergänzt und im Aufriss über dem Portal das Wappen der Ekeblad eingezeichnet. Der Architekt war schon für die Familie tätig gewesen.
  23. Vgl. Westrin 2004, S. 235.
  24. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q5706932; Jägerskiöld 1949; Allén in: Allén/Frängsmyr 2016, S. 31–38.
  25. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q22116674; https://www.adelsvapen.com/genealogi/Horn_af_Ekebyholm_nr_53#TAB_2 (22.02.2024), barn.
  26. Vgl. Westrin 1986, S. 15, Westrin 2004, S. 238.
  27. Kungliga Bibliotheket, Stockholm, Signatur Hs I e 17 a.
  28. Vgl. Westrin 2004, S. 238.
  29. Vgl. https://www.wikidata.org/wiki/Q870196.
  30. Vgl. Westrin 2004, S. 238.